Sebastian Vettel wäre die spektakulärere Wahl für das offene Porsche-Cockpit bei den 24 Stunden von Le Mans 2025 gewesen - Pascal Wehrlein aber die verdientere. Der Einsatz beim berühmtesten Rennen der Welt war vor allem ein Geschenk der Zuffenhausener für Wehrleins letztjährigen Gewinn der Formel-E-Weltmeisterschaft.

Für Porsche war es nach fünf Jahren Anlauf der erste WM-Titel in der Elektro-Serie und Wehrlein ist der erste Champion aus Deutschland. Hierzulande ging diese großartige Leistung allerdings völlig unter, weil die Formel E bei Motorsport-Fans auch nach mehr als zehn Jahren auf keinen grünen Zweig kommt. Wenn Wehrlein Mitte Juni erstmals in Le Mans an den Start gehen wird, erhält dadurch auch die Formel E indirekt eine Medien-Präsenz, von der sie - wenn man die wirklichen Zahlen betrachtet - sonst nur träumen kann.

Setzt Wehrlein die Hülkenberg-Geschichte fort?

Ob Debütant Wehrlein mit dem 'Zusatz-Porsche' aus der IMSA was reißen kann, muss bezweifelt werden. Nicht wegen seines Talents oder seiner Weltklasse-Teamkollegen Felipe Nasr (dreifacher IMSA-Champion) und Nick Tandy (Langstrecken-Rekordbrecher), sondern, weil in der WEC mit Le Mans andere Regeln, Abläufe und Strategien gelten als in der US-Serie. Die aktuelle Hypercar-Klasse mit ihren acht Herstellern ist dermaßen brutal umkämpft, dass ein Team bei einem Einmal-Start eigentlich nur verlieren kann.

Aber wer weiß: Le Mans schreibt bekanntermaßen seine eigenen Geschichten, wie schon 2015 Nico Hülkenberg, Earl Bamber und ebenjener Tandy mit ihrem Sieg im dritten Porsche bewiesen haben. Schneidet Wehrlein beim 24-Stunden-Rennen gut ab und berichtet seinem Kumpel Vettel euphorisch vom berühmtesten Autorennen der Welt, könnte das den vierfachen Formel-1-Weltmeister ja vielleicht doch noch aus dem Profi-Ruhestand locken.

Statt Vettel: Pascal Wehrlein mit Porsche nach Le Mans? (05:13 Min.)

Will Vettel überhaupt noch mal in den Profi-Sport?

Aus sportlicher Sicht ist Wehrlein die erfolgversprechendere - und aus finanzieller die günstigere - Wahl als Vettel, der seit über zwei Jahren kein professionelles Autorennen mehr gefahren ist. Und bei dem man langsam Zweifel bekommt, ob er wirklich noch einmal in die höchsten Klassen zurückkehren will, nachdem der 37-jährige Heppenheimer Anfang 2024 plötzlich den Porsche 963 testete und ein Le-Mans-Start zur Diskussion stand. Ob es letztendlich an seiner Motivation oder am Finanziellen scheiterte, darüber kann nur spekuliert werden. Schade ist es so oder so.

Wehrlein hingegen hat schon bei seinem allerersten Prototypen-Start in Daytona einmal mehr bewiesen, was für ein Ausnahme-Rennfahrer er ist. Es ist absurd, dass ihm bei manchem Fan noch immer das 'I need DRS'-Label von vor zehn (!) Jahren anheftet. Wehrlein ist heute ein ganz anderer Charakter als zu damaligen DTM-Zeiten, viel besonnener, und er ist zudem noch schneller geworden.

Formel 1, Abu Dhabi GP, Vettel, Ferrari, Wehrlein, Sauber
Früher Kollegen in der Formel 1: Sebastian Vettel und Pascal Wehrlein, Foto: imago/HochZwei

Wehrlein kann einer 'unserer' ganz Großen werden

Die beiden verkorksten Formel-1-Jahre bei den Hinterbänkler-Teams Manor und Sauber haben einen Schatten auf Wehrleins Karriere geworfen, der seiner Vita nicht gerecht wird. DTM-Debüt mit 18 Jahren, jüngster Champion der Geschichte, F1-Pilot, auf Anhieb einer der besten Formel-E-Fahrer und heute Weltmeister - damit spielt Wehrlein schon jetzt im Reigen der erfolgreichsten deutschen Rennfahrer. Und der Kerl ist gerade mal 30 Jahre alt!

Dabei hat Wehrlein auf und abseits der Rennstrecke eine Geschichte vorzuweisen, mit der man ganze Bücher - möglicherweise Krimis - füllen könnte... Wenn er irgendwann nach seiner Formel-, Tourenwagen- und Elektro-Karriere auch noch die Langstrecke in Angriff nimmt und dort ähnlich erfolgreich abschneidet, kann er einer der ganz Großen im Sport werden. Der Anfang ist gemacht.

PS: Ein deutscher Rennfahrer steht der deutschen Marke Porsche auch auf der Langstrecke gut zu Gesicht, nachdem mit Andre Lotterer jüngst der letzte heimische Fahrer und amtierende WEC-Weltmeister unfreiwillig sein Cockpit räumen musste.