So etwas wie ein Fahrermarkt existierte in der DTM quasi nicht. Stattdessen großer Stillstand bei Audi, BMW und Mercedes. "Das ist bei uns ein großer Nachteil und wir müssen da mehr Pfeffer reinbringen", sagte DTM-Boss Hans Werner Aufrecht bei Motorsport-Magazin.com. "Dass auch die Fahrer wissen, 'mein Job ist gar nicht so sicher und es kann sein, dass ich rausfliege, wenn die Leistung nicht stimmt'."

Im Zuge der beschlossenen Reduzierung auf sechs Autos pro Hersteller sowie des Wechsels von Edoardo Mortara zu Mercedes sieht es jetzt anders aus. Vor allem bei den Stuttgartern herrscht ein reger Kampf um die freien Cockpits für 2017. Motorsport-Magazin.com analysiert, welcher Fahrer gute Chancen auf eine Weiterbeschäftigung hat, wer wackelt und wer noch kommen könnte.

Die aktuellen Piloten

Robert Wickens: Die neue Mercedes-Speerspitze. Mit Platz vier der bestplatzierte Fahrer im Kader, kurzzeitig sogar mit Chancen auf die Meisterschaft. Wickens gefällt sich in seiner neuen Rolle bei Mercedes, nachdem er in den vergangenen Jahren nicht konstant überzeugen konnte. "Ich denke, dass ich das schon in der Vergangenheit hätte erreichen können", sagte Wickens bei Motorsport-Magazin.com. "Aber aus irgendwelchen Gründen - Pech, eigene Fehler - war das nicht der Fall." Stand er früher öfter mal auf der Kippe, wird Wickens garantiert auch 2017 bei Mercedes fahren.

Paul Di Resta: Der frühere DTM-Champion kam in der abgelaufenen Saison auf einen Sieg und vier Podestplätze. Damit war Di Resta hinter Wickens der zweitbeste Mercedes-Fahrer. Trotzdem blieb er unter seinen Möglichkeiten, hatte sich zu Saisonbeginn einiges mehr ausgerechnet. Sportlich spräche nichts gegen eine Weiterbeschäftigung. Im Fahrerlager heißt es aber, dass Di Resta den Spaß an der DTM verloren habe. Als ehemaliger Meister dürfte er sich insgesamt mehr ausgerechnet haben. Sollte er wirklich keine Lust mehr haben, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für den Absprung. Die Entscheidung dürfte also auch bei ihm liegen.

Hat Paul Di Resta den Spaß an der DTM verloren?, Foto: Evgeny Safronov
Hat Paul Di Resta den Spaß an der DTM verloren?, Foto: Evgeny Safronov

Gary Paffett: Seit 2003 bei Mercedes in der DTM und eigentlich nicht wegzudenken. Wenn es einen Fahrer gab, der nie zur Debatte stand, dann war es Paffett. Jetzt sieht die Situation etwas anders aus. Sportlich lief es mehr schlecht als recht, doch mit seiner Leader-Rolle bei ART hatte er eine wichtige Aufgabe. Aber: Für die Franzosen ist Feierabend in Folge der Auto-Reduzierung. Ans Aufhören denke er noch nicht, sagte der frühere Champion bei Motorsport-Magazin.com. Dabei pochte er allerdings sehr auf seine Rolle bei ART. Gut möglich, dass nach Tomczyk und Scheider auch ein Mercedes-Veteran Schluss macht.

Lucas Auer: Die positive Überraschung bei Mercedes. Auer gelang auf dem Lausitzring sein erster DTM-Sieg. Auch am Nürburgring fuhr der Österreicher aufs Podium, hinzu kommen zwei Pole Positions. Auer ist unheimlich schnell, muss aber noch Konstanz finden. Die Formel 1 hat der Neffe von Gerhard Berger weiter im Blick - das DTM-Team von Mercedes als Sprungbrett? Solange in der F1 nichts frei wird, verdient er sich weiter seine Sporen im Tourenwagen. Ganz sicherer DTM-Kandidat für 2017.

Christian Vietoris: Nach dem Wechsel von HWA zu Mücke hatten viele Beobachter Vietoris eine schwierige Saison prophezeit. Allerdings lief es wesentlich besser als erwartet. Vietoris fuhr zweimal aufs Podium, obwohl er nicht selten das Pech gepachtet hatte. Etwa am Norisring, als er in Führung liegend von Mattias Ekström abgeschossen wurde. Aber: Reicht das für eine Weiterbeschäftigung in der DTM? Vietoris gilt als möglicher Wackelkandidat, nachdem mit Mortara jetzt noch ein Cockpit weniger frei ist.

Maximilian Götz: Ein Podium hatte er sich nach seiner starken zweiten Saisonhälfte 2015 erhofft - am Ende war ein vierter Platz in Russland das Highlight von Maximilian Götz. Eine insgesamt enttäuschende Saison für den HWA-Piloten. Betrachtet man nur die sportliche Seite, könnte es eng werden für Götz. Aber: Abseits der Strecke ist er Gold wert als sympathisches Aushängeschild für Mercedes. Ein echter Fan-Liebling. Das könnte mitunter den Ausschlag geben, dass Götz weiter DTM fahren darf.

