Du sagtest vor dem WEC-Saisonauftakt, dass dich der Alpine-LMDh an dein früheres Formel-2-Auto erinnere. Wie hast du das gemeint, und hat sich dieser Eindruck bestätigt?
Mick Schumacher: Damit meinte ich den Motor mit seinem Turboantrieb, ansonsten ist das Fahrgefühl natürlich ganz anders. Der Alpine fühlt sich eher an wie ein schnelles GT-Auto, relativ schwer und mit wenig Downforce. Das kommt vor allem hier in Spa durch die Eau Rouge und andere Kurven hindurch zum Vorschein. Das Auto bewegt sich relativ stark. Aber das hängt davon ab, was man vorher gefahren ist. Wenn ich zum Beispiel mit Jules Gounon (Alpine-Ersatzfahrer für Ferdinand Habsburg; d. Red.) spreche, wundert er sich, wenn ich von geringer Downforce bei diesem Auto spreche. Ich bin da eben einiges mehr gewohnt.
Betrachtest du das LMDh-Auto als fahrerische Herausforderung?
Mick Schumacher: Von einer fahrerischen Herausforderung zu sprechen, ginge wahrscheinlich zu weit. Ich betrachte es als eine andere Herausforderung in dem Sinne, dass ich mich als Fahrer an etwas Neues gewöhnen muss. Bisher hat das gut funktioniert. Wenn ich in der Vergangenheit unterschiedliche Autos gefahren bin, hatte ich den Dreh immer ziemlich schnell raus. Es ist mir wichtig, dass ich mich schnell an neue Autos gewöhnen kann. Das ist auch wichtig für meine aktuelle Rolle in der Formel 1, als Reservefahrer von Mercedes, McLaren und Williams.
Fahrer wie Jenson Button sagen, dass ein Hypercar mindestens so komplex zu fahren sei wie ein Formel-1-Auto. Wie siehst du das?
Mick Schumacher: Naja, seit Jenson zum letzten Mal Formel 1 gefahren ist (2017; d. Red.), haben sich die F1-Autos schon um einiges weiterentwickelt mit Blick auf das, was ein Fahrer machen muss. Das Hypercar ist im Vergleich dazu relativ unkompliziert und geradlinig. Wir haben hier verschiedene Settings, die wir am Lenkrad verändern können und auch müssen. Es ist aber nicht so komplex wie ein Formel-1-Auto.
Mit der Langstrecke hast du eine neue Welt im Motorsport betreten. Was betrachtest du als größte Herausforderung?
Mick Schumacher: Das Fahren im Verkehr ist in den Rennen die größte Neuheit für mich.
Wie hast du dich an das Fahren im gemischten Verkehr mit GT3-Autos gewöhnt, und wie kommst du damit zurecht?
Mick Schumacher: Na ja, als Rennfahrer überholst du ja immer ganz gerne! Mit dem Verkehr habe ich mich in den ersten Saisonrennen recht schnell wohlgefühlt. Ein Fahrer wie mein Teamkollege Nicolas (Lapierre; d. Red.) hat große Erfahrung damit und weiß ganz genau, wann und wo er am besten die langsameren GT3-Autos überholen kann. Ich tue mir manchmal noch etwas schwer, die Breite unseres Autos richtig einzuschätzen. In Formelautos war ich es gewohnt, mittig zu sitzen, während wir im Prototypen auf der linken Fahrzeugseite sitzen.
Was kannst du im Austausch mit deinen Langstrecken-erfahrenen Teamkollegen Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere lernen?
Mick Schumacher: Es gibt nicht diesen einen speziellen Punkt, der hervorsticht. Für mich ist in der Kommunikation zwischen uns Fahrern sehr interessant, wie viel miteinander geteilt wird. Wir wollen uns als Team weiterentwickeln, das merkt man extrem in den Meetings und auch abseits davon. In der Formel 1 heißt es 'Einer gegen Einen', während hier drei Fahrer in die gleiche Richtung pushen und zusammenarbeiten. Es ist sehr viel Offenheit dabei, wenn wir uns über Tipps und Tricks austauschen.
Wie du sagtest, im Formelsport ist man als Einzelkämpfer unterwegs. Wie ist dir die Umstellung zum Langstrecken-Teamplayer gelungen?
Mick Schumacher: Ich kann das super auseinanderhalten. Ich weiß, dass wir uns hier als Team weiterentwickeln und mit dem Auto weiter vorne stehen können, wenn ich Dinge teile und mich einbringe. Selbstbezogen bin ich in dem Sinne, dass ich sage: 'Ich teile mit dir meine Sachen, damit ich am Ende mit dir zusammen weiter vorne bin'. Mit dieser Herangehensweise behalte ich mir die Mentalität eines Einzelkämpfers, aber eben zusammen im Team.
In Katar und Imola warst du im Schnitt der schnellste aller sechs Alpine-Fahrer. Bedeuten dir solche Werte und Zahlen etwas?
Mick Schumacher: Egal ist mir das nicht. Ich will der Schnellste sein, das ist mein Ziel. Ich freue mich auch auf Le Mans, weil das die einzige Strecke ist, die ich noch nicht kenne. Da kann ich sehen, wie schnell meine Teamkollegen auf einer ihnen bekannten Strecke sind, und wie schnell ich mich an diese neue Situation gewöhnen kann.
Im Langstreckensport ist es oftmals schwierig, als Fahrer eines Teams hervorzustechen. Was würdest du als einen persönlichen Erfolg bezeichnen?
Mick Schumacher: Ich will weiterhin einfach meine beste Leistung bringen. Das würde ich am Ende der Saison als einen persönlichen Erfolg ansehen. Das ist meine erste Saison in der Hypercar-Klasse und auch unsere erste als Team. Da wäre es nicht fair, zu sagen, dass Platz fünf in der Meisterschaft unser Ziel ist. Wir schauen lieber, dass wir alle unsere beste Leistung zeigen und am Ende sehen, was dabei herauskommt.
Es hielten sich längere Zeit Gerüchte, dass dein Kumpel Sebastian Vettel dieses Jahr ebenfalls bei den 24 Stunden von Le Mans fahren würde. Dazu kam es nicht. Hättest du ihn gerne in Le Mans gesehen?
Mick Schumacher: Ich sehe Sebastian immer gerne, egal, wo! Ich habe die 24 Stunden von Le Mans selbst ja noch nie erlebt. Nach dem Rennen werde ich ihm vermutlich sagen, ob es sich lohnt, oder nicht.
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