Audi und Porsche kehren 2023 zurück zu den 24 Stunden von Le Mans - und das zum ersten Mal Hand in Hand. Die beiden deutschen Autobauer planen, die neue LMDh-Kategorie gemeinsam in Angriff zu nehmen. Die Rede ist von Synergien sowohl beim Einheits-Chassis als auch beim Motor. Ein durchaus historischer Moment: Es wird das erste Mal sein, dass die beiden Töchter aus dem VW-Konzern gemeinsame Sache auf der Rennstrecke machen.

Eine Rückkehr zu Le-Mans-Zeiten, in denen sich die Ingenieure beider Lager in einem immens teuren Technologie-Wettkampf gegenseitig zu übertrumpfen versuchten, soll es nicht mehr geben. Eine Partnerschaft scheint angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage die einzige Rechtfertigung zu sein, zwei Marken aus dem selben Konzern in einer Serie antreten zu lassen.

Dazu passt das partnerschaftlich von ACO und IMSA erarbeitete LMDh-Reglement, das es Herstellern künftig ermöglichen soll, bei den wichtigsten Langstreckenrennen der Welt von Daytona über Sebring bis Le Mans um Gesamtsiege kämpfen zu können - bei überschaubarem Finanzaufwand und zu etwa einem Drittel der Kosten im Vergleich zu sündhaft teuren LMP1-Zeiten.

Audi in sehr enger Abstimmung mit Porsche

"Wir setzen im Moment das Projekt in sehr enger Abstimmung mit der Porsche AG auf", bestätigt Audis neuer Motorsportleiter Julius Seebach bei Motorsport-Magazin.com. "Ich stimme mich mit Fritz Enzinger (Leiter Porsche Motorsport; d. Red.) ab, wie wir Synergien finden. Die Zusammenarbeit verschiedener Marken ist eine Stärke des Konzerns. Das zeigen wir in der Serie immer wieder, und wir realisieren es jetzt auch im Motorsport."

Die Kostenkontrolle ist ein riesengroßes Thema bei den LMDh-Prototypen, die per Reglement über eine Systemleistung von maximal 500 kW (680 PS) verfügen dürfen. Über die gleiche Power verfügen auch die reinen Hypercars von Toyota, Glickenhaus und ab 2022 Peugeot, um in der neu geschaffenen Hypercar-Kategorie der WEC einen Wettbewerb auf Augenhöhe zu schaffen.

Während die Hersteller bei der Entwicklung eigener Hypercars größere technologische Freiheiten genießen, werden die LMDh-Autos teilweise nach dem Baukastensystem zusammengestellt. Alle Hersteller - neben Audi und Porsche hat auch Acura bereits seinen Einstieg bekanntgegeben - nutzen einheitliche Hybridsysteme von Bosch, Williams sowie Xtrac. Dagegen ziehen sich Mazda (DPi) und BMW (GTE) nach Beendigung der Saison aus der IMSA-Serie zurück.

Porsche-Grafik zur Ankündigung des LMDh-Engagements, Foto: Porsche AG
Porsche-Grafik zur Ankündigung des LMDh-Engagements, Foto: Porsche AG

Nimmt es BMW mit Audi und Porsche auf?

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com befindet sich der Münchner Autobauer nach weiteren Ausstiegen aus der DTM (Ende 2020) und Formel E (Ende 2021) in einer Findungsphase, die dazu führen könnte, dass BMW 2023 in Daytona nach einer Durststrecke von fast 50 Jahren um den Gesamt- und nicht um einen weniger prestigeträchtigen Klassensieg kämpft. Der einzige BMW-Triumph in der Topklasse in Daytona datiert aus dem Jahr 1976.

Das hat vor einigen Jahren schon der frühere Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich erkannt, als er am Rande des 24h-Rennens in Daytona vielsagend meinte, auch auf dieser historischen Rennstrecke "muss es unser Anspruch sein, um den Gesamt- und nicht um einen Klassensieg zu kämpfen". 2023 könnte dieser Wunsch für Audi erstmals überhaupt in Erfüllung gehen, um es Porsche gleichzutun: nach Gesamtsiegen in Le Mans, Nürburgring und Spa auch den vierten legendären Langstreckenklassiker in Daytona zu gewinnen.

