Mit dem zweitägigen Prolog in Sebring (11./12. März) ist die Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC offiziell in die Saison 2023 gestartet. Auf der US-amerikanischen Buckelpiste trafen am Wochenende erstmals die LMH-Hypercars von Toyota, Ferrari, Peugeot, Glickenhaus und Vanwall/ByKolles auf die LMDh-Konkurrenz bestehend aus Porsche und Cadillac. Der Saisonauftakt erfolgt an gleicher Stelle am kommenden Freitag, 17. März mit dem 1.000-Meilen-Rennen.

Im Feld der elf Hypercars hinterließen die fünfmaligen Le-Mans-Sieger von Toyota zum Auftakt den besten Eindruck. Nicht nur sicherten sich die Japaner mit ihren beiden überarbeiteten Toyota GR010 Hybrid die ersten Plätze in der Ergebnisliste, auch spulten sie die meisten Kilometer auf der 6,019 Kilometer langen Buckelpiste mit ihren zahlreichen Bodenwellen ab.

Toyotas trennen 0,008 Sekunden

Jose-Maria Lopez im #7 Toyota gelang die Testbestzeit bereits am Samstagvormittag zum Auftakt des zweitägigen Prologs, der Argentinier umrundete den Kurs in 1:48.208 Minuten. Damit war Lopez nur 0,008 Sekunden schneller als Brendon Hartley (1:48.216 Minuten) im Schwesterauto mit der Startnummer #8. Der frühere Formel-1-Fahrer und amtierende Le-Mans-Sieger erzielte seine persönliche Bestzeit am Sonntagnachmittag zum Abschluss der Testfahrten.

Die Rundenzeiten auf dem früheren US-Flugplatz spielten bei Temperaturen von rund 30 Grad eine eher untergeordnete Rolle, gaben aber zumindest einen ersten Hinweis auf das Kräfteverhältnis. Wichtiger für die Teams und Hersteller: Daten sammeln und das Reifen-Management verstehen, nachdem ab dieser Saison in der WEC die Reifenwärmer verboten werden.

Die Toyota legten gemeinsam 587 Runden ohne größere Schwierigkeiten zurück und sammelten damit mehr als 3.500 Kilometer. Beim WEC-Saisonstart am kommenden Wochenende beträgt die Renndauer des 1.000-Meilen-Rennens rund acht Stunden, beim Rennen 2022 legte der siegreiche und inzwischen eingemottete LMP1 von Alpine bis zum Zieleinlauf 194 Runden zurück.

Toyota GR010 #7 mit Conway, Kobayashi, Lopez), Foto: Toyota Gazoo Racing
Toyota GR010 #7 mit Conway, Kobayashi, Lopez), Foto: Toyota Gazoo Racing

Cadillac und Porsche-Duo hinter Toyota

Hinter dem Toyota-Doppel reihte sich die Fraktion der drei LMDh-Autos geschlossen in der Zeitenliste ein. Der #2 Cadillac V-LMDh mit seinem einheitlichen Bosch-Hybridantrieb und dem Spec-Chassis schaffte seine beste Runde mit Richard Westbrook am Steuer in 1:48.429 Minuten - rund zwei Zehntel langsamer als die Toyota. Der Caddy, der sein Renndebüt bei den 24 Stunden von Daytona im Januar beim IMSA-Saisonauftakt gab, legte in Sebring 218 Runden zurück.

Auf den Plätzen vier und fünf reihten sich die beiden LMDh-Boliden von Porsche-Penske im Abstand von knapp drei Zehntelsekunden ein. Porsche-Werksfahrer Michael Christensen bugsierte den #5 Porsche 963 am Sonntagvormittag mit einer 1:48.957 auf den vierten Platz in der kombinierten Ergebnisliste. In der gleichen Session gelang Kevin Estre die schnellste Zeit des Schwesterautos mit der Startnummer #6. Porsche, das parallel mit zwei weiteren Werks-963 in der IMSA antritt, sammelte 433 Runden, was mehr als 2.600 Kilometern entspricht.

"Insgesamt war der Prolog für uns sehr arbeitsreich und hart", sagte Porsches LMDh-Leiter Urs Kuratle. "Wir hatten zwar keine gravierenden, aber dennoch einige kleinere Defekte an unseren Autos. Das bedeutete viel Arbeit bis tief in die Nacht hinein. Wir sind in den Sessions trotzdem viel gefahren. Dabei haben wir wichtige Daten im Hinblick auf das Rennen gesammelt. An der Detailabstimmung unserer Autos müssen wir noch arbeiten. Die Zeiten vom Test sind mit Vorsicht zu genießen. Ich glaube nicht, dass beim Prolog irgendjemand auf Zeitenjagd war."

Porsche 963 #5 mit Cameron, Christensen, Makowiecki, Foto: LAT Images
Porsche 963 #5 mit Cameron, Christensen, Makowiecki, Foto: LAT Images

Ferrari-Crash beim WEC-Prolog in Sebring

Nicht ganz rund lief der Sebring-Prolog für WEC-Topklassen-Rückkehrer Ferrari. Der #50 Ferrari 499P belegte in der Gesamt-Ergebnisliste den sechsten Platz. Nach insgesamt 221 Runden bescherte Werksfahrer Nicklas Nielsen dem brandneuen Hypercar am Sonntagnachmittag eine persönliche Bestzeit von 1:49.300 Minuten. Dem besserplatzierten Ferrari fehlten vor dem Renndebüt am kommenden Wochenende rund 1,1 Sekunden auf die Spitzenreiter von Toyota, die vor ihrer dritten Saison mit den Hypercars stehen.

Während Nielsen in der abschließenden Session am Sonntag angaste, war Ferraris Schwester-Mannschaft um Alessandro Pier Guidi, James Calado und Ex-Formel-1-Fahrer Antonio Giovinazzi zum Zuschauen verdammt. Der Brite Calado verunfallte mit dem #51 Ferrari 499P am frühen Sonntagmorgen während der Outlap in Kurve 1 und schlug in die Leitplanken ein. Die Ferrari-Mechaniker mussten in der Folge Schäden am Chassis sowie an der Aufhängung reparieren. Zuvor hatte Giovinazzi am Samstagnachmittag die Bestzeit im #51 Ferrari aufgestellt, die für Gesamtplatz neun reichte.

Ferrari 499P #51 mit Pier Guidi, Calado, Giovinazzi, Foto: LAT Images
Ferrari 499P #51 mit Pier Guidi, Calado, Giovinazzi, Foto: LAT Images

Ein Peugeot mit Problemen

Zwischen die beiden Ferrari-Hypercars quetschten sich die zwei Peugeot 9X8, die nach ersten Testrennen in der zweiten Jahreshälfte 2022 vor ihrer ersten vollen Saison in der WEC stehen. Der ehemalige Audi-Werksfahrer Nico Müller pilotierte den #94 Peugeot mit einer persönlichen Bestmarke von 1:49.302 Minuten (Sonntagvormittag) auf Platz sieben in der kombinierten Zeitenliste - zwei Tausendstelsekunden Rückstand auf den Ferrari.

Das Schwesterauto mit der Startnummer #93 (Paul Di Resta/Mikkel Jensen/Jean-Eric Vergne) landete mit einer durch den Dänen Jensen aufgestellten 1:49.658 in der selben Session auf der achten Position. Der Peugeot 9X8 des Trios konnte in Sebring nur 139 Runden zurücklegen, nachdem ein Unfall am Samstag mit einem LMP2-Auto sowie ein technisches Problem am Sonntag einiges an Streckenzeit kosteten und der #93 im Vergleich zum Schwesterauto (225 Runden) fast 100 Runden fehlten.

Peugeot 9X8 #94 mit Duval, Menezes, Müller, Foto: LAT Images
Peugeot 9X8 #94 mit Duval, Menezes, Müller, Foto: LAT Images

Vanwall vor Glickenhaus - DTM-Meister Götz zu Gast

Die letzten Plätze in der Hypercar-Kategorie teilten sich die Privatiers von Vanwall und Glickenhaus. Dabei setzte sich der von ByKolles eingesetzte Vanwall-Vandervell 680 im Duell der von reinen Verbrennungsmotoren angetriebenen Autos gegen die US-Konkurrenz durch. Tom Dillmann benötigte 1:50.038 Minuten für die beste Runde, während Teamkollege und Ex-Formel-1-Weltmeister Villeneuve mit einem GTE-Ferrari kollidierte.

