Endlich geht es wieder los - Feuer frei für die DTM-Saison 2014. Nach dem ersten Rennwochenende am Hockenheimring möchte ich mit einer Einschätzung über die Stärke des 2014er Fahrerfeldes starten. Zunächst einmal: Über die Qualität des Feldes müssen wir nicht diskutieren - die ist erstklassig. Unterm Strich sogar höher als in der Formel 1, weil die Hersteller nicht auf so genannte Bezahlfahrer angewiesen sind.

Es ist sehr schwierig, einen einzelnen Favoriten herauszupicken. Die Leistungsdichte in der DTM ist enorm hoch, das hat das Qualifying am Wochenende wieder einmal bewiesen. Es gibt so viele Faktoren, die am Ende den Unterschied ausmachen - und das bei sehr limitierten Trainingsmöglichkeiten sowie großem Zeitdruck. Wenn eine Kleinigkeit nicht ganz stimmt und ein Fahrer im Qualifying früher rausfliegt, heißt es leider immer schnell: 'Der Fahrer ist eine Pfeife, der bekommt nichts auf die Reihe'.

Timo Scheider startet dieses Jahr für Phoenix Racing, Foto: DTM
Timo Scheider startet dieses Jahr für Phoenix Racing, Foto: DTM

Rocky wieder vorn dabei

Schauen wir uns einmal die Favoriten innerhalb der einzelnen Hersteller an. Bei Audi sind an erster Stelle die erfahrenen Piloten zu nennen, Champion Mike Rockenfeller wird sicherlich wieder ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitsprechen. Mattias Ekström gehört sowieso seit Jahren zu den Speerspitzen.

Bei Timo Scheider bin ich gespannt, wie sich sein Neubeginn bei Phoenix Racing auswirkt. Im ersten Rennen sah es nach einem echten Motivationsschub für ihn aus. Ein Teamwechsel hat auf jeden Fall einen großen Effekt für einen Fahrer, weil jede Mannschaft ihren eigenen Stil und ihre eigene Kultur pflegt. Andere Mechaniker und Ingenieure, ein neuer Teamchef - das kann einen sehr großen Unterschied ausmachen. Vor allem das Verhältnis zwischen einem Fahrer und seinem Renningenieur ist eines der entscheidendsten Elemente in der DTM. Es ist besonders wichtig, dass du dich als Fahrer wohl fühlst und ein Ingenieur merkt so etwas schon an der Körpersprache. Das braucht eine gewisse Eingewöhnungszeit und Timo hatte es in den vergangenen Jahren schwer, weil er häufig einen neuen Ingenieur bekam. So etwas tut einem Fahrer nicht gut.

Manuel Reuter sieht Augusto Farfus weit vorn dabei, Foto: Speedpictures
Manuel Reuter sieht Augusto Farfus weit vorn dabei, Foto: Speedpictures

Farfus wäre mein Tipp

Edoardo Mortara ist nach seinem Wechsel zu Abt super-motiviert, den habe ich auch auf der Rechnung. Nicht zu vergessen Adrien Tambay, der in sein drittes DTM-Jahr geht und in Hockenheim aufs Podium fuhr. Wenn der einen Lauf hinlegt, hat er gute Chancen. Der Weg zum Titel führt über konstant gute Resultate, es müssen nicht immer Siege sein.

Das haben wir in den vergangenen Jahren bei Augusto Farfus gesehen. Hätte er in der Saison 2013 einen Ausfall weniger gehabt, wäre es richtig eng geworden. Augusto fuhr extrem fehlerfrei, hatte aber einfach Pech wegen seiner technischen Probleme. Dieses Jahr hat er noch einmal dazu gelernt und wenn ich mein Geld auf einen Fahrer setzen müsste, würde ich Augusto wählen.

Manuel Reuter anaylsiert das DTM-Geschehen für Motorsport-Magazin.com, Foto: Motorsport-Magazin.com
Manuel Reuter anaylsiert das DTM-Geschehen für Motorsport-Magazin.com, Foto: Motorsport-Magazin.com

Bekommt Spengler seine Probleme in den Griff?

Bruno Spengler gehört ebenfalls zu den Favoriten. Wenn er vorn steht, ist er eine sichere Bank. Wenn er aber im Mittelfeld kämpfen muss, ist er häufig in Kollisionen verwickelt und macht deshalb keine gescheiten Punkte. Für ihn hoffe ich, dass er dieses Problem in dieser Saison im Griff hat. Ich bin gespannt, wie sich das brisante Teamduell mit Martin Tomczyk entwickelt. Martin steht jetzt bei Schnitzer unter Druck und muss abliefern. Dieser Wechsel ist mit einem Neustart bei BMW zu vergleichen, schließlich ist Schnitzer das renommierteste Team. Im Rennen hat Marco Wittmann mit Martins früherem Team RMG den Sieg geholt und das erhöht den Druck zusätzlich.

Der Vorteil junger Fahrer wie Auftaktsieger Marco ist, dass sie viel unbekümmerter an die Sache herangehen können. So ein Junge hat nichts zu verlieren, von ihm erwartet niemand den Titelgewinn. Wittmann und auch Antonio Felix da Costa können sich entwickeln und viel befreiter Vollgas geben. Ich glaube, dass da Costa seinem Teamkollegen Timo Glock ordentlich Feuer machen wird. Felix weiß, welche Chance er bei BMW bekommen hat, und er trauert der Formel 1 nicht hinterher. Für Timo wird es definitiv nicht einfacher.

Paul Di Resta: Zurück in der DTM, Foto: DTM
Paul Di Resta: Zurück in der DTM, Foto: DTM

Was hat Rückkehrer Di Resta drauf?

Bleibt noch Mercedes, wo ich wegen der HWA-Mücke-Aufteilung die größte Streuung sehe. Die Mücke-Jungs müssen beweisen, dass sie auf dem gleichen Niveau wie HWA mit ihren fünf Autos sind - das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Bei Rückkehrer Paul Di Resta wird sich zeigen, wie gut er mit dem neuen Auto zurecht kommt. Auf die Entwicklung des C-Coupés hatte Paul keinen Einfluss, das hat hauptsächlich Gary Paffet übernommen. In der Formel 1 ist man ein bisschen verwöhnt, weil man an den Autos fast alles ändern kann - in der DTM sind dramatische Veränderungen wegen des Reglements aber nicht möglich. Paul ist ehrgeizig und will Erfolg, er wird es aber nicht einfach haben.

Schade, dass Pascal Wehrlein nicht eines der vier richtigen HWA-Cockpits bekommen hat, sondern nur das fünfte Auto. Das ist nicht optimal, kann sich im Verlauf der Saison aber vielleicht ändern, wenn er die richtige Leistung zeigt. Neben Gary habe ich auch Robert Wickens auf dem Zettel, der in der vergangenen Saison schon ein paar Highlights gesetzt hat.

Christian Vietoris passieren leider immer wieder blöde Fehler, wenn er unter Druck steht. Ich glaube, dass er da manchmal zu sehr verkrampft - auch wenn er das sicherlich nicht gern hören wird. Christian ist schnell, aber der Unterschied zwischen einem guten Fahrer und einem Champion besteht darin, vor vollem Haus auch mal eine Qualifying-Runde hinzuknallen, bei der den anderen die Ohren abfallen - und das können nicht viele.