Toyota hat sich die Pole Position für die 90. Auflage der 24 Stunden von Le Mans gesichert Im Hyperpole-Qualifying am Donnerstagabend war Brendon Hartley im #8 Toyota (Sebastien Buemi/Brendon Hartley/Ryo Hirakawa) am schnellsten auf dem 13 Kilometer langen Circuit de la Sarthe unterwegs.

Der ehemalige Formel-1-Fahrer benötigte 3:24.408 Minuten für die Bestzeit und nimmt damit die 24h Le Mans 2022 (Rennstart: Samstag, 16:00 Uhr im Live-Ticker auf Motorsport-Magazin.com und im TV bei Eurosport und RTL Nitro) vom ersten Startplatz in Angriff. Für Hartley war es nach zuvor drei zweiten Startplätzen der erste Pole-Erfolg in Le Mans.

Hartley war nach 55 Jahren der erste Neuseeländer seit Bruce McLaren, der eine Pole in Le Mans erzielen konnte. Die Renn-Legende führt 1967 einen von einem 7-Liter-V8-Motor angetriebenen Ford GT40 Mk.IV zusammen mit dem US-Amerikaner Mark Donohue zum ersten Startplatz. Verrückt: McLaren benötigte genau wie Hartley 3:24 Minuten für seine schnellste Runde - damals allerdings auf einer 13,461 Kilometer langen Streckenvariante, die wegen der immer höheren Geschwindigkeiten nach und nach durch Schikanen (ab 1968 etwa die Ford-Schikane) entschärft wurde.

Kobayashi verpasst Ickx-Marke

Doppelte Freude bei Favorit Toyota: Das Schwesterauto #7 (Mike Conway/Kamui Kobayashi/Jose Maria Lopez) belegte mit 0,177 Sekunden Rückstand den zweiten Platz - damit eine reihe japanische Startreihe 1 zum Start in die 24 Stunden von Le Mans.

Nur bei Kamui Kobayashi dürfte sich die Begeisterung in Grenzen halten. Marken-Kollege Hartley schnappte dem Japaner die Pole trotz mehreren Anläufen vor der Nase weg. Damit verpasste der frühere F1-Pilot Kobayashi seine fünfte Pole Position bei den 24h Le Mans nach 2017, 2019, 2020 und 2021. Mit Pole Nummer fünf hätte Kobayashi in der ewigen Statistik mit Renn-Ikone und Spitzenreiter Jacky Ickx gleichgezogen. Hartley: "Letztes Jahr war ich schon nah dran. Sorry an meinen Teamkollegen Kamui!"

Mehr gestrichene als erzielte Rundenzeiten...

Das 30-minütige Hyperpole-Qualifying war vor allem durch gestrichene Rundenzeiten geprägt - 34 waren es insgesamt! Kobayashi verlor gleich zwei Runden wegen Überschreitens der Streckengrenzen und drückte deshalb bis zur letzten Sekunde aufs Gaspedal des Toyota GR010 Hybrid. Hartley machte es am Ende besser und konnte die meisten seiner sieben Runden ins Trockene bringen.

Mit vier Zehntelsekunden Rückstand fuhr der #36 Alpine (Andre Negrao/Nicolas Lapierre/Matthieu Vaxiviere) auf den dritten Platz - die französische Mannschaft mit dem veralteten LMP1 hatte sich bislang in den Trainings äußerst vornehm zurückgehalten. Zwischenzeitlich führte Hyperpole-Starter Nicolas Lapierre die Zeitenliste sogar an. Die beiden Glickenhaus-Boliden folgten mit knapp 1,5 Sekunden Rückstand auf den Plätzen vier und fünf in der Hypercar-Klasse.

LMP2: Pole für WRT

In der LMP2-Kategorie dominierte das belgische Top-Team WRT das Geschehen. Die #31 (Sean Gelael/Robin Frijns/Rene Rast) mit dem dreifachen DTM-Champion Rene Rast sicherte sich die Pole Position mit Ex-DTM-Pilot Robin Frijns am Steuer. Der Niederländer benötigte 3:28.394 Minuten für seine beste Runde auf dem 13 Kilometer langen Circuit de la Sarthe.

Frijns, der 2021 nach einem packenden Finish mit WRT den Klassensieg in Le Mans feierte, zur Frage, was ihm die Pole bedeutet: "Ich hatte ganz schönen Druck bis zuletzt, weil mir eine Rundenzeit gestrichen wurde. Letztes Jahr sind wir hier von P12 gestartet und haben das Rennen gewonnen. Also schauen wir mal, was am Samstag so alles passiert."