"Wir hoffen natürlich, dass weitere Hersteller dazukommen. Ich denke da zum Beispiel an Ferrari oder BMW", schickte Porsche-Motorsportleiter Fritz Enzinger via Stuttgarter Nachrichten bereits Grüße nach München und Maranello.

Porsche errang 19 Gesamtsiege beim Klassiker in Le Mans, Foto: Porsche AG
Porsche errang 19 Gesamtsiege beim Klassiker in Le Mans, Foto: Porsche AG

Motor-Frage: DTM-Vierzylinder oder Porsche-V8?

Für die LMDh-Klasse benötigen Hersteller auch ein Einheits-Chassis, wahlweise von Dallara, Ligier, Multimatic oder Oreca. Audi und Porsche haben offiziell noch nicht entschieden, welcher Chassis-Hersteller beide Marken beliefern darf. Ebenso wenig ist klar, welcher Motor zum Einsatz kommen soll. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com favorisiert Audi den DTM-Vierzylinder, der auch beim neuen Dakar-Projekt 2022 genutzt wird. Porsche soll unterdessen einen V8-Motor bevorzugen.

Das Ingolstädter Turbo-Aggregat hat 2019 und 2020 das Geschehen in der DTM dominiert und Audi sämtliche Meisterschaften beschert. Allerdings galten die V6-Motoren seit ihrer Einführung als anfällig für Vibrationen. Audi bekam die Schwingungen bei Sprintrennen zwar immer besser in den Griff. Bei Rennen mit einer Dauer von bis zu 24 Stunden könnte sich ein V8-Sauger möglicherweise als robuster herausstellen.

"Wir schauen uns momentane verschiedene Möglichkeiten an, was den Antrieb des Fahrzeuges betrifft und werden zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, mit welchem Motorkonzept wir an den Start gehen. Wir befinden uns auch dazu in enger Abstimmung mit den Kollegen von Porsche", sagt Seebach, der im Dezember 2020 auf Dieter Gass folgte und gleichzeitig Geschäftsführer der Audi Sport GmbH ist.

Audi blickt auf 13 Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Le Mans zurück, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi blickt auf 13 Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Le Mans zurück, Foto: Audi Communications Motorsport

Von Le Mans in die Formel E und zurück

Von 2014 bis 2016 traten Audi und Porsche in der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans gegeneinander an. Nach den Ausstiegen beider Hersteller - Audi 2016, Porsche 2017 - setzt sich das Marken-Duell in der Formel E fort. Audi hatte das Abt-Team im Jahr 2017 werksseitig übernommen, Porsche stieß ab 2019/20 hinzu. Während die Marke mit den vier Ringen sich nach der Saison 2021 aus der Formel E verabschiedet, strebt Porsche einen längerfristigen Verbleib an. In der Elektro-Rennserie gab es ebenso wie zu gemeinsamen WEC-Zeiten keinen merklichen Austausch zwischen Audi und Porsche.

Im LMDh-Zeitalter sollen die angestrebten Synergien nur bei der Entwicklung der Autos herrschen. Seebach versprach: "Wir werden auf der Rennstrecke gegeneinander fahren und jeder wird für sich und seine Marke um den Sieg kämpfen. Wichtig bei einem Projekt mit einem solchen Umfang ist aber auch, dass man sich abstimmt und ein gemeinsames Verständnis hat. Es gibt Entwicklungsumfänge, die nicht rennentscheidend sind und bei denen man zusammenarbeiten kann."

An Expertise fehlt es bei der Zusammenarbeit auf der Langstrecke jedenfalls nicht: Porsche ist mit 19 Gesamtsiegen der erfolgreichste Hersteller bei den 24 Stunden von Le Mans, gefolgt von Audi mit 13 Siegen. In den 22 Jahren von 1996 bis 2017 gelang es anderen Marken nur dreimal, den Langstrecken-Klassiker in Frankreich zu gewinnen: BMW 1999, VW-Tochter Bentley 2003 sowie Peugeot 2009.

LMDh soll eine neue Goldene Ära des Langstreckensports einläuten, Foto: Audi Communications Motorsport
LMDh soll eine neue Goldene Ära des Langstreckensports einläuten, Foto: Audi Communications Motorsport

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