In der vergangenen Saison endete vorerst Christian Abts Laufbahn im DTM-Team seines Bruders Hans-Jürgen, wie sie begonnen hatte. Wie schon 2000 im zum damaligen Zeitpunkt nicht konkurrenzfähigen Abt-Audi TT-R rangierte Abt am Ende der Saison mit einem Meisterschaftspunkt in der Gesamtwertung fernab der Top Ten – diesmal allerdings in einem Audi A4 DTM, der dem Schweden Mattias Ekström zum DTM-Titel verhalf. So konnte es kaum überraschen, dass der Kemptener 2005 in keiner der A4-Limousinen aktuellen Jahrgangs Platz nehmen durfte. Doch nachdem die Ingolstädter entschieden hatten, das Team Joest mit der Betreuung aller vier Vorjahreswagen zu beauftragen, galt es überdies, vom Team des Bruders Abschied zu nehmen und das Ende eines Karriereabschnitts zu beschließen...

Jener Karriereabschnitt war weniger von glänzenden Siegerpokalen, als vielmehr von zerbrochenen Kohlefaserteilen aus einer überdurchschnittlichen Zahl an Feindberührungen geprägt. Allzu oft endete eine durchaus viel versprechend begonnene Dienstfahrt des Allgäuers im Kohlefaserkleid gegnerischerer Fahrzeuge. Dass die entstandenen Kohlefaserscherben bedeutend weniger Glück brachten, als es die gläsernen Pendants zumindest dem Sprichwort nach zu tun pflegen, zeigte sich spätestens im vorletzten Rennen der Saison 2001 im niederländischen Zandvoort: Nach einem harten, aber auf beiden Seiten nicht nach jedermanns Ansicht fairen Kampf um den Sieg mit dem damaligen Mercedes-CLK-Piloten Uwe Alzen unterlag Abt denkbar knapp. Dass dem temperamentvollen Bayern der zweite Platz, der zugleich den ersten Podiumsplatz seiner DTM-Karriere darstellte, kein allzu großer Trost war, erscheint im Nachhinein umso nachvollziehbarer: Bislang kam Abt einem Sieg nie mehr so nahe wie damals...

Die folgende Saison, die Teamkollege Laurent Aiello den DTM-Titel einbrachte, begann zunächst zufrieden stellend: So reichte es für Abt während der ersten Saisonrennen angesichts zweier zweiter Plätze zumindest zur Rolle des Adjutanten des siegreichen Franzosen. Die folgenden Läufe leiteten allerdings bereits die Durststrecke der Jahre 2003 und 2004 ein, während derer Abt insgesamt magere drei Punkte einfuhr. Im zu Anfang genannten, verhängnisvollen Jahr 2004 gab es fahrerisch nur wenige Highlights: Die gute Basis des dritten Startplatzes am Nürburgring wurde durch die Folgeschäden einer Berührung am Start zunichte gemacht, der fünfte Startplatz in Zandvoort löste sich infolge eines defekten Feuerlöschers im Rennen zwar nicht in Luft, aber dafür in weißen Schaum auf. Die häufigen, allerdings keineswegs immer auf Seiten des Bayern verschuldeten Kollisionen blieben nicht ohne verbale Folgen: So empfahl Opel-Pilot Heinz-Harald Frentzen nach einer Kollision mit Abt in Adria selbigem vor dem ARD-Publikum wenig schmeichelhaft den Kauf einer neuen Brille..

Ob Christian Abt der Empfehlung Frentzens nachkam, ist nicht überliefert. Bekannt ist nur, dass es für ein neues Auto nicht reichte; vielmehr folgte der A4 seinem Fahrer beim Wechsel zum Joest. Und so betrifft die am weitesten reichende Änderung an Abts treuem automobilen Begleiter die Lackierung: Aus der auffälligen, gelben Hasseröder-Lackierung wurde eine anthrazitfarbene Werbelackierung für "Audi Gebrauchtwagen:plus". Doch nicht nur zum dezent-gefälligen Design des Vorjahres-A4 passt der neue Anstrich vorzüglich. Mit dem Wandel von der gelben Warnfarbe hin zur anthrazitfarbenen Eleganz scheint sich auch Christian Abt gewandelt zu haben:

Mit einem zwölften Platz platzierte sich der Le-Mans-Dritte von 2000 in der Qualifikation in Hockenheim als Bester der Audi-Jahreswagenfahrer. Im Rennen folgte seine große Stunde: Zwar blieb Abt beim Start auch diesmal nicht ganz frei von Feindberührungen und zwang seinen Dienstwagen in einen Dreher. Über alle Zweifel erhaben war jedoch die folgende Leistung des Meisterschaftssiebenten von 2002 – Abt hielt sich aus den zahlreichen Berührungen und Unfällen heraus und fuhr zunächst unauffällig, aber ungemein effektiv auf den sechsten Platz vor. Nachdem sich die beiden Vordermänner Mattias Ekström und Jamie Green mit allzu großen Zeitverlust attackiert hatten, ging der Bayer als lachender Dritter hervor und schob sich auf den vierten Platz – womit er wohlgemerkt einen A4 und eine Mercedes C-Klasse der aktuellen Generation hinter sich gelassen hatte. Und so zeugt es entgegen den augenärztlich zweifelhaften Diagnosen Heinz-Harald Frentzens nicht von Kursichtigkeit oder Weitsichtigkeit, sondern vielmehr von fahrerischer Weitsicht, dass sich Christian Abt im Vorjahres-A4 unauffällig auf Platz vier gekämpft und nebenbei das beste Audi-Ergebnis des Wochenendes eingefahren hatte...

Was in fahrerischer Hinsicht eine hervorragende Leistung und für Abt überdies die beste Platzierung seit 2002 darstellte, sorgte für ein ungewollt peinliches Debüt des neuen, in Hockenheim jedoch nur äußerlich angriffslustigeren A4 DTM, der pilotiert vom amtierenden Meister Ekström lediglich auf Platz fünf hinter dem Vorgänger landete. Abt fand dennoch werbewirksame, doch im Grunde keinesfalls abwegige Worte: "Ich bin total glücklich, wie das Rennen ausgegangen ist. Jetzt weiß ich, was das ‚plus´ in ‚Audi Gebrauchtwagen:plus´ bedeutet: Audi hat keine vier Jahreswagen, sondern acht konkurrenzfähige Rennfahrzeuge!"

In Anbetracht der unerwartet beeindruckenden Leistung des Kempteners erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass der Teamwechsel einen gehörigen Motivationsschub zur Folge hatte – offenbar gedenkt Abt, seinen am Ende der Saison fast zwei Jahre alten Dienstwagen für 2006 gegen einen Neuwagen einzutauschen. Eine auch weiterhin erfolgreiche Saison im Team Joest ist dem 37-Jährigen somit durchaus zuzutrauen. Im Hinblick auf das kommende Rennen in der Lausitz äußert er sich entsprechend zuversichtlich: "Ich denke, dass die neue Streckenvariante unserem Auto entgegen kommt. Es geht nicht mehr ganz so lange geradeaus, deshalb sollten wir noch konkurrenzfähiger sein als im vergangenen Jahr. Wir sollten erneut gute Chancen haben, vorne mitzufahren, und ich hoffe natürlich, dass ich das gute Ergebnis von Hockenheim wiederholen kann." Ist dies dem neuen Abt im alten Audi nicht durchaus zuzutrauen?