So nah beisammen und doch so weit entfernt. Nur 20 Punkten trennen die beiden DTM-Titelanwärter Rene Rast und Nico Müller vor den letzten vier Rennen der Saison 2019 auf dem Nürburgring und dem Hockenheimring. Der Weg der beiden Audi-Werksfahrer an die Spitze der Gesamtwertung hätte kaum unterschiedlicher verlaufen können.

Auf der einen Seite Rast, das Qualifying-Monster der DTM. Auf der anderen Müller, der mit seiner enormen Konstanz den Weg in Richtung Tabellenspitze geebnet hat. Motorsport-Magazin.com vergleicht die beiden Herausforderer und erklärt, welcher Fahrer im Titelkampf einen Vorteil hat.

Die Qualifying-Performance

Seit Jahren die wichtigste Disziplin in der DTM - und die große Stärke von Rene Rast, die ihn schon 2017 zum Titel geführt hat. Durch die vor zwei Jahren eingeführten Extrapunkte für das Qualifying nimmt der Kampf um die besten Startplätze einen noch höheren Stellenwert ein.

Das zeigt Rast auch in der laufenden Saison: In sechs der 14 Rennen startete er von der Pole Position. Insgesamt zehn Mal nahm er einen Lauf aus der ersten Startreihe in Angriff. Zahlen, an die kein anderer DTM-Fahrer auch nur im Ansatz heranreicht.

Rasts überragende Performance im Qualifying wirkt sich direkt auf die Meisterschaft aus: Allein durch die Extrazähler erzielte er in dieser Saison 27 Punkte - das entspricht mehr als einem zusätzlichen Rennsieg, für den es 25 Punkte gibt. Selbst auf dem Lausitzring, der nicht als Rasts Lieblingsstrecke gilt, sicherte er sich die Pole für das Samstagsrennen.

Ganz anders Müller, der um seine kleinen Schwächen im Qualifying weiß. Der Schweizer fuhr nur am Samstag auf dem Norisring zur Pole Position. Einen Tag später startete er erneut - und zum bislang letzten Mal - aus der ersten Reihe. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu Rast: Müller holte nur sieben Zusatzpunkte im Qualifying und damit 20 weniger als Rast - mit genau diesem Rückstand reist er zum nächsten Rennwochenende auf dem Nürburgring (13.-15. September).

DTM 2019: Rast und Müller im Vergleich

StatistikRene RastNico Müller
Siege62
Podestplätze 910
Pole Positions61
Erste Startreihe102
Führungskilometer685285
Punkte234214

Immerhin: Müller nahm beide Rennen auf dem Lausitzring aus der dritten Position auf. In den vier vorangegangenen Rennen war der 27-Jährige nie über den vierten Startplatz hinausgekommen. "Das Ziel war es, im Qualifying besser zu werden, ohne im Rennen Pace einzubüßen", sagt Müller. "Das sind Kleinigkeiten, wir sprechen da gern von einem Setup-Cocktail. Wir sind jetzt ein bisschen näher am Optimum dran."

In diesen Bereich ist Rast längst vorgestoßen. In seinen 54 DTM-Qualifyings erzielte er elf Pole Positions. Mit sechs Poles hat er dieses Jahr schon mehr als in den letzten beiden Saisons zusammen. Auffällig: Rast konnte 2019 nur eine Pole (Brands Hatch Sonntag) in den Sieg umwandeln. 2017 und 2018 gelang ihm dies vier Mal bei fünf Anläufen vom ersten Startplatz.

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Die Renn-Performance

Einige Unterschiede der beiden Audi-Rivalen zeigen sich auch in den Rennen auf. Rast ist der Mann für die dicken, Müller der für die vielen Punkte. Die Sieg-Statistik spricht eine ganz klare Sprache: Rast gewann in dieser Saison fünf Rennen und damit die meisten aller Fahrer.

