Was bedeutet es dir, zum zweiten Mal Weltmeister zu sein?
Sebastien Ogier: Es ist einfach großartig, denn dafür haben wir das ganze Jahr gekämpft. Wir hatten 2013 die Chance, unser Ziel zu erreichen und jetzt war es das Ziel, es ein weiteres Mal zu schaffen. Die Spitze zu erreichen ist schwierig, aber dort zu bleiben, ist umso schwieriger. Es ist immer toll, wenn man seine Leistung bestätigen kann und zwei Mal hintereinander Weltmeister wird. Das ist der Beweis, dass es kein Glück, sondern Leistung war.

Nun bist du zweifacher Weltmeister, bleiben also noch sieben Titel bis du Sebastien Loeb eingeholt hast. Denkst du an solche Rekorde?
Sebastien Ogier: Überhaupt nicht. Ich nehme einen Titel nach dem anderen und freue mich darüber. Es sind so viele Parameter, die man für die Zukunft mit einbeziehen muss. Ich könnte heute nicht einmal garantieren, dass ich in sieben Jahren überhaupt noch Rallye fahre. Somit schaue ich momentan von einem Jahr zum nächsten.

Der WM-Führende muss ab 2015 die ersten beiden Tage einer Rallye eröffnen, Foto: Sutton
Der WM-Führende muss ab 2015 die ersten beiden Tage einer Rallye eröffnen, Foto: Sutton

Dann blicken wir doch einmal auf das kommende Jahr. Der große Nachteil deiner Erfolge ist, dass du nun 2015 die ersten beiden Tage ganz vorne den Streckensäuberer spielen musst. Jeder weiß, dass du kein Freund dieser Entscheidung bist.
Sebastien Ogier: Ich kann kein Fan davon sein. Aber ich habe so viel darüber gesagt, dass ich nun versuchen möchte, das alles hinter mir zu lassen. Ich möchte auf das fokussiert bleiben, was ich zu tun habe. Ich mag den Wettkampf und wenn Regeln kreiert werden, die total unfair sind und so ein großer Nachteil für den besten Fahrer der Weltmeisterschaft entsteht, dann kann das für den Sport nicht gut sein. Wenn du zu diesem Zeitpunkt die Nummer 1 dieses Sports bist, hast du das Gefühl, dass du am meisten unter dieser Regelung leidest. Aber ich halte das von mir fern und konzentriere mich auf die Gegenwart.

Die Pläne, die Power Stage zum Ende einer Rallye hin deutlich spannender zu machen und die Abstände zu reduzieren, wurde hingegen abgeschmettert. War das in deinem Sinne?
Sebastien Ogier: Nicht alle Fahrer waren mit diesem Plan einverstanden. Ich verstehe die Idee, am Sonntag eine Show mit dem Ergebnis der Rallye zu liefern, um am Ende der Rallye etwas Interessantes zu bringen und somit neue Fans anzulocken. Grundsätzlich sicherlich gut, aber natürlich bleibt ein bisschen die Sorge, dass bei einem solchen Eingriff in den Sport dessen DNA verändert wird. Die Hardcore-Fans und die Fahrer unterstützen so etwas dann meistens nicht.

Volkswagen-Teamchef Jost Capito war ein großer Verfechter dieser abgeschmetterten Idee. Machst du dir Gedanken, dass Volkswagen ohne signifikante Veränderungen in naher Zukunft aus der WRC aussteigen könnte?
Sebastien Ogier: Wenn ein Hersteller wie Volkswagen Rallye-Sport betreibt, dann um seine Produkte zu promoten. Wenn der Nutzen des Investments nicht da ist, gibt es sicherlich derartige Gedanken - das ist immer ein Risiko. Wir sind uns dessen bewusst und wissen alle, dass der Output im Moment nicht gut genug für das geleistete Investment ist. Aber als Fahrer ist es nicht mein Job, Promotion zu machen. Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen das in der Zukunft verbessern, ansonsten wird dieser Sport irgendwann sterben.

Sebastien Ogier und seine Frau Andrea Kaiser beim ADAC GT Masters in Oschersleben, Foto: ADAC GT Masters
Sebastien Ogier und seine Frau Andrea Kaiser beim ADAC GT Masters in Oschersleben, Foto: ADAC GT Masters

