Augusto, für viele Experten und Fans gehörst Du nach Deinem guten Saisonstart zu den Favoriten: Die Form stimmt, das Auto auch - was kann Dich aufhalten?
Augusto Farfus: Es ist immer gut, so etwas zu hören, aber wenn ich fahre, habe ich das nicht wirklich im Hinterkopf. Ich betreibe Motorsport, weil es mir Spaß macht und ich ihn mag. Natürlich gibt es auch noch diverse Nebenkriegsschauplätze - aber ich nehme jedes Rennen wie es kommt, möchte es genießen und Spaß dabei haben. Am Ende des Tages will ich nur fahren und der Beste sein. Darum geht es im Moment in erster Linie: Alles zu optimieren.

Seit zwei Jahren fährst Du in der DTM - davor warst Du in der WTCC unterwegs. Nun, da Du ein etwas umfangreicheres Bild hast - was sind die größten Unterschiede zwischen den beiden Serien?
Augusto Farfus: Die Rennlänge, denn hier fahren wir mehr als eine Stunde lang und in der WTCC war das viel kürzer. Aber die Intensität, die hinter allem steckt, war eigentlich fast gleich, gerade wenn ich auch an die Arbeit mit den Ingenieuren denke. Allerdings sind die Autos hier natürlich viel komplexer und man hat wesentlich mehr Werkzeuge zur Verfügung, die man ausspielen kann und alles ist ausgereifter. Was die reine Arbeit hinter den Kulissen und mit dem Team anbelangt, war es doch ziemlich vergleichbar. Zwar musste ich meinen Fahrstil etwas anpassen und solche Dinge... aber am Ende des Tages ist es Racing und ein Rennauto. Ich gebe immer folgendes Beispiel: Wenn man Messi sagt, dass er am Strand oder in der Halle Fußball spielen muss, wird er immer noch wissen, wie er den Ball zu spielen hat. Er müsste sich vielleicht ein bisschen anpassen, aber nichtsdestotrotz wäre er weiterhin sehr talentiert. Ich denke, damit kann man es ganz gut vergleichen...

Augusto Farfus gewann das Auftaktrennen in Hockenheim, Foto: RACE-PRESS
Augusto Farfus gewann das Auftaktrennen in Hockenheim, Foto: RACE-PRESS

Diesen Sommer stand für die DTM auch wieder ein Rennen auf dem Nürburgring auf dem Plan. Da dürften besonders bei Deiner Frau ganz besondere Erinnerungen hochgekommen sein: Es gibt da ja dieses You-Tube-Video von euch beiden auf der Nordschleife...
Augusto Farfus: (lacht) Das ist der Wahnsinn! Es ist unglaublich, denn als ich sie vor zehn Jahren kennengelernt habe, war sie sehr mutig - sie war eine professionelle Fallschirmspringerin und ist aus Flugzeugen gesprungen! Später hat sie dann auch alle Kurse gemacht, um selbst eine Fluglizenz zu bekommen. Sie war also ein richtig mutiges Mädchen und eigentlich auch eine ganz gute Autofahrerin. Dann ist sie aber Mutter geworden und scheinbar hat das alles verändert. Was das Video betrifft... okay, wir Männer würden bei so etwas vielleicht nicht gerade schreien. Ich weiß ja nicht, ob Du schon einmal von einem guten Fahrer in einem guten Auto auf der Nordschleife mitgenommen wurdest - aber wenn Dich jemand fährt, der die Strecke wirklich in- und auswendig kennt, kann ich Dir garantieren, dass es nicht einfach für Dich wird! Ich erinnere mich noch an meine erste Runde mit Stucki in einem M5 - das ist schon ziemlich lange her, da war ich gerade neu bei BMW und die Strecke kannte ich noch überhaupt nicht. Und ich muss sagen: Das war für mich wie eine schrille Achterbahnfahrt. Als die Runde vorbei war, war ich schwer beeindruckt. Für eine Frau, die den Job zudem nicht gewöhnt ist, war das also sicherlich eine Herausforderung.

Wusste Deine Frau, dass ihr Spaßvögel sie die ganze Zeit über filmt?
Augusto Farfus: Ja, das wusste sie schon. Was sie aber glaube ich nicht wusste, war, dass ihre Reaktion so ausfallen würde. Sie hatte mich gebeten: 'Bitte fahr langsam und gib nicht so viel Gas.' Ich habe auch wirklich nicht gepusht oder war am Limit... eigentlich tut sie mir leid, arme Liri. Es ist eben doch heftig und eine intensive Erfahrung. Ich bin mir sicher, wenn ich ganz normale Leute dort herumfahren würde und für BMW machen wir ja manchmal derlei Events oder auch Taxifahrten auf der Nordschleife... da kommt es schon einmal vor, dass man anhalten muss, weil sich jemand übergeben muss. Naja, mittlerweile können meine Frau und ich darüber aber lachen.

