Bis ganz zum Ende der Launch-Saison 2024 musste die Formel 1 warten. Erst am 15. Februar enthüllten die Titelverteidiger in ihrem Werk im britischen Milton Keynes das neue Auto. Es war, ungewöhnlich für Red Bull, ein echtes Event mit dem echten RB20. Der sorgt prompt für große Aufmerksamkeit, denn er ist technisch geradezu überraschend aggressiv, und weckt gar Erinnerungen an den letztjährigen Mercedes.

Die Präsentation war nicht nur wegen dem neuen Red Bull RB20 mit Spannung erwartet worden. Dessen Design hatte nach ersten Spyshots vor zwei Tagen schon für Spekulationen gesorgt. Gegen Spekulationen trat auch Langzeit-Teamchef Christian Horner auf, gegen den aktuell wegen möglichem Fehlverhalten eine interne Untersuchung des Red-Bull-Konzerns läuft.

Christian Horner wehrt sich gegen Vorwürfe

"Es gab ein paar Anschuldigungen, welche ich absolut zurückweise", trat Horner am Rande der Präsentation in Medienterminen entschlossen auf. Er unterstrich völlige Kooperation mit der Untersuchung, welche vom Red-Bull-Konzern angestoßen wurde, nicht bloß vom Team: "Ich folge den Vorgaben des Verfahrens, und das hat seinen Ablauf. Darüber hinaus kann ich nichts sagen, es ist ein privater Prozess des Unternehmens."

Beim Test und Saisonauftakt in den folgenden Wochen in Bahrain will Horner anwesend sein. Die Anteilseigner des Teams sieht er hinter sich. Auch seine Fahrer stärken ihm bei der Präsentation öffentlich den Rücken. "Zwischen mir und Christian ist alles wie immer", verneint Max Verstappen einen Bruch. Mehr von Christian Horner gibt es hier:

Red Bull überrascht mit Präsentation & mit Auto

So stand Horner zusammen mit Verstappen und Sergio Perez bei einem für Red Bull ungewöhnlichen Live-Launch auf der Bühne. Das Team um Design-Guru Adrian Newey ist berüchtigt dafür, das Auto so lange wie möglich zu entwickeln und erst sehr spät in die Produktion zu gehen. Das bedeutete in der Vergangenheit.

"Es ist ungewöhnlich für uns, ein echtes Auto zu enthüllen, aber weil es so kurz vor der Saison stattfindet, dachten wir, es sei das Richtige", räumt Horner ein. Red Bull nimmt die Gelegenheit gleich auch zum Anlass, das 20-jährige Formel-1-Jubiläum zu feiern. Die ersten Minuten der Präsentation bestand aus Rückblicken und Interviews mit Spitzenpersonal, von Horner und Newey bis Verstappen. 350 Fans waren eingeladen worden. Ein "Jahr des Feierns" unter der Tagline "Forever Rebl" ist angekündigt.

Wenig überraschend unverändert ist die Lackierung. Das neue Auto zog trotzdem alle Augen auf sich. Schon zwei Tage davor hatte Red Bull den RB20 für einen Filmtag auf die verregnete Rennstrecke in Silverstone geschickt. Verschwommene Fotos aus der Entfernung kursierten und schürten Vermutungen zu neuen Design-Features.

Die ersten Studiobilder vom RB20 bestätigten mehrere auffällige Änderungen, auch wenn man weiter von einer Evolution spricht. Mit Sternchen. "Der RB20 ist ein Entwicklungssprung, ist anders, und wie ihr sehen könnt, ist es keine konservative Evolution", sagt Horner jedoch und lobt seine Techniker. "Man sieht, dass sie mit diesem Auto Grenzen ausgelotet haben."

Alte Mercedes-Features? Diese F1-Trends bricht der Red Bull RB20

Anders als das letztjährige Auto, welches eine zumindest optisch simplere Evolution des ursprünglichen Ground-Effect-Konzepts von 2022 war, sticht am RB20 mehr ins Auge. Besonders daran ist, dass einige Features von anderen Teams in den letzten zwei Jahren gefahren und wieder entfernt worden waren. Insbesondere in Brackley, wie bei der Mercedes-Präsentation am Vortag ersichtlich.

Präsentation Red Bull RB20
Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Es beginnt beim Frontflügel. Inzwischen haben fast alle Teams die Nase am zweiten Element fixiert, wie die letzten zwei Red Bulls. Der RB20 hingegen zieht die Nase jetzt ganz nach vorne bis zur Kante des ersten Elements.

Die Lufteinlässe der Seitenkästen wurden komplett umgestaltet. Red Bull war der Pionier des hohen schmalen Inlets mit der vorgezogenen Unterlippe gewesen, welche viele Teams 2024 mit in ihre Designs eingearbeitet haben. Der RB20 verkehrt ins Gegenteil: Nun wird die Oberlippe unter dem Rückspiegel bis zum vorderen Ende des Cockpits verlängert. Eine Lösung, welche Mercedes im Vorjahr (wohl aus Improvisationsgründen) für sein Seitenkasten-Update genutzt hatte.

Präsentation Red Bull RB20
Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Mysteriös ist der Lufteinlass, zumindest auf den ersten Bildern scheint Red Bull ein Geheimnis daraus zu machen. Der Bereich ist von allen Einstellungen aus geschwärzt und fast nicht einzusehen. Das macht den Undercut-Bereich des Seitenkasten auf den ersten Blick riesig.

Der Seitenkasten selbst ist neu geformt und nun ohne die für die letzten zwei Autos charakteristische Stufe. Sehr wohl aber bleibt es beim Grundkonzept. Es ist ein Downwash-Seitenkasten, welcher die Luft nach unten leitet. Auch der tiefe Undercut-Kanal zwischen Seitenkasten und Unterboden bleibt. Die Unterbodenkante ist auf den Studiobildern verdeckt.

Einmal noch, nämlich bei der Motorabdeckung, werden Erinnerungen an den letztjährigen Mercedes wach. Der Wulst zwischen Seitenkasten und Airbox ist deutlich aufgeblähter und schafft so einen tiefen Kanal. Das oberste Heckflügel-Element präsentiert sich wie bei vielen Teams nun an den Außenkanten ohne Verbindung zu den Endplatten.

Kein Stillstand bei Titelverteidiger Red Bull

Obwohl das Vorjahres-Auto als eines der besten aller Zeiten in die Formel-1-Geschichte einging, will sich Red Bull für 2024 nicht ausruhen. Zurecht - die Konkurrenz schöpft Hoffnung und sieht Red Bull durchaus schlagbar. Die ersten Tests im Simulator stimmen die Fahrer zuversichtlich. Verbesserungen in den langsamen Kurven sollen sich einstellen. Auf engen Stadtkursen wie Monaco war das Team im Vorjahr bei weitem nicht so dominant gewesen.

Ziel ist natürlich unverhohlen der nächste WM-Titel. In zwei Jahren Ground-Effect-Ära ist Red Bull bislang ungeschlagen. Die erste Test-Ausfahrt des RB20 wird also mit Spannung erwartet. Neues sollte es zumindest bis zum ersten Rennen nicht mehr geben, bestätigt Horner: "Das Auto, das man hier sieht, ist das Auto für Bahrain. Vielleicht mit ein paar kleinen Änderungen."

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