Skandal-Strafe in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft! Die Sportkommissare haben eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro gegen Toyota verhängt. Der Grund klingt für Außenstehende geradezu unglaublich: Teamdirektor Rob Leupen hatte sich im Vorfeld des 6-Stunden-Rennens von Sao Paulo gegenüber einem Journalisten öffentlich zur Balance of Performance in der WEC geäußert.
Damit widersetzte sich der erfahrene Niederländer faktisch den Vorgaben des Sportlichen Reglements, in denen tatsächlich geschrieben steht: Kein WEC-Teilnehmer darf die Balance of Performance kommentieren oder versuchen, die Einstufung durch öffentliche Aussagen zu beeinflussen.
FIA-Maulkorb im Reglement der WEC
Dieser höchst diskutable Paragraph - in der Motorsport-Szene ist die Rede von einem 'FIA-Maulkorb' - ist seit 2023 im Regelbuch verankert. Motorsport-Magazin.com weiß: Auch bei der FIA sind nicht alle begeistert von dieser Regel. Kein Wunder: Es handelt sich hierbei um einen regulatorischen Eingriff in die Meinungsfreiheit - und das zur Balance of Performance, die im heutigen Motorsport bekanntermaßen einen großen Einfluss auf den sportlichen Wettbewerb hat.
Die Strafe gegen Leupens Arbeitgeber Toyota ist zur Bewährung ausgesetzt und muss nicht bezahlt werden, wenn es zu keinem weiteren Verstoß in dieser Hinsicht kommt. Leupen wird in der Stewards-Entscheidung, die in Sao Paulo erst nach dem Rennende und dem Sieg des #8 Toyota veröffentlicht worden ist, vorgeworfen, dass er sich in der niederländischen Ausgabe des Motorsport Network negativ zur BoP-Thematik geäußert habe. Der Text wurde in mehrere Sprachen auf den unterschiedlichen Seiten des Networks übersetzt.
BoP-Aussagen ein "schwerer Verstoß gegen die Vorschriften"
Um diese drei Aussagen im originalen Interview geht es: Laut Leupen sei die Veröffentlichung der BoP eine Woche vor den 24 Stunden von Le Mans 2023 "nicht im Einklang mit dem Reglement" gewesen. In der laufenden Saison 2024 sei der FIA-Ablauf bezüglich der Balance of Performance "nicht transparent". Und: "In Zukunft ist Ehrlichkeit erforderlich."
Diese Aussagen werteten die Sportkommissare als einen "schweren Verstoß gegen die Vorschriften", setzten die verhängte Geldstrafe aber bis zum Saisonende aus, sofern keine in Verbindung mit Toyota stehenden Personen ähnliche Vergehen begehen. Dazu der 'freundliche' Hinweis: "Alle Wettbewerber werden darauf hingewiesen, dass zukünftige Verstöße möglicherweise nicht mit einer ausgesetzten Strafe geahndet werden."
Maulkorb-Regel schon länger scharf kritisiert - Absurder BoP-Eiertanz
Laut den Sportkommissaren stellen Leupens Aussagen "die Unparteilichkeit der FIA in Frage, werfen Verdacht auf ihre Integrität und verursachen somit moralischen Schaden, insbesondere da der betreffende Presseartikel in mehreren Ländern verbreitet wurde. Darüber hinaus haben diese Kommentare die direkte Folge, Zweifel an der Integrität der sportlichen Ergebnisse der Meisterschaft zu wecken und deren Glaubwürdigkeit zu schädigen".
In der Langstrecken-Szene gibt es schon länger scharfe Kritik am Regel-Maulkorb des Automobil-Weltverbandes. Eine konkrete Strafe war vor Leupens Fall allerdings noch nicht ausgesprochen worden. Im Wissen um den Regel-Paragraphen kommt es in der WEC stets zu einem geradezu absurden Eiertanz, wenn Journalisten die Teamvertreter oder Fahrer zu ihrer Meinung nach der Balance of Performance befragen. "Ich darf ja nicht darüber sprechen", heißt es immer wieder, oder auch: "Ich sage es dir, aber zitiere mich bloß nicht".
BoP-Äußerungen in anderen Rennserien nicht verboten
In anderen BoP-Rennserien wie der DTM, der GT World Challenge, der IMSA oder auch beim 24h-Rennen Nürburgring ist es nicht per Reglement verboten, sich öffentlich zur BoP zu äußern. Das Thema ist trotzdem heikel und viele Protagonisten halten lieber die Klappe, aus Sorge, bei der nächsten Einstufung potenziell benachteiligt zu werden. Andere Vertreter gehen gezielt an die Öffentlichkeit, in der Hoffnung, dadurch eine für sie vorteilhaftere Balance of Performance zu provozieren.
In der WEC werden die Verantwortlichen aus Angst vor Bestrafungen - wie jetzt in Leupens Fall - meist kreativ, was die Wortwahl betrifft, um indirekt über den Einfluss der Balance of Performance auf den Wettbewerb zu sprechen. Da ist dann etwa von der "Pace im Vergleich zur Konkurrenz aus unterschiedlichen Gründen" die Rede. Wobei natürlich jeder sofort weiß, was gemeint ist.
Als Akio Toyoda für großes BoP-Gelächter sorgte
Toyota fiel schon einmal rund um die FIA-Maulkorb-Thematik auf: 2023 am Rande der 24 Stunden von Le Mans, nachdem die Japaner in Folge einer BoP-Anpassung nur zehn Tage vor dem Rennen ganze 37 Kilogramm und damit das meiste Zusatzgewicht einladen mussten. Akio Toyoda höchstpersönlich setzte damals auf der wichtigen ACO-Pressekonferenz in Le Mans sehr zur Erheiterung der Anwesenden eine gezielte Spitze nur mit den beiden Worten: "Weniger BoP."
Später in einem von Toyota herausgegebenen Fan-Magazin wurde Herr Toyoda deutlicher, sagte unter anderem: "Als ich das Qualifying sah, dachte ich: Ich habe gegen die Politik verloren." Eine öffentlich einsehbare Strafe für den Verstoß gegen das Reglement erhielt der damalige Toyota-CEO und heutige Chairman des Automobilgiganten nicht. Hinter den Kulissen soll man bei der FIA und beim Le-Mans-Veranstalter ACO aber nicht allzu begeistert gewesen sein...
Maulkorb-Regel im WEC-Reglement: Skandal-Paragraph im Wortlaut
Artikel 6.2.1: Hersteller, Teilnehmer, Fahrer und alle Personen oder Entitäten, die mit ihren Einschreibungen verbunden sind, dürfen nicht versuchen, die Festlegung der BoP zu beeinflussen oder die Ergebnisse zu kommentieren, insbesondere durch öffentliche Erklärungen, die Medien und soziale Netzwerke. Jede Verletzung der oben genannten Grundsätze wird von den Sportkommissaren bestraft, zu jeder Zeit während eines Wettbewerbs, einschließlich nach dem Rennen.
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