Timo, wie war das Gefühl, Porsches Prototypen beim Rollout fahren zu dürfen?
Timo Bernhard: Es war eine große Ehre, den LMP1-Boliden als Erster auf der Strecke fahren zu dürfen. Ich bin seit 1999 bei Porsche, sie haben mir die Chance gegeben, zum Profirennfahrer zu reifen. Damals lautete eines der Ausbildungsziele, irgendwann einmal mit einem Prototypen des Werksteams in Le Mans zu fahren. Dass das 14 Jahre dauern würde, hatte zu diesem Zeitpunkt natürlich niemand vermutet. Es war aber immer mein Traum, für Porsche in Le Mans um den Gesamtsieg zu fahren und nächstes Jahr bietet sich endlich die Chance dazu.

Wie lief der Rollout in Weissach ab?
Timo Bernhard: Es war ein sehr umfangreicher Rollout, also mehr als nur zwei, drei Kilometer Fahrt. Als Fahrer hatte ich verschiedene Aufgaben auf dem Plan, allzu sehr kann ich aber nicht ins Detail gehen. Es wäre auch verfrüht, jetzt schon über die Balance oder Ähnliches zu sprechen. Aber das Auto fühlte sich super an, eben wie ein richtiger LMP1-Bolide. Als Rennfahrer war ich so froh, endlich ins Cockpit steigen und von dort aus meinen Input geben zu können. Jetzt beginnt die spannende Phase.

Foto: Porsche
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Du warst stark in die Entwicklung des LMP1-Projekts eingebunden. Wie konntest du dich genau einbringen?
Timo Bernhard: In den vergangenen Jahren bin ich einige Prototypen gefahren, darunter den Porsche RS Spyder sowie Autos von Audi, für die ich in der Vergangenheit einige Male unterwegs war. Mein größter Erfolg war natürlich der Gesamtsieg in Le Mans 2010 für Audi zusammen mit Mike Rockenfeller und Romain Dumas. Ich konnte im Verlauf der Jahre viele Erfahrungen sammeln und bei der Entwicklung des Porsche-Prototypen war es sehr wichtig, dass ein Rennfahrer stets seinen Input gibt. Es ist entscheidend, dass der Fahrer sein Wissen einbringt, noch bevor das fertige Auto auf die Strecke geht. So wurden der Sitz, Pedalerie und so weiter schon sehr früh auf mich angepasst. Ich war schon bei ein paar Auto-Entwicklungen involviert, aber so intensiv hat es sich noch nie angefühlt.

Wann stehen die ersten Testfahrten mit dem Prototypen an?
Timo Bernhard: Wir werden noch ein bisschen in Weissach fahren, dann geht es raus auf andere Rennstrecken. Wir starten ab sofort mit den Testfahrten und diese dauern kontinuierlich bis Le Mans 2014 an.

Kannst du ein paar Details über das neue Auto verraten?
Timo Bernhard: So viel kann ich schon verraten: Die Autos werden anders aussehen als die aktuelle Generation der Prototypen. Das hängt vor allem mit dem kommenden, neuen Reglement zusammen. Im Vergleich zu einem aktuellen LMP1 ist unser Porsche etwas schmaler, auch das ist bedingt durch die künftigen Regeln.

Foto: Porsche
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Das Ziel lautet, 2014 in Le Mans auf Anhieb vorne mitzufahren?
Timo Bernhard: Natürlich wollen wir konkurrenzfähig sein, aber die Konkurrenz ist sehr stark. Toyota ist im zweiten Jahr dabei und Audi schon seit 1999. In dieser Zeit konnten sie einen enormen Erfahrungsschatz aufbauen und es wäre vermessen zu behaupten, dass wir diesen Rückstand sehr schnell aufholen können. Unser Team ist super aufgestellt und ich habe vollstes Vertrauen - jeder ist bis in die Haarspitzen motiviert. Wenn es in einem Jahr nach Le Mans geht, wird aber natürlich ein immenser Druck auf uns lasten. Gleichzeitig ist es jedoch auch eine große Motivation und eine tolle Chance, beweisen zu können, was wir drauf haben.

Am kommenden Wochenende steigst du in Le Mans auch in einen Porsche. Macht es nach dem Rollout im LMP1 überhaupt noch Spaß, einen GT-Porsche zu fahren?
Timo Bernhard: Klar, die GT-Klasse ist dieses Jahr wieder heiß umkämpft. An einige Dinge muss ich mich erst einmal wieder gewöhnen, schließlich bin ich in den vergangenen Jahren ausschließlich Prototypen in Le Mans gefahren. Ich muss meinen Fahrstil anpassen, denn die GT-Autos verfügen über deutlich weniger Abtrieb, man fährt mehr mit mechanischem Grip. Ich fahre gern GT-Rennen, aber natürlich kämpfe ich lieber im LMP1 um den Gesamtsieg.

Foto: Porsche
Foto: Porsche

Was verändert sich konkret beim Wechsel vom Prototypen zum GT-Auto?
Timo Bernhard: Im GT-Boliden lässt man es eher defensiv angehen. Im LMP1 geht man hingegen aggressiver zu Werke, weil man der agierende Fahrer auf der Strecke ist und sich an vielen anderen Autos vorbei quetschen muss. Bei den Überholmanövern geht man teilweise ein sehr hohes Risiko ein. Es hilft mir sehr, dass ich beide Seiten kenne.

In Le Mans treten nicht nur Profis an. Wie gehst du mit dieser Situation um?
Timo Bernhard: Man lernt seine "Pappenheimer" kennen und findet recht schnell heraus, wer auf der gleichen Wellenlänge fährt. Der Verkehr ist bei einem Langstreckenrennen ein ganz entscheidender Faktor: Selbst, wenn du ein noch so tolles Auto hast und schnell bist, verlierst du extrem viel Zeit, wenn dir das Vertrauen in die anderen Fahrer fehlt. Neulinge brauchen immer eine gewisse Zeit, um sich daran zu gewöhnen und das ist ein Bereich, in dem sich Rennfahrer immer weiter verbessern können.

Was macht für dich den größten Reiz am 24-Stunden-Rennen von Le Mans aus?
Timo Bernhard: Le Mans ist für mich ein magischer Ort. Die Strecke ist unheimlich speziell, das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Das Rennen ist unheimlich schnell - so schnell, dass ich meine innere Uhr nach dem Testtag erst einmal neu einstellen musste. Im Rennen selbst fühlt es sich wieder normal an, aber man braucht ein paar Runden, um sich an den Speed zu gewöhnen.