Auch Platz zwei ging an das Team von Teamchef Vincent Vosse: Norman Nato aus dem #41 Realteam by WRT (Rui Andrade/Ferdinand Habsburg/Norman Nato) lief mit 1,3 Sekunden Rückstand auf Platz zwei ein. Eine Rundenzeit wurde allerdings offenbar im Nachgang gestrichen, wodurch das WRT-Trio auf den vierten Platz zurückfiel. P2 ging stattdessen an den #22 United Autosports (Philip Hanson/Filipe Albuquerque/William Owen) in der hart umkämpften LMP2-Klasse mit 27 Autos.

LMGTE-Pro: Corvette-Duo schlägt Porsche

In der LMGTE-Pro-Kategorie setzte sich das bislang stark auftretende Werksteam von Corvette durch. Die #64 Corvette (Tommy Milner/Nick Tandy/Alexander Sims) und die #63 Corvette (Antonio Garcia/Jordan Taylor/Nicky Catsburg) erzielten die Startplätze eins und zwei. Nick Tandy setzte sich mit einer persönlichen Bestzeit von 3:49.985 Minuten mit 0,192 Sekunden vor Antonio Garcia in der Schwester-C8 durch.

Dem #91 Porsche GT Team (Gianmaria Bruni/Richard Lietz/Frederic Makowiecki) blieb nur der dritte Startplatz in der Pro-Klasse der GTE-Autos. "Natürlich ist es schade, dass unsere beeindruckende Serie von Pole-Positions ausgerechnet in Le Mans beendet wurde", erklärt Alexander Stehlig, Porsche-Leiter Werksmotorsport FIA WEC. Der 911er hatte zuvor bei zehn aufeinanderfolgenden WEC-Rennen die beste Startposition erreicht. "Im Vorjahr standen wir zum Start ganz vorne, haben das Rennen anschließend aber nicht gewonnen. Also machen wir nun aus der Not eine Tugend und drehen diesen Spies um.

Während sich Ferrari bislang schwer tut in der LMGTE-Pro, lief es in der Am-Klasse besser. Der #61 AF Corse-Ferrari (Louis Prette/Conrad Grunewald/Vincent Abril) mit Fahrer Vincent Abril schnappte sich die Klassen-Pole vor dem #57 Kessel Racing-Ferrari (Takeshi Kimura/Mikkel Jensen/Frederik Schandorff) mit Mikkel Jensen, der 2023 mit Peugeot als Werksfahrer zu den 24h Le Mans zurückkehrt.

Nacht-Training: Toyota-Doppelspitze - LMP2 fliegen ab

Nach der Hyperpole-Session war der Donnerstag in Le Mans noch nicht beendet. Am späten Abend erwartete die Teams ein weiteres Nacht-Training von 22:00 Uhr bis Mitternacht. Für den einzigen Aufreger sorgte eine Kollision zwischen dem #38 JOTA und dem #3 DKR Engineering, die Letzteren von der Strecke beförderte. Für den ohnehin geschundenen #39 Graff-LMP2 war die Session nach einem Kiesbett-Ausflug vorzeitig beendet.

Acht Minuten vor Schluss blieb noch der #61 AF-Corse-Ferrari, Pole-Setter in der LMGTE-Am, auf Start/Ziel liegen und löste dadurch eine Slow Zone aus. Die Session endete mit einem Dreher des #44 LMP2 von ARC Bratislava. Beide Toyota beendeten das 4. Training an der Spitze der Zeitenliste, die weiteren Hypercars folgten mit 1,8 Sekunden Abstand. Der Rennstart zu den 24h Le Mans folgt nach einem fahrfreien Freitag am Samstag, 11. Juni 2022 um 16:00 Uhr.

24h-Pole: Mehr Prestige als Vorteil

23 Autos hatten das 30-minütige Hyperpole-Qualifying am Donnerstagabend aufgenommen: die jeweils sechs schnellsten Autos jeder Klasse aus dem Qualifying am Mittwoch. Da in der Hypercar-Klasse ohnehin nur fünf Autos gemeldet sind, waren alle Boliden von Toyota, Glickenhaus und Alpine automatisch für das Shootout um die besten Startplätze qualifiziert. Die weiteren Startplätze hinter den Top-6 in den jeweiligen Klassen richteten sich nach den Ergebnissen im einstündigen Mittwochs-Qualifying.

Bei einem 24-Stunden-Rennen hält sich der Wert einer Pole Position eher in Grenzen. Sicherlich ist der erste Startplatz aber mit einem gewissen Prestige verbunden. Wie wichtig die Pole für die Teams bei den 24h Le Mans ist, belegten unterschiedliche Aussagen aus dem 3. Training am Donnerstagnachmittag. Während der dreistündigen Session herrschte Klarheit: Der volle Fokus liegt auf den Einstellungsarbeiten für das Rennen und die sogenannte Race-Pace.