Es ist ein seltsamer Saisonstart für Lewis Hamilton. Das hat das letzte Rennen vor einer Woche in China nur noch einmal verdeutlicht. Ein zweiter Platz im Sprint-Qualifying und im Sprint zeigte die Pace, die der siebenfache Weltmeister noch immer hat. Doch wiederholt stürzt er seine Wochenenden ins Chaos. Langsam, aber sicher scheint man sich im Mercedes-Lager auseinanderzuleben.

Zumindest auf der professionellen Seite wird diese Impression mit den Aussagen der Beteiligten in den letzten Wochen zunehmend verstärkt. Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner stellte das bereits nach dem Japan-GP fest, als Hamilton nach einem siebten Platz im Qualifying das Gefühl im Auto feierte: "Doch sehr kryptisch, was da von ihm kommt."

Langsam & lustlos! Ist Hamiltons F1-Zeit abgelaufen? (27:29 Min.)

Tatsächlich fühlte sich inzwischen sogar Mercedes-Teamchef Toto Wolff bemüßigt, diese Beobachtung in die Öffentlichkeit der Formel 1 zu tragen, so geschehen am Rande der ServusTV-Übertragung von China: "Er ist eigentlich überraschend gut drauf. Ich weiß nicht. Vielleicht, weil er weiß, dass er woanders hingeht, das ist gar nicht so seine Art. Er ist Profi durch und durch."

Auf Hamilton-Seite fluktuieren die Äußerungen an den Rennwochenenden stark. Ganz das Niveau des berüchtigten Funk-Stänkerers Fernando Alonso hat er zwar noch nicht erreicht, aber mit der Zurückhaltung der Vergangenheit ist es auch vorbei. Funk-Kritik ist inzwischen an der Tagesordnung, ob es jetzt um das Auto oder um die Strategie geht.

Nach dem Rennen schwankt es zwischen Frust und Resignation. Mehr des letzteren - hatte Hamilton nach Saudi-Arabien noch geklagt, dass Mercedes in der Winterpause vielleicht nicht genug verändert habe, dass man für zwei Schritte vorwärts fünf zurückmache. Die anhaltenden Probleme bewogen Hamilton dann in den folgenden Rennen mehr und mehr zu eigenbrötlerischen Anwandlungen.

Keine Hamilton-Zurückhaltung beim Setup: Verzweiflung an der Tagesordnung?

Es geht um die Strategie, vor allem auch um die Abstimmung des W15. Der war in China zumindest passabel fahrbar, wie die zweiten Plätze Hamiltons in Sprint-Qualifying und Sprint bewiesen. Und auch wenn er nicht mit Ferrari oder McLaren mithalten konnte, so hatte George Russell zumindest genug für Platz sechs im Rennen übrig.

Hamilton verwarf diese Setup-Richtung aber völlig. Und entschied auch noch für eine andere Fahr-Strategie im Qualifying verglichen mit Russell. Eine Runde weniger auf dem ersten Reifensatz. "Lewis war danach deutlich diesbezüglich, dass er eine weitere Runde gebraucht hatte", so Technik-Chef James Allison im 'Race Debrief'-Video des Teams. Hamiltons Setup-Änderungen hatten das Auto zu untersteuernd gemacht, und das führte letztendlich zu einem Verbremser, welches ein Q1-Aus besiegelte.

"Ich denke, wir hätten ihn stärker dazu ermutigen sollen, ein Programm ähnlich dem von George zu fahren, also ist das unser Fehler", gibt sich Allison diplomatisch. "Und wir sollten ehrlich gesagt ein Auto bauen, dass nicht so schwierig ist wie das, das wir aktuell haben, welches die Fahrer in uncharakteristische Fehler treibt. Wir haben zwei der besten Piloten der Welt. Verbremser am Ende der Geraden in eine Haarnadel, das steht nicht im Rezeptbuch von Lewis."

Sprint Top-3 im Ziel, Der winkende Lewis Hamilton (Mercedes), Sieger Max Verstappen und Sergio Perez (beide Red Bull)
Der zweite Platz im China-Sprint war ein kurzes Hamilton-Gastspiel an der Spitze, Foto: LAT Images

Toto Wolff war direkt nach dem Rennen bezüglich seines davonziehenden Star-Piloten aber auch deutlicher: "Wir haben das Auto definitiv falsch hingestellt. Es war auch etwas, wo Lewis eine Entwicklungsrichtung vorgegeben hat, die war so, dass das Auto nicht um die Kurve gefahren ist."

Wie lange hält die Moral bei Mercedes noch?

So kippt langsam die Zusammenarbeit in einen reduktiven geschäftlichen Trott. Vorbei die Zeiten, zu denen sich Wolff per Funk bei Hamilton für das schlechte Auto entschuldigte. Wie weit ist es schon? "Ich denke, Lewis ist ein Profi und hat sich bis jetzt so verhalten", stellt Wolff nüchtern fest. "Versucht die Moral hoch zu halten, und die Moral des Teams, selbst wenn die Ergebnisse nicht kommen."

"Ich habe keinen Zweifel daran, dass das hält", schwört Wolff. In Sachen Leistung werden es jedoch zähe acht Monate für Hamilton, ehe er sich nach Maranello verabschiedet. Wie er selbst festgehalten hat: Es fehlen die Anzeichen des anhaltenden Fortschritts. Anders als bei Ferrari, einem regulären Podiums- und Pole-Anwärter. Der Wechsel wirft seinen Schatten hartnäckig voraus.