Am nächsten kommt ihm BMW-Pilot Marco Wittmann, der vier Mal ein Rennen für sich entscheiden konnte. Müller gelangen hingegen nur zwei Siege; in Misano sowie auf dem Lausitzring, nachdem Pole-Setter Rast in Führung liegend ausgefallen war.

Dieser durch einen Sensorik-Fehler ausgelöste Ausfall war nicht sein erster in der laufenden Saison. Insgesamt drei Mal erwischte Rast die Technik eiskalt: Neben dem Lausitz-Malheur (in Rennen 1) verlor Rast beim Samstags-Rennen in Hockenheim den zweiten Platz wegen eines Getriebe-Problems. Und in Zolder zerstörte ein defekter Ladekühler sein Rennen - ebenfalls im Rennen am Samstag.

Kurios: Nach den drei Rückschlägen meldete sich Rast stets furios zurück und gewann jeweils das zweite Rennen des Wochenendes! "Das ist auch Pech. Die Technik streikt, wie sie will", trauert Rast den verlorenen Punkten hinterher. Gesetz einem idealen Rennausgang büßte Rast dadurch schon 51 Zähler (18 in Hockenheim, 6 in Zolder, 25 am Lausitzring) ein.

Ganz anders Müller, der eine enorme Konstanz an den Tag legt. Äußerst unüblich in der DTM: Saisonübergreifend fuhr er 18 (!) Mal in die Punkteränge. Wäre er 2018 am Nürburgring nicht im Sonntagsrennen 13. geworden, hätte sich die Punkteserie gar auf 23 Rennen erstreckt.

Müller hamstert Punkte, setzt inzwischen aber auch regelmäßig Highlights. Die letzten sechs Rennen in Assen, Brands Hatch und in der Lausitz beendete er alle auf dem Podium. Insgesamt zehn Mal fuhr Müller in den bisher 14 Rennen unter die Top-3 - absoluter Bestwert auch vor Rast, der auf neun Podiumsplatzierungen kommt.

Konstanz ist ein wichtiger Schlüssel, führt bei einem Gegner wie Rast aber nicht zum Gewinn der Meisterschaft. Weiß auch Müller: "An den Tagen, wo wir die dicken Punkte holen können, müssen wir sie unbedingt nach Hause fahren!"

DTM-Vergleich: Rene Rast und Nico Müller

StatistikRene RastNico Müller
Rennen5498
Siege153
Podestplätze2317
Pole Positions112
Erste Startreihe216
Führungskilometer1728563
Punkte672515

Rast gegen Müller: Prognose

Sollte es zu keinen weiteren fatalen Technik-Pannen kommen, legt sich Motorsport-Magazin.com fest: Die Titelentscheidung zwischen Rast und Müller fällt erst beim letzten Saisonrennen auf dem Hockenheimring.

Da BMW in der aktuellen Verfassung (mit kleiner Ausnahme namens Wittmann) kein ernstzunehmender Gegner ist, dürften weitere Doppelsiege durch Rast und Müller folgen. Die Audi-Mitstreiter sprechen inzwischen offen davon, die Favoriten aus dem eigenen Lager zu unterstützen. Wie Jamie Green, der am Lausitzring die Führung freiwillig an Rast abtrat.

Dadurch sollten keine großen Punktedifferenzen zwischen Rast und Müller entstehen, wobei Rasts Dominanz im Qualifying einmal mehr den Ausschlag geben könnte. Nicht zuletzt spielen interne Ansagen und Risiko-Management eine Rolle.

"Wir können ein bisschen mehr riskieren als Rene", sagt Müller. "Aber wir können nicht einfach auf volle Attacke fahren. In dieser Situation wäre ein Ausfall nicht einfach zu verkraften." Das weiß auch Rast: "Es ist entspannter, Nico als Marco (Wittmann) hinter mir zu haben. Marco würde vielleicht auch in eine Lücke reinhalten, die kleiner ist. Nico würde sich da vielleicht eher ein bisschen zurückhalten."