Als Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich im Februar den Fahrerkader bekannt gab, dürfte der Aufschrei im Tomczyk-Lager groß gewesen sein. Nach zehn Jahren mit stets aktuellem Material, aber sehr durchwachsenen Ergebnissen, wurde Tomczyk in einen Jahreswagen degradiert. Kritiker waren sich schon damals sicher: Es sollte das letzte Jahr von Tomczyk in der DTM werden. Von Tomczyk, der immer wieder von der Position seines Vaters Hermann beim ADAC profitieren würde. Vom Tomczyk, der einfach nicht gut genug sei, um sich gegen einen Ekström oder Scheider behaupten zu können.

"In zehn Jahren DTM war nicht immer alles Komfortzone", fasst Tomczyk zusammen. "Ich hatte zwar immer das Privileg, ein aktuelles Auto im Team Abt zu fahren, aber in diesen zehn Jahren gab es Höhen und Tiefen. Am Anfang war es extrem schwierig, als 18-Jähriger in das Becken DTM geworfen zu werden und in kürzester Zeit so viel lernen zu müssen." Schon damals wusste er allerdings: "Das Jahr 2011 hat eine besondere Bedeutung. Alle blicken bereits in Richtung 2012, wenn die DTM komplett neu beginnt."

Erstes Podium in Zandvoort

Mit dem Ziel, nach zehn Rennen bester Jahreswagen-Fahrer zu sein, startete Tomczyk in Hockenheim in die Saison. Der Auftakt in Hockenheim verlief mit einem fünften Platz eher zurückhaltend, später sollte dies gemeinsam mit dem Rennen auf dem Nürburgring das schlechteste Ergebnis für Tomczyk sein. So weit dachte zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand. Richtig interessant schien es erst zu werden, als Tomczyk in Zandvoort plötzlich auf das Podium kletterte.

"Es ist immer etwas Besonderes zu gewinnen, Dritter zu werden, oder allgemein auf dem Podium zu sein, und ich denke, dass es nicht wichtig ist, in welchem Auto du dabei sitzt. Du musst es einfach genießen", erklärte der erfahrene DTM-Pilot, der zu diesem Zeitpunkt schon acht Punkte Rückstand auf Tabellenführer Bruno Spengler hatte.

In Österreich holte Tomczyk den ersten Sieg, Foto: adrivo sportpresse/Gusche
In Österreich holte Tomczyk den ersten Sieg, Foto: adrivo sportpresse/Gusche

Auf dem Red Bull Ring in Österreich holte Tomczyk wenig später den ersten Sieg - auf einer Strecke, die wie gemacht ist für die Jahreswagen: Lange gerade, wenig aerodynamisch anspruchsvolle Kurven. Tomczyk nutzte seine Chance und jubelte: "Ich habe ihnen vor der Saison versprochen, mein Bestes zu tun, um einen Sieg einzufahren. Nun sind erst drei Rennen vergangen. Das ist richtig, richtig gut..."

Spätestens, als Tomczyk auf dem EuroSpeedway Lausitz wieder ganz oben auf dem Podium stand, muss auch der Konkurrenz klar gewesen sein, dass in dieser Saison mit dem Rosenheimer zu rechnen ist. Erstmals lag Tomczyk zu diesem Zeitpunkt sogar an der Tabellenspitze, wollte von der Meisterschaft aber noch nichts wissen. "Ich denke nur an die Vorjahreswagen-Meisterschaft. Da will ich der schnellste und beste Fahrer sein", stellt Tomczyk klar und deutlich fest. "Über alles, was daraus resultiert, lassen wir die anderen denken und rechnen."

Perfekte Regenrennen in Brands Hatch und Oschersleben

Unglücklich dürfte der Audi-Pilot nicht gewesen sein, als Bruno Spengler am Norisring die Tabellenspitze zurückholte. Immerhin stand Tomczyk wieder auf dem Podium, zum vierten Mal im fünften Rennen. Auf dem Nürburgring baute Spengler die Führung sogar auf sieben Punkte aus, bei noch vier zu fahrenden Rennen eigentlich schon die halbe Miete. Doch dann kamen zwei Regenrennen, die die Meisterschaft entschieden. Während Tomczyk 18 Punkte holte, kämpfte Spengler mit Setup-Problemen und ungewöhnlichen Defekten, holte nur zwei Zähler und lag plötzlich neun Punkte hinter dem späteren Meister.

"Mit neun Punkten Vorsprung nach Valencia zu kommen, ist ein schöner Puffer. Aber wir müssen weiterhin hart und konzentriert arbeiten. Man hat in Oschersleben gesehen, wie schnell etwas passieren kann", hielt Tomczyk vor seinem wohl wichtigsten Wochenende der DTM-Karriere den Ball flach. Wenig später feierte er mit einem dritten Platz hinter Mattias Ekström und Filipe Albuquerque die Meisterschaft, Spengler war chancenlos.

Neue Herausforderungen in 2012

"Im Moment ist es schwer, die richtigen Worte zu finden", sagte Tomczyk im Anschluss an das entscheidende Rennen. "Zu Saisonbeginn hat wohl niemand daran geglaubt. Die letzten 19 Runden haben sich angefühlt wie zwei ganze Rennen. Ich habe schon gedacht, dass es nie aufhören wird. Nach zwei Siegen hatte ich keinen Zweifel mehr daran, dass wir um den Titel kämpfen würden. In welchem Auto ich das letztlich geschafft habe, interessiert mich nicht."

Beim Finale in Hockenheim beschenkte sich Tomczyk mit Platz zwei selbst - zu diesem Zeitpunkt stellte sich aber längst die Frage: Was macht der neue Meister 2012? Bleibt er bei Audi oder gibt es eine dicke Überraschung? Auch wenn vieles auf einen Verbleib bei den Ingolstädtern hindeutete, folgte am 21. November die Überraschung: Tomczyk wechselt zu BMW. Ob er auch diese Herausforderung erfolgreich meistern kann?