Das bereits zweite Drama um Miguel Molina in dieser Saison ist für den DTM-Leiter von Audi Dieter Gass nur schwer zu akzeptieren: "Es ist unsere Verantwortung, das Reglement einzuhalten und das haben wir nicht gemacht", stellte er in Oschersleben klar. Das Problem: Bei der Endplatte handelt es sich um kein Einheitsbauteil, sondern um ein Teil, das an einem Einheitsbauteil - sprich dem Flügel - dranhängt und so von den Toleranzwerten des Flügels abhängt. "Dass die Endplatte an einem Einheitsbauteil befindlich so außen drüberstehen kann haben wir schlicht übersehen", musste er zugeben.

Gerade dass es wieder Molina, der bereits in Hockenheim wegen eines nicht angebrachten Kamera-Dummys disqualifiziert worden war, erwischt hat, nimmt ihn besonders mit: "Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mir das stinkt. Dem armen Kerl spielen wir wirklich so übel mit. Er hat letztes Jahr so unter Druck gestanden, er musste liefern und hat geliefert. Jetzt hat er diesen Winter wieder perfekt gearbeitet, kommt topvorbereitet in die Saison, ist bis auf eine Session immer in den Top-3, und dann bauen wir zwei solche Klopper ein."

Toleranzabweichungen addieren sich auf

Mit dem bloßen Auge ist das Übel nicht zu erkennen, Foto: DTM
Mit dem bloßen Auge ist das Übel nicht zu erkennen, Foto: DTM

Was ist also schiefgelaufen? Gass erklärte, wie es zu den verhängnisvollen 1,5 respektive 2,7 Millimeter Abweichung kam: "Chassis, Getriebe, Flügelträger und Flügel sind Einheitsteile. Die haben untereinander eine Toleranz von 6 Millimetern. Der Flügel selbst ist auch innerhalb der Toleranz. Die Endplatte aber ist kein Einheitsbauteil. Da gibt es keine Toleranz, sondern nur einen Maximalwert." Was nun geschehen ist: Flügelaufhängung und Flügel wichen in dieselbe Richtung vom Leitmaß ab, aber innerhalb der Toleranz. "Aber wenn in der Toleranzkette alles nach hinten steht und die Endplatte normal am Flügel montiert ist, dann liegt sie automatisch außerhalb des Maximalwertes."

"Die Position der Platte in Relation zum Flügel ist eigentlich richtig. Nur weil aufgrund der Toleranz der Flügel zu weit hinten steht, ist die Endplatte zu weit herausgekommen", erklärte Gass weiter. "Wir messen regelmäßig von unserer Seite, aber das war ein Punkt, der bislang nicht auf der Liste stand. So etwas kann jederzeit jedem passieren, auch bei anderen Teilen. Das ist Teil des Spiels. Letztlich ist das eine ungünstige Verkettung der Umstände, aber wir hätten es sehen müssen."

Auch eine Berufung hätte wenig Aussicht auf Erfolg: "Da gibt es nichts bei dem es sich lohnen würde, in Berufung zu gehen. Es gibt ein Reglement. Das ist fix geschrieben, es steht schwarz auf weiß. Es wurde gemessen und wir waren draußen. Das lässt sich nicht wegdiskutieren." Zwar sei die Abweichung nicht relevant für die Performance gewesen, doch es würde nichts bringen, damit zu argumentieren: "Bei gelben Flaggen oder Vorfällen auf der Strecke muss einer die Situation abwägen." Da könne man gegen protestieren, nicht aber gegen ein eindeutig verfasstes Reglement.

Was wird eigentlich wie gemessen? "Es gibt Referenzpunkte am Monocoque, gegen die gemessen wird. Der eigentliche Messpunkt bezieht sich auf X0, das ist die Vorderradmitte." Jeder Hersteller misst von Zeit zu Zeit die Toleranzen, doch aufgrund einer Maßnahme zur Kostenreduzierung stehen nur zwei Messgeräte zur Verfügung. "Zwei Punkte auszumessen geht relativ schnell. Da muss man das Messgerät einrichten auf die Referenz und nach hinten messen. Der Hauptaufwand besteht darin, das Messgerät einzurichten, also aufzubauen und zu kalibrieren." Zwei Punkte zu vermessen geht also schnell, doch das Auto komplett in allen seinen Maßen zu erfassen würde Stunden dauern - Zeit, die weder Hersteller noch Teams haben.

Viel Lob für Molina

Die Toleranzen vom Reglement her zu modifizieren hält Dieter Gass aber für den falschen Weg: "Wir dürfen definitiv das Reglement jetzt nicht aufweichen weil sich der Zuschauer verwundert die Augen reiben mag. In der DTM geht jeder ans Limit; man muss hier einfach ans Limit gehen." Letztlich würden die größeren Toleranzen also lediglich zum Performancegewinn ausgenutzt werden. Welche Konsequenzen können dann gezogen werden? "Wir müssen uns besser überlegen, welche Punkte am Fahrzeug wir künftig messen und ob wir von unserer Seite in manchen Bereichen mehr Toleranz einbauen müssen, damit so etwas nicht mehr passieren kann."

Sehr lobend äußerte er sich über den Unglücksraben Molina: "Natürlich war er gestern Abend sehr niedergeschlagen. Aber er hat auch sofort wieder Stärke gezeigt und mit Hans-Jürgen [Abt] gesprochen. Und er hat selbst von seiner Seite aus die Jungs wieder motiviert, die waren ja auch komplett niedergeschlagen. Ich schätze ihn sehr stark ein. Man muss ihn bewundern, denn sowas hält nicht jeder aus. Er hat das wirklich sehr gut gemacht."