Daniel Juncadella: Für den Spanier dürfte Schluss sein nach vier Jahren DTM. Im Formelauto galt er einst als Supertalent, Autos mit Dach lagen ihm insgesamt eher weniger. Das erste DTM-Podest in Ungarn wäre ein schöner Abschluss gewesen - doch selbst das wurde Juncadella wegen eines illegalen Unterbodens verwehrt. Sollte Mercedes-AMG ihn weiterbeschäftigen, könnte er im Sportwagen-Programm der Affalterbacher eine neue sportliche Heimat finden.

Ob Juncadella und Rosenqvist auch 2017 noch in der DTM fahren?, Foto: Gruppe-C GmbH
Ob Juncadella und Rosenqvist auch 2017 noch in der DTM fahren?, Foto: Gruppe-C GmbH

Felix Rosenqvist: Galt zunächst als Platzhalter für Esteban Ocon, der früher als erwartet in die Formel 1 aufsteigen konnte. Doch ohne Anlaufzeit konnte Felix Rosenqvist auf Anhieb überzeugen und zweimal punkten. Von allen Seiten wurde der Schwede, der es in seiner Karriere nicht immer leicht hatte, in höchsten Tönen gelobt. Gegen ein weiteres Engagement in der DTM spricht allerdings sein Cockpit in der Formel E. Terminüberschneidungen könnten zum Problem werden. Tendenz: Fulltime-Job in der Formel E statt in der DTM, dafür ausgewählte GT3-Einsätze für Mercedes.

Der Neue

Edoardo Mortara: Inzwischen steht seine Verpflichtung auch offiziell fest. Angesichts der vergangenen Erfolge, ist der Vize-Meister sicherlich eine Verstärkung für den Mercedes-Kader. Ärgerlich nur für die aktuellen Piloten, dass jetzt noch ein Platz weniger frei ist. Statt zwei, müssen sich jetzt drei Fahrer aus der DTM verabschieden. Mortara und seine fünf Teamkollegen werden 2017 von HWA betreut, nachdem Mücke und ART GP ausscheiden.

Potenzielle Kandidaten

Felipe Massa: Der scheidende Formel-1-Pilot weiß noch nicht, was er in Zukunft machen will. Er selbst hatte die DTM immer wieder ins Spiel gebracht. Er wäre nach einiger Zeit der nächste F1-Veteran, der seine Karriere in der Tourenwagenserie ausklingen lässt. Mercedes war hier in der Vergangenheit immer ein beliebter Arbeitgeber... "Das wäre interessant, ein guter Name für die DTM", sagte Mercedes-Leiter Ulrich Fritz, fügte aber hinzu: "Wir sind happy mit den Fahrern, die wir haben." Massas DTM-Einstieg ist eher unwahrscheinlich, ausgeschlossen aber nicht.

Maximilian Günther: Der Youngster steht als frisch gebackener Vize-Europameister der Formel 3 immer mehr im Fokus. Jüngster Erfolg: Günther wurde zum ADAC Junior-Motorsportler des Jahres gewählt. Der 19-Jährige wird seit einiger Zeit von Mercedes-Benz unterstützt und schnupperte schon häufiger bei der DTM-Truppe rein. "Er macht einen tollen Job in der Formel 3 und ist sicherlich sehr talentiert", sagte Uli Fritz während der Saison. "Maxi ist der Zweitplatzierte der Serie. Deshalb ist er es wert, dass wir ihn uns anschauen." Der direkte Einstieg als Stammpilot käme vermutlich etwas früh für Günther. Eine Möglichkeit wäre aber der Job des Ersatzfahrers, wie ihn zuletzt Ocon und Rosenqvist bekleideten.

Maximilian Günther zählt zu den größten Talenten in Deutschland, Foto: FIA Formel-3-EM
Maximilian Günther zählt zu den größten Talenten in Deutschland, Foto: FIA Formel-3-EM

Mercedes-AMG GT3-Champions: Maximilian Götz hatte sich mit starken Leistungen im Mercedes SLS AMG-GT3 für die DTM empfohlen - folgen ihm weitere Fahrer aus dem Sportwagenprogramm? Am ehesten kommen Dominik Baumann und Maximilian Buhk in Frage. Das Duo gewann dieses Jahr die Blancpain-Meisterschaft. Beide blicken auf zahlreiche Erfolge im GT3-Rennwagen zurück und hätten sicherlich eine Chance im DTM-Boliden verdient. Wegen der Auto-Reduzierung dürfte es für 2017 allerdings etwas eng werden.

Dominik Baumann und Maxi Buhk sind Blancpain-Champions 2016, Foto: Günter Kortmann
Dominik Baumann und Maxi Buhk sind Blancpain-Champions 2016, Foto: Günter Kortmann