Motorsport-Deutschland freut sich über den Sieg von Phoenix Racing beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2022. Ein weiterer Beleg, dass die Mannschaft um Teamchef Ernst Moser zu den absoluten Top-Teams im Rennsport gehört. Dabei wäre ein 'Beweis' dafür ohnehin nicht nötig gewesen: Phoenix feierte beim Eifel-Klassiker bereits den sechsten Gesamtsieg!

Mit dem diesjährigen Triumph bei der 50. Auflage des 24h-Rennens zog der Rennstall aus Meuspath am in dieser Form nicht mehr existenten BMW-Traditionsteam Schnitzer-Motorsport vorbei, das fünf Gesamtsiege vorweisen kann. An der Spitze in dieser Kategorie liegt Manthey-Racing, das nach dem frühen Ausfall des Titelverteidigers namens Grello-Porsche auf sieben Siege zurückblickt.

Ein Erfolg zur richtigen Zeit für Phoenix, könnte man feststellen. Nach dem Hersteller-Rückzug in der DTM zum Ende der Saison 2020 musste sich die Truppe neu aufstellen und nach anderen Betätigungsfeldern suchen. Das jahrelange DTM-Programm mit Audi, das zu zwei Gewinnen der Fahrer-Meisterschaft in den Jahren 2011 (Martin Tomczyk) und 2013 (Mike Rockenfeller) führte, bildete den Hauptteil der Phoenix-Arbeit.

Nach dem DTM-Aus - nur Abt Sportsline und Rosberg sind aus der Audi-Riege geblieben - betätigte sich Phoenix unter anderem im Prototypensport, um einen Fuß in die Tür der lukrativen LMDh-Projekte diverser Hersteller zu bekommen. Dazu Einsätze im ADAC GT Masters oder dem Porsche Carrera Cup in einer Kollaboration mit IronForce Racing - alles nicht auf dem Level des früheren Werks-Programmes mit Audi.

24h Nürburgring 2022: Zusammenfassung, Highlights, Unfälle: (14:05 Min.)

"Wie heißt es immer so schön: Totgesagte leben länger", sagte Teamchef Moser nach dem Sieg des 1#5 Audi mit Kelvin van der Linde, Robin Frijns, Dries Vanthoor und Frederic Vervisch. "Wieder aufzustehen, alles umzustrukturieren bei Phoenix und dann diese Leistung abzuliefern, war im richtigen Moment die richtige Antwort."

Beim Eifel-Klassiker genoss Phoenix Racing neben Car Collection die Werksunterstützung von Audi, das sich auf zwei Werks-Boliden konzentrierte. Darüber hinaus setzten beiden Teams je zwei weitere, von privaten Sponsoren unterstützte Audi R8 LMS GT3 Evo2 auf der Nordschleife ein. In der Vergangenheit erfolgreiche Kundenteams wie Land-Motorsport oder WRT waren nicht am Start.

"Jeder Sieg vor meiner Haustür ist ein besonderes Geschenk", sagte Moser kurz nach dem Rennende zu Motorsport-Magazin.com. "Der heutige Erfolg macht mich sehr stolz, weil die Konkurrenz mit den sechs Herstellern so stark war, wie schon lange nicht mehr. Ich habe mich sehr darüber gefreut, gemeinsam mit meinem Team für Audi dieses besondere Jubiläumsrennen gewonnen zu haben."

Dieser sechste Nürburgring-Sieg sei "fast der wichtigste für mich" gewesen. Dabei erwähnte Moser auch den Triumph im Jahr 2012 - Audis erster Sieg überhaupt beim prestigeträchtigen Rennen. Weitere Gesamtsiege mit dem Autobauer aus Ingolstadt gelangen Phoenix in den Jahren 2014 und 2019; damit drei der insgesamt sechs Audi-Erfolge in der Eifel. Zuvor triumphierte das Team erstmals 2000 mit einem Porsche 996 GT3-R und anschließend 2003 mit dem spektakulären Opel Astra V8 Coupe, das Phoenix damals in der DTM einsetzte.