Stichwort lachen: Man sieht Dich immer strahlend und positiv durchs Fahrerlager laufen, von der Verbissenheit, die viele Deiner Kollegen an den Tag legen ist da nichts. Trotzdem bist Du am Ende des Tages dann aber oft schneller als sie... ist das die brasilianische Mentalität?
Augusto Farfus: Das könnte sein. Aber ich liebe ganz einfach den Motorsport und er war schon immer ein Teil meines Lebens. Der Motorsport hat mich zum Mann gemacht, mittlerweile auch zum Familienvater und er hat mir ermöglicht, meine eigene Familie aufzubauen. Ich bin ein Glückskind und ehrlich gesagt, wüsste ich gar nicht, was ich noch mehr von Gott und vom Leben fordern könnte. Ich habe alles. Natürlich will man immer auch erfolgreich sein und ich bin der Erste, der die Strecke verlässt, weil er zu seiner Familie möchte, weil sie mir alles bedeutet. Ich bin aber auch der Erste, der in der Früh hier ist, weil ich es liebe, hier und im Auto zu sein. Natürlich werde ich auch sauer, wenn es mal nicht so läuft, wie ich es gerne hätte - aber ich vergesse nie, dass ich alles wichtige im Leben habe. Meine Familie ist mein ein und alles... warum sollte ich also nicht lachen?

Deine Siegesfeier in Hockenheim hast Du ausfallen lassen und bist lieber in Ruhe mit Deiner Familie Essen gegangen...
Augusto Farfus: Ja, ich mache nie Party - gut, einmal im Jahr schon, bei der BMW-Party am Ende des Jahres. Das ist immer sehr lustig. Letztes Jahr hat mir meine Frau gesagt, ich solle doch noch etwas länger dort bleiben und einmal richtig feiern. Aber ich bin eben einfach kein Partylöwe... was das betrifft, bin ich also ganz und gar nicht brasilianisch.

Dass Du ein gutes Essen einer Feier vorziehst, überrascht kaum, wenn man weiß, dass Du ein sehr guter Koch bist. Deine Eltern betreiben ja sogar ein Restaurant...
Augusto Farfus: Ich bin in einem Restaurant aufgewachsen, wenn man so will. Aber ich musste Brasilien für meine Rennkarriere schon 1999 und im Alter von nur 15 Jahren verlassen - also musste ich ein paar Dinge lernen und beim Kochen hatte ich in den Jahren davor zum Glück schon immer zugeschaut. Mittlerweile habe ich aber Liri und die kocht fantastisch, weswegen ich weniger Zeit hinter dem Herd verbringe. Ich mag es aber nach wie vor und wann immer sich die Möglichkeit ergibt, zaubere ich uns auch etwas in der Küche.

Augusto Farfus ist im Fahrerlager allseits beliebt, Foto: RACE-PRESS
Augusto Farfus ist im Fahrerlager allseits beliebt, Foto: RACE-PRESS

Gab es in Deiner Karriere denn auch einmal einen Zeitpunkt, wo es in Richtung Formel 1 hätte gehen können - für BMW hast Du immerhin einmal Testfahrten absolviert?
Augusto Farfus: Der Test war wahrscheinlich schon ein bisschen zu spät für mich. Ich habe davor alles gewonnen: In der Formel Renault 2000 und in der Euro Formel 3000, die man heutzutage wohl am besten mit der Renault Worldseries vergleichen könnte. Ich hatte also schon Chancen - was ich aber leider nicht hatte, war das Geld und das hat man leider auch zu meinen Zeiten ganz einfach schon gebraucht. Heute weiß das jeder, dafür haben die Medien gesorgt - somit kann man als Fahrer auch zu seinen Sponsoren gehen und sagen, ich brauche drei, vier oder sogar fünf Millionen. Mittlerweile ist das normal. Zu meinen Zeiten war das aber noch nicht so und wenn ich von einem Geldgeber so viel verlangt hätte, hätte er mir den Vogel gezeigt - vor allem in Brasilien. Eine Million US-Dollar war vor zehn Jahren in Brasilien dreimal so viel wert, wie es das heute ist. Ich bin aber trotzdem zufrieden mit dem Weg, den ich genommen habe. Nun sitze ich hier und bin Profirennfahrer - ich habe mir meinen Platz verdient und muss ihn mir nicht kaufen.

Wie sieht das beim Blick in die weitere Zukunft aus? Wie lange willst Du noch Motorsport betreiben und in der DTM fahren?
Augusto Farfus: So lange wie es mir Spaß macht. Wenn das nicht mehr so ist, werde ich das merken. Es läuft so: Hier an der Strecke sein muss ich um 8 Uhr morgens. Ich bin aber schon um 7:30 Uhr hier, ganz einfach weil ich das will. Der Tag, an dem ich den Wecker noch einmal um 15 Minuten nach hinten verstelle und mir denke: 'Ich habe noch Zeit, will weiterschlafen und die können schon mal ohne mich anfangen'... das ist der Tag, an dem ich aufhören werde. Ich mache all das hier, weil es mir eine Herzensangelegenheit ist und wenn ich im Auto sitze, dann sitzt mein Herz hinter dem Lenkrad. Wenn das irgendwann nicht mehr der Fall ist, oder ich das Zweifeln anfange, dann werde ich mir Gedanken machen. Vielleicht ist das in zehn Jahren, vielleicht auch in drei. Ich bin nicht der Typ, der jetzt sagt, dass ich fahre, bis ich 38 bin oder 40. Ich fahre solange wie ich es genieße und wer weiß: Vielleicht hänge ich mit 50 hier ja immer noch rum.

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