Hockenheim, 29. Oktober 2000: Ein schwarzes Coupé mit Uwe Alzen am Steuer gewinnt sowohl den ersten als auch den zweiten Lauf des Tages. Beim zweiten Lauf folgen dem schwarzen Coupé gar drei baugleiche, wenn auch mit anderer Lackierung versehene Fahrzeuge auf den Rängen zwei bis vier. Was zum damaligen Zeitpunkt nicht weiter bemerkenswert war, wirkt heute beinahe befremdlich: Das besagte siegreiche Coupé heißt Astra und trägt weder vier Ringe im Kühlergrill noch einen Stern auf der Motorhaube - es trägt das bekannte Blitz-Logo der Adam Opel AG.

Spa-Francorchamps, 15. Mai 2005: Viereinhalb Jahre später, nach vielen Audi-Siegen und noch mehr Mercedes-Triumphen, kommen drei baugleiche Mittelklasselimousinen ins Ziel. Sie tragen wie der Astra einen Blitz im Kühlergrill, den mittlerweile auch eine breite, horizontale Chromleiste ziert, und heißen Vectra GTS. Soeben sind zwei von ihnen von Marcel Fässler und Laurent Aiello auf die Ränge fünf und sieben und damit erstmals in diesem Jahr in die Punkteränge pilotiert worden - und dennoch ist die Enttäuschung allgegenwärtig.

Wieder einmal ist die Hoffnung auf den ersten Opel-Triumph seit Oktober 2000 geplatzt, die in Anbetracht der guten Ergebnisse bei den ITR-Tests in Spa, des beachtlichen Mindergewichts im Vergleich zur Konkurrenz und der Plätze eins und zwei im Qualifying wohl insgeheim aufgekommen waren. Doch bereits die Super Pole, in die Laurent Aiello und Marcel Fässler dank ihrer hervorragenden Leistung im verregneten Qualifying eingezogen waren, bedeutete ein Rückfall in die seit 2001 undurchbringbar scheinende Kombination aus einem schlicht und einfach oftmals nicht konkurrenzfähigen Auto, eigenen kleinen Missgeschicken in Qualifying und Rennen sowie einer Portion Pech:

Ausgerechnet der im Qualifying drittplatzierte Audi-Pilot Tom Kristensen, ansonsten eher durch eine geringe Fehlerquote auffallend, platzierte seinen A4 ausgerechnet bei seiner Einlaufrunde im Kiesbett - und das ausgerechnet vor den Runden der beiden Opel. So wurde nicht nur Marcel Fässlers Super-Pole-Runde durch die gelben Flaggen, die in der Nähe des gestrandeten A4 DTM geschwenkt wurden, beeinträchtigt. Während sich Laurent Aiello durchaus aussichtsreich anschickte, die Bestzeit Mika Häkkinens zu unterbieten, wechselte die gelbe Farbe der Flaggen in ein sattes Rot - Abbruch der Super Pole. Während Kristensens Dienstwagen aus dem Kies befreit wurde, verdunkelte sich die Miene Volker Stryceks ebenso wie der Himmel zusehends. Er sollte Recht behalten. Nachdem Fässler mit Rang vier den Erfolg aus dem Qualifying nicht zu wiederholen vermochte, unterlief Aiello nach dem Pech im pechschwarzen Vectra nach einer viel versprechenden ersten Sektorzeit ein Fahrfehler - Rang sieben. Heinz-Harald Frentzen und Manuel Reuter waren mit den Plätzen 16 und 17 ohnehin nicht über die gewohnten Gefilde hinausgekommen.

Mehr Schatten als Licht war auch im Rennen bei den Rüsselsheimern zu beklagen: Zwar gelang Marcel Fässler beim Start die Verbesserung auf Rang drei; selbst den späteren Sieger Mika Häkkinen brachte er in den folgenden Runden in Bedrängnis. Nach einem frühen ersten Boxenstopp in Runde sechs war jedoch zunächst nicht mehr viel von ihm zu sehen: "Nach einem guten Start bin ich als Dritter aus der ersten Kurve herausgekommen und konnte diese Position bis zum ersten Boxenstopp halten. Zu diesem Zeitpunkt war das Feld aber schon so weit auseinander gezogen, dass ich meine neuen Reifen im Pulk nicht nutzen konnte." Und so sorgte der Schweizer während der letzten Runden immerhin für ein sehenswertes Duell gegen Martin Tomczyk, um schließlich mit Rang fünf ein nur mit gedämpfter Euphorie hingenommenes Ergebnis einzufahren.