Bei Glickenhaus erzielte Ryan Briscoe die Team-Bestzeit in 1:15.173 Minuten und wies nach insgesamt 160 Runden einen Rückstand von rund drei Sekunden zu den Werks-Toyota auf. Prominenter Gast bei Glickenhaus, aber - noch - nicht am Steuer: Maximilian Götz, der DTM-Meister von 2021, der von Mercedes-AMG dieses Jahr nicht für die DTM berücksichtigt worden ist.

Vanwall-Vandervell 680 #4 mit Dillmann, Guerrieri, Villeneuve, Foto: LAT Images
Vanwall-Vandervell 680 #4 mit Dillmann, Guerrieri, Villeneuve, Foto: LAT Images

LMP2: United Autosports vor WRT

Die Hypercars sind vor dem WEC-Saisonstart natürlich das ganz große Thema auf der Langstrecke, doch auch die LMP2-Autos sind stets für Spektakel gut. In Sebring sicherte sich das unter anderem von Zak Brown geführte United Autosports die Bestzeit in der zweithöchsten Kategorie: Der frühere DTM-Pilot Filipe Albuquerque setzte mit einer 15.577 die Bestzeit, rund zweieinhalb Zehntelsekunden vor Robert Kubica im WRT-LMP2. P3 in der Gesamt-Ergebnisliste ging an die junge Französin Doriane Pin (1:50.860 Minuten) im Prema-Prototypen.

GTE-Am: Porsche-Power und Project-1-Bestzeit

In der GTE-Am-Klasse, die nach dem Ende der GTE-Pro-Kategorie zum letzten Mal ausgetragen wird, bevor die GT3-Kategorie ab 2024 übernimmt, waren die Porsche-Kundenteams nicht zu schlagen. Matteo Cairoli am Steuer des 911 RSR vom neuen DTM-Team Project 1 gelang die beste Rundenzeit des Wochenendes in 1:59.253 Minuten. Die zweitschnellste GTE-Zeit ging auf das Konto von Michelle Gatting aus dem reinen Damen-Team Iron Dames, das von Rahel Frey und Sarah Bovy komplettiert wird.

Die Teams und Hersteller der WEC haben nun wenige Tage Zeit, um sich auf den bevorstehenden Saisonauftakt im US-Bundesstaat Florida vorzubereiten und die Daten von den Testfahrten auszuwerten. Das erste Freie Training wartet am kommenden Donnerstag, der Rennstart zu den 1.000 Meilen von Sebring erfolgt am Freitag. Im direkten Anschluss gastiert auch die IMSA-Serie zu ihrem zweiten Saisonrennen nach dem Auftakt in Daytona beim sogenannten 'Super Sebring'.

WEC-Prolog Sebring: Kombinierte Ergebnisliste Samstag/Sonntag

Pos.AutoFahrerZeitRunden
1Toyota-LMH #7Conway/Kobayashi/Lopez1:48.208286
2Toyota-LMH #8Buemi/Hartley/Hirakawa1:48.216301
3Cadillac-LMDh #2Bamber/Lynn/Westbrook1:48.429218
4Porsche-LMDh #5Cameron/Christensen/Makowiecki1:48.957226
5Porsche-LMDh #6Estre/Lotterer/Vanthoor1:49.285207
6Ferrari-LMH #50Fuoco/Molina/Nielsen1:49.300221
7Peugeot-LMH #94Duval/Menezes/Müller1:49.302225
8Peugeot-LMH #93Di Resta/Jensen/Vergne1:49.568139
9Ferrari-LMH #51Pier Guidi/Calado/Giovinazzi1:49.573116
10Vanwall-LMH #4Dillmann/Guerrieri/Villeneuve1:50.038147
11Glickenhaus-LMH #708Dumas/Briscoe/Pla1:51.173160