Während DTM-Neueinsteiger WRT diesen Donnerstagabend am Teamsitz im belgischen Baudour sein zehnjähriges Bestehen feierte und das umfangreiche Motorsportprogramm für die Saison 2019 vorstellte, wird andernorts fleißig geschraubt.

Bei Audi Sport in Neuburg nahe Ingolstadt bauen WRT-Mitarbeiter seit einer Weile zwei brandneue Audi RS 5 DTM Rennwagen auf, die der Rennstall als Kundenteam in der anstehenden DTM-Saison einsetzen soll.

Eines der Autos ist bereits für Jonathan Aberdein reserviert, den 21-jährigen Formel-Umsteiger, der vor seinem vierten Jahr im Automobilsport sowie seiner ersten Saison in der DTM steht. Doch für welchen Fahrer wird der zweite Sitz im Audi angepasst? Aberdeins künftiger Teamkollege werde in Kürze oder auch zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben, heißt es von offiziellen Seiten.

Findet WRT einen zweiten Fahrer?

Fakt ist: Bei der großen WRT-Präsentation konnte Teamchef Vincent Vosse noch keinen Namen präsentieren. Und genau 42 Tage vor dem ersten Saisonrennen am 4. Mai auf dem Hockenheimring muss die Frage erlaubt sein: Findet WRT überhaupt einen zweiten Fahrer für das neu aufgestellte DTM-Programm?

Am 12. Oktober 2018, also vor etwa fünf Monaten, gab Audi bekannt, dass WRT den Einsatz von zwei Kundenautos plant. Eine geschickt gewählte Aussage, denn die tatsächliche Umsetzung gestaltet sich mehr als schwierig. Tatsächlich gibt es nur wenige Fahrer auf dem Markt, die in der Lage oder bereit sind, einen Millionenbetrag zu investieren, um bei einem DTM-Kundenteam anzudocken.

DTM-Rookie Aberdein bei der WRT-Präsentation neben einem Vorjahres-Audi, Foto: WRT
DTM-Rookie Aberdein bei der WRT-Präsentation neben einem Vorjahres-Audi, Foto: WRT

BMW komplett ohne Kundenteam

Im Gegensatz zu BMW ist es Audi immerhin gelungen, ein Kundenteam zu finden, dass die sportliche und vor allem finanzielle Bürde auf sich nimmt. Die Konkurrenz aus München hingegen hat den Einsatz eines Kundenteams für 2019 vor wenigen Tagen abgesagt - das hatte Motorsport-Magazin.com bereits am 15. Dezember 2018 angedeutet und am 7. Februar 2019 exklusiv vermeldet.

Und ebenso, woran es wirklich hakt: Kundenteams in der DTM sind nur schwer zu finanzieren. Obwohl immer mehr Einheitsbauteile Einzug in die Rennwagen halten, um die Kosten weiter zu senken, muss ein interessiertes Kundenteam nach Informationen von Motorsport-Magazin.com mit fünf bis sechs Millionen Euro für den Einsatz von zwei Autos kalkulieren.

Eine enorme Summe, die sich entweder über einen großen Teamsponsor oder über Fahrer mit den entsprechenden Mitteln finanzieren muss. Audi Sport unterstützt WRT mit Materialien, für die operativen Kosten muss das Privatteam selbst aufkommen. Einige deutsche Teams mit bekanntem Namen hätten sogar ein Millionen-Budget für den DTM-Einstieg zusammengebracht - doch am Ende fehlten die letzten und entscheidenden Gelder. Es folgte eine Absage nach der anderen, weil die Zeit drängte und sich immer mehr abzeichnete, dass die letzten Millionen nicht aufzutreiben sein würden.

Poker auf dem Transfermarkt

Jetzt, Ende März 2019, haben große Unternehmen für gewöhnlich ihre zur Verfügung stehenden Budgets fürs Sport-Sponsoring längst verplant. Die Hoffnungen von WRT dürften eher auf einem Fahrer ruhen, der sich noch nicht final für eine Formel-Nachwuchsserie entschieden hat. Hier werden in den obersten Klassen ähnliche Budgets wie für die DTM aufgerufen, wobei die Chancen auf den Sprung in die Formel 1 vergleichsweise gering bleiben.

Und da einige Formelserien selbst aktuell in akuten Problemen stecken - die geplante DTM-Rahmenserie Formula European Masters wurde jüngst komplett abgesagt - genügend Fahrer mit entsprechenden Geldern zu finden, tobt auf dem Transfermarkt seit Wochen und Monaten ein reger Poker um die besten Angebote. Aus Zeitnot sinken die aufgerufenen Cockpit-Preise quasi täglich, verraten mehrere Insider im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Nur die Top-Teams der jeweiligen Serien konnten ihre verfügbaren Cockpits frühzeitig besetzen.

WRT feiert sein zehnjähriges Bestehen und blickt auf zahlreiche Erfolge im GT-Sport zurück, Foto: WRT
WRT feiert sein zehnjähriges Bestehen und blickt auf zahlreiche Erfolge im GT-Sport zurück, Foto: WRT

David gegen Goliath

Doch welche Argumente kann WRT liefern, um einen Fahrer mit entsprechender Mitgift für die DTM zu begeistern? Einem jungen Piloten winkt im besten Fall ein Werksvertrag bei einem der involvierten Autobauer, wenn er zu überzeugen weiß - durchaus eine attraktive Aussicht in der heutzutage schwierigen Motorsportumgebung.

Doch die Voraussetzungen für ein gutes Abschneiden sind überschaubar. Trotz des gleichen Materials dürfte es für das vergleichsweise kleine WRT gegen die Hersteller-Power von Audi, BMW und R-Motorsport (gilt in der DTM wegen exklusiver Aston-Martin-Lizenz als Hersteller) schwierig werden.

WRT erhält Test-Minimum

Ebenso die Vorbereitung auf das erste Jahr in der DTM: WRT stehen ausschließlich die vier Testtage am Lausitzring (15.-18. April) zur Verfügung, um sich mit dem Turbo-Auto und all den Abläufen unter realen Bedingungen vertraut zu machen. Zusätzliche Testtage, wie im Fall von Neueinsteiger R-Motorsport, stehen dem Audi-Kundenteam nach Informationen von Motorsport-Magazin.com nicht zur Verfügung.

Die Rückkehr der Kundenteams in die DTM - diesmal mit gleichwertigem Material - war auch eine Folge auf den Mercedes-Rücktritt zum Ende der vergangenen Saison und musste entsprechend kurzfristig eingeleitet werden.

So attraktiv die und in der Theorie sinnvoll erscheinende Idee von DTM-Boss Gerhard Berger und den Herstellern auch erscheinen mag - die Umsetzung, das zeigt sich für Jedermann sichtbar nach BMW nun auch bei WRT, ist ein Ritt auf der Kanonenkugel.