Auch Laurent Aiello konnte seinen Startplatz nicht in ein besseres Rennergebnis umsetzen. Nach einem eher mäßigen Start und zwei recht frühen Stopps in den Runden elf und 13 fand sich der DTM-Meister von 2002 auf Rang acht hinter Bernd Schneider wieder, den er mit Hilfe eines mutigen, aber gekonnten Manövers in der Eau Rouge überholte. Nicht minder mutig, aber weniger gekonnt erschien der Konterversuch Bernd Schneiders drei Runden später, infolgedessen sich die silberne C-Klasse und der schwarze Vectra berührten. Anders als Schneider, der nach diesem Manöver glücklicherweise unverletzt seiner in die Reifenstapel eingeschlagenen C-Klasse entsteigen musste, fuhr der Franzose mit Platz sieben einen Punkterang ein.

Wie bereits in den vergangenen beiden Rennen vermochten die beiden deutschen Fahrer des Teams nicht mit Fässler und Aiello mitzuhalten. Nach einem selbst verschuldeten Dreher im Duell gegen Martin Tomczyk kam der Mönchengladbacher nach einem nach eigener Aussage "einsamen" Rennen auf dem letzten Platz ins Ziel; Manuel Reuter ging in der letzten Runde infolge eines Missgeschicks beim zweiten Boxenstopp auf aussichtsloser Position liegend der Kraftstoff aus.

Somit fiel die Ausbeute der Rüsselsheimer mit sechs Punkten eher mager aus; gerade angesichts der in das Rennen auf der Ardennenachterbahn gesetzten Hoffnungen. Volker Strycek bestätigt: "Positiv ist, dass Opel mit zwei Vectra GTS V8 gepunktet hat. Dennoch: Ich hatte mir mehr von diesem Rennen erwartet." Von der eventuellen Hoffnung auf den Sieg wagt der DTM-Meister von 1984 verständlicherweise gar nicht mehr zu sprechen: "Nach dem Ergebnis vom Zeittraining und den Rundenzeiten im Warm Up hatten wir berechtigte Hoffnungen auf einen Podiumsplatz. Dazu hat es leider nicht ganz gereicht."

Und so warten die Rüsselsheimer weiterhin auf die Wiederholung des Erfolgs, den ihnen vor fast einem halben Jahrzehnt Uwe Alzen, der nach einem Zwischenstopp bei Mercedes längst aus der DTM verschwunden ist, und das schwarze Coupé namens Astra, dessen Urenkel im Oktober vergangenes Jahres sein letztes Rennen bestritt, bescherten... Zwar wird dem Opel Vectra GTS in Spa angesichts der heutigen Ergebnisse und seiner generellen Unterlegenheit im Vergleich zur Ingolstädter und Stuttgarter Konkurrenz höchstwahrscheinlich nicht zum letzten Mal der maximale Gewichtsvorteil in Höhe von 20 Kilogramm zu Gute gekommen sein, doch wesentlich unwahrscheinlicher erscheint eine Wiederholung der Chance, wie sie sich in den Ardennen bot: Auf keiner anderen Strecke ist der aus dem Mindergewicht resultierende Vorteil größer als in Spa, wo die Besonderheit einer außergewöhnlichen Rundenlänge sowie mehreren langen Steigungen zum Tragen kommen.

Wann also nimmt die Durststrecke ihr Ende? Für die Rüsselsheimer und ihre zahlreichen Fans bleibt zu hoffen, dass sie nicht erst im kommenden Oktober, nach der letzten Opel-Teilnahme vor dem Ausstieg, zwangsweise beendet wird...