Dein langjähriger Teamkollege Dirk Müller ist in diesem Jahr nicht mehr mit von der Partie. Vermisst du ihn schon?
Jörg Müller: Zunächst muss einmal gesagt werden, dass Dirk wirklich ein toller Mensch ist und wir ein sehr gutes Verhältnis zueinander pflegen. Aber als Fahrer ist es eigentlich egal, mit wem du im Team fährst. An den Rennwochenenden kommt es darauf an, sich auf sich selbst zu konzentrieren und Rennen zu fahren. BMW hat Dirk gegen Augusto Farfus ausgetauscht, auch er ist ein toller Fahrer.

In den letzten Jahren ist Farfus oft durch ungestüme Aktionen aufgefallen. Wie ist euer Verhältnis zueinander?
Jörg Müller: Wir haben absolut keine Probleme miteinander. Vor allem in seinem ersten Jahr wollte Augusto bei Alfa zeigen, was in ihm steckt. Dadurch kam es oft zu Manövern, die nicht hätten sein müssen. Im letzten Jahr hat sich Augusto sehr gebessert. Er ist ein richtiger Teamleader geworden. Augusto fällt schon lange nicht mehr durch wilde Aktionen auf, er hat sich in seiner zuvor aggressiven Fahrweise gemäßigt.

Felix Porteiro und Alex Zanardi hingen beim Saisonauftakt etwas hinterher. Was kann man von ihnen noch erwarten, sind sie so etwas wie Geheimfavoriten?
Jörg Müller: Ja, sicherlich. Sie haben beide ein starkes Auto und Alex hat schon in Curitiba wichtige Punkte sammeln können, was Felix leider nicht gelungen ist. Dafür konnte er schon hier in Zandvoort zeigen, was er kann. In der Qualifikation ist er unter die besten Zehn gefahren. Sie können beide in dieser Saison Rennen gewinnen und haben durchaus auch das Zeug dazu, Meister zu werden.

Ist davon auszugehen, dass Andy Priaulx wieder einmal der größte Konkurrent im Kampf um den Titel sein wird?
Jörg Müller: Auf dem Papier ist das auf alle Fälle so. Immerhin hat er in den letzten beiden Jahren die Weltmeisterschaft gewonnen und zuvor ist er auch schon Europameister geworden. Das Ziel muss es sein, ihn zu schlagen, dafür müssen ich und das ganze Team hart arbeiten. Wenn ich dann Weltmeister werde, wird man sagen: "Jetzt musst du schneller als der Müller sein."

Du hast Andy im März mit zur Nordschleife genommen. Wie hat er sich geschlagen?
Jörg Müller: Andy kennt die Nordschleife schon aus dem Jahr 2005, als er dort beim 24 Stundenrennen gewonnen hat. Er hat zwar nicht so eine gute Streckenkenntnis, wie ich sie besitze, aber er hat keine Probleme auf der Nordschleife schnell zu fahren. In dem Rennen zum Langstreckenpokal haben wir das Auto für weitere Einsätze vorbereitet und wir waren beide richtig schnell unterwegs. Damals haben wir den vierten Platz belegt und sind mit der Leistung des Autos sehr zufrieden. Solche Testfahrten für BMW gehören einfach zu unserem Job.

Was macht man noch als Rennfahrer, wenn man sechs Wochen Pause hat?
Jörg Müller: Testen, Testen und noch mal Testen. In den sechs Wochen zwischen den beiden ersten Rennen der WTCC waren wir insgesamt fünf Mal bei Testfahrten. Außerdem bin ich bei der VLN mitgefahren und war beim Einführungslehrgang der Formel BMW in Valencia. Zudem ist es als Rennfahrer unabdingbar, sich fit zu halten und Sport zu treiben.

Jörg Müller und sein Arbeitsgerät, Foto: Sutton
Jörg Müller und sein Arbeitsgerät, Foto: Sutton

Inwiefern kann man das Auto während der Saison verbessern, wie es zum Beispiel Chevrolet getan hat?
Jörg Müller: Man kann das Auto nicht unendlich umbauen und verbessern. Von der FIA bekommt man in einer gewissen Zeit eine Anzahl von Umbauten erlaubt. Einen solchen Joker hat Chevrolet gezogen und das neue Aerodynamik-Paket entwickelt. Auch wir konnten den BMW während der Testphase verbessern, dabei handelte es sich aber um Kleinigkeiten am Motor und Fahrwerk. Was konkret geändert wurde, kann ich nicht mal genau sagen, das wissen nur die Techniker. Aber auch die Tatsache, dass wir den neuen BMW 320si mittlerweile seit einem Jahr nutzen, hilft uns sehr viel. Man muss den Wagen sehr gut verstehen, um richtig schnell zu sein.

Die FIA hat die Pause genutzt, um die Gewichtsdiskussion neu zu entfachen. Was sagst du zur Gewichtsreduzierung der Fronttriebler?
Jörg Müller: Die FIA will das Feld eng beisammen halten und die Meisterschaft für den Zuschauer interessanter machen. Ich selbst mache mir über das Gewicht keine Gedanken, ich kann es eh nicht ändern. Bevor ich ins Auto steige, sagen mir die Jungs Bescheid, was alles mit an Bord ist. Man darf sich bloß nicht aufregen, denn man braucht die Konzentration zum Fahren.

Welche Rolle spielen die Zusatzgewichte?
Jörg Müller: Eigentlich keine große Rolle. Irgendwann fahren alle guten Leute mit Gewicht im Auto, das macht dann keinen Unterschied mehr. Es bleibt alles sehr ausgeglichen. Man kann die Gewichte auch an verschiedenen Stellen des Autos verteilen, zum Beispiel im Fußraum oder auf der Beifahrerseite. Ich bin mir sicher, dass beim Finale alle Piloten, die noch eine Chance auf den Titel haben, mit Zusatzgewichten antreten müssen.

Wer ist dein Favorit für den Titel?
Jörg Müller: Ich habe absolut keinen Favoriten. Im letzten Jahr sind neun Piloten mit Meisterschaftsambitionen zum Saisonfinale nach Macau gekommen. Auch dieses Jahr gibt es bestimmt zwölf gute Leute, die Chancen auf den Titel haben. Ich will oder kann mich zu einem solch frühen Zeitpunkt der Saison noch nicht auf Jemanden festlegen.