Foto: Audi
Foto: Audi

Die diesjährige Ausgangsposition für den Audi mit der Nummer 15 war alles andere als günstig. Das Fahrerquartett ging in der Startgruppe 1 nur von Position 21 ins Rennen. Zum ersten Mal übernahm der blau-weiße-rote Audi in Runde 49 die Spitze, also in der achten Rennstunde kurz vor Mitternacht. Bis ins Ziel kam der Phoenix-Audi auf insgesamt 84 Führungsrunden. 42 Führungswechsel gab es in der Topklasse SP9, bis sich ein Kampf des R8 mit den beiden GetSpeed-Mercedes herauskristallisierte.

Mosers Rezept für den Sieg nach eigenen Worten: "Wir haben ein geiles Auto mit dem Evo von Audi zur Verfügung gestellt bekommen. Wir hatten ein geiles Fahrerquartett und ein super Team. Das Auto war super vorbereitet. Wir haben viele Sachen richtig entschieden, was in solch einem Rennen nicht ganz einfach ist und auch ein bisschen Glück braucht. Im Endeffekt haben wir das Auto auf Platz eins nach Hause gebracht. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, stolz auf Audi, stolz auf die Fahrer."

Ein Schlüsselmoment für Phoenix waren sicherlich die zeitweise regnerischen Bedingungen rund um die Strecke. Das Team setzte stets auf Michelin-Slicks - insgesamt 26 Sätze - nur zwei Mal zogen die Mechaniker geschnittene Slicks auf. Der Einsatz dieser Variante erwies sich in der Schlussphase als entscheidend, denn so konnte Schlussfahrer van der Linde sich wieder von seinen Verfolgern im Mercedes-AMG absetzen.

"Es gab ein paar Situationen, bei denen wir das richtige Händchen hatten", bedankte sich Moser bei der Wetter-Mannschaft, die die Bedingungen stets korrekt einschätzte. "Mittags ging die Konkurrenz auf Risiko, weil sie es auch mussten. Wir haben die Safety-Variante genommen und sind mit dem geschnittenen Slick gefahren. Das war entscheidend, weil wir da diese Minute wieder rausfahren konnten."

Herausragend war ebenfalls die Leistung der Fahrer van der Linde, Frijns, Vanthoor und Vervisch. Glück im Unglück für die #15: Van der Linde war als Doppelstarter im Einsatz und verunfallte mit dem #5-Schwesterauto. Beim Sieger-Team behielt der DTM-Pilot die Nerven und saß auch am längsten von allen vier Fahrern im Auto. Das Quartett hörte übrigens auf die Kommandos ihres Renningenieurs Wim Everaerts. Er arbeitet regulär für das Audi-Kundenteam WRT und ist erst kurz vor den 24 Stunden Nürburgring für das Audi Sport Team Phoenix verpflichtet worden.

Foto: Audi
Foto: Audi

Während Frijns sich über seinen ersten Sieg beim 24h-Rennen Nürburgring freute, konnten van Vanthoor und Vervisch ihren Sieg aus dem Jahr 2019 - ebenfalls mit Phoenix - wiederholen. Van der Linde hatte den Langstrecken-Klassiker schon zuvor 2017 mit Land-Motorsport gewonnen.

Trotz der harten Fahrweise in der SP9-Klasse und zahlreichen Aus- sowie Unfällen von Favoriten hielt sich die Phoenix-Truppe schadlos über die Distanz von 159 Rennrunden ( 4.035 Kilometer) und egalisierte damit den selbst im Jahr 2014 aufgestellten Distanzrekord des Teams.

Zittern musste Moser am Kommandostand zur Halbzeit, wie er später verriet: "In der Mitte des Rennens hatten wir Probleme mit der Servolenkung - da wurden wir mal ganz nervös. Aber das konnten die Mechaniker beheben."

Zittern war auch nach der Zieldurchfahrt noch einmal angesagt, als die #15 wegen eines Fehlers beim letzten Boxenstopp (Motor während Betankung angelassen) in den Fokus der Rennleitung geriet. Einige Stunden nach dem Rennende die Erlösung: 32 Sekunden Zeitstrafe reichten, um den Sieg beim Vorsprung von zuvor knapp einer Minute zu behalten. Die Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro als 'Denkzettel' dürfte zu verschmerzen gewesen sein.

Und so durfte in einer angemieteten Lounge am Nürburgring bis weit nach Mitternacht ausgelassen gefeiert werden - am Ende ohne Moser, der nach einem schlaflosen Marathon mit weit über 24 Stunden am Stück auf den Beinen eine Mütze Schlaf nachholte.