Die fehlende Präsenz des Sports in der Öffentlichkeit wird auch an deiner Person deutlich. Du warst 2014 mehrfach mit deiner Frau Andrea Kaiser als Gast beim ADAC GT Masters, wurdest aber beispielsweise in Oschersleben von den Fans nicht erkannt. Wie schwierig ist es für dich als Weltmeister, diese Situation zu akzeptieren?
Sebastien Ogier: In Deutschland hat Rallye leider keinen sehr hohen Stellenwert und entsprechend ist das Publikum sehr gering. Ich hatte aber das Gefühl, dass das Interesse bei meinen Auftritten beim ADAC GT Masters gestiegen ist. Es kamen immer mehr Fragen und immer mehr Menschen haben mich erkannt. Ganz besonders am Lausitzring, als ich tatsächlich gestartet bin und den Overall anhatte. Wenn ich ohne Rennklamotten herumlaufe, registrieren mich viele Fans einfach nicht. Dazu kommt das Problem, dass wir immer mit Helm fahren, somit kennen die Fans zwar unsere Namen, aber nicht unsere Gesichter. Zudem wissen wir alle, dass sich in Deutschland alles um die Formel 1 dreht und selbst dort geht das Interesse zurück. In Frankreich wäre es vielleicht etwas besser, aber auch dort wäre der Andrang nicht groß. Gleichzeitig sind diese beschriebenen Situationen der Beweis, dass die Promotion unseres Sports nicht gut genug ist. Es muss definitiv eine Besserung her.

Ein Besuch in einer "Fremdserie" ist das eine, aber selbst während der Rallye Deutschland lautete eine Schlagzeile: "Mann von Andrea Kaiser gecrasht."
Sebastien Ogier: (Lacht). Ja, sie zieht mich deshalb immer wieder auf und sagt: du weißt, dass du nur der Mann von... bist. Aber ich muss ja ehrlich zugeben, in Deutschland bin ich tatsächlich nur der Mann von...

Die eben angesprochenen Schlagzeile war ein Resultat deines schweren Unfalls bei der Rallye Deutschland. Du hast vor der Rallye Australien gesagt, dass du über den Sommer nicht fokussiert genug warst. Wie kam das?
Sebastien Ogier: Es lag an den zuvor besprochenen Themen rund um die Zukunft der WRC und den Regeländerungen. Das war auch der Grund, warum ich mich von all dem distanziert habe. Ich habe meine Motivation verloren und auch die Konzentration. Wenn du nicht zu 100 Prozent bei diesem Sport bist, dann zahlst du das auch zu 100 Prozent zurück. Ich habe mich selbst in Gefahr gebracht, als wir den großen Crash in Deutschland hatten. Ich sage nicht, dass es deshalb passierte, aber ich bin sicher, dass es leichter ist, solche Fehler zu machen, wenn man nicht bei 100 Prozent ist. Es ist doch recht unnormal für mich, dass ich an zwei Tagen zwei Unfälle habe. Vor Australien ging ich dann in mich und hatte ab dieser Rallye wieder eine deutlich bessere mentale Einstellung.

Du sprichst die mentale Seite an. Ist Jari-Matti nun durch sein Mentalcoaching auf einem Level mit dir?
Sebastien Ogier: Wir können nicht auf einem Level sein, denn es braucht ja zwei Leute, damit er so gut ist wie ich. Also kann das nicht sein - zudem ist er [Christoph Treier, Latvalas Mentalcoach] ja auch nicht mit ihm im Auto (lacht).

Du hast bei Citroen einige Schwierigkeiten mit deinem Teamkollegen Sebastien Loeb erlebt. Hast du die Sorge, dass es bei Volkswagen eines Tages genauso laufen könnte?
Sebastien Ogier: Nein, denn es ist alles klar geregelt und das war es von dem Tag an, als ich meinen Vertrag hier unterschrieben habe. Es war klar, dass wir die gleiche Denkweise im Sport haben. Besonders in der Situation 2014 hätte es keinen Sinn gemacht, Teamorder auszusprechen. In Zukunft könnte das aber eines Tages passieren. Wenn wir dann in einer Position sein sollten, in der der Sieg für das Team nicht gesichert ist, könnte ich die Notwendigkeit von Teamorder verstehen.

Jari-Matti Latvala und Sebastien Ogier sind seit 2013 Teamkollegen, Foto: Volkswagen Motorsport
Jari-Matti Latvala und Sebastien Ogier sind seit 2013 Teamkollegen, Foto: Volkswagen Motorsport

Und du würdest dann für Jari-Matti einen Schritt zurückmachen?
Sebastien Ogier: Nein, nicht für ihn, aber für das Team. Wir kämpfen gegeneinander, deshalb würde ich für ihn nicht zurücktreten, aber ich würde in diesem Fall für das Team zurückstecken. Aber ich werde mich selbst erst gar nicht in diese Situation bringen (lacht).

Blicken wir zum Abschluss auf das nächste Jahr. Glaubst du, dass Hyundai mit der Weiterentwicklung des i20 zum wirklichen Konkurrenten für Volkswagen werden kann?
Sebastien Ogier: Das hoffe ich für die Meisterschaft. Es ist ganz normal, dass sie momentan noch einen Schritt zurück sind. Es war ihre erste Saison und sie hatten zuvor kein Entwicklungsjahr. Das braucht Zeit, aber ich hoffe, dass sie im kommenden Jahr zusammen mit uns Teil des Wettkampfes sind.