Nach fünf Jahren absoluter Toyota-Dominanz war es am vergangenen Wochenende soweit: Beim WEC-Rennen in Monza betrat mit Langstrecken-Rückkehrer Peugeot ein weiterer Hersteller die Bühne, um den Kampf mit dem japanischen Automobilgiganten aufzunehmen. Schon im Vorfeld war klar: Nach der erfolgten Homologation sollen die diesjährigen WEC-Läufe als Testprogramm unter realen Bedingungen für Peugeot dienen, um beim eigentlichen 'Debüt' 2023 startklar zu sein.
Entsprechend überschaubar fiel die Erfolgsbilanz der Franzosen beim ersten Einsatz seiner beiden Peugeot 9X8-Hypercars aus. Beim knappen Sieg von Privatier Alpine mit dem alten LMP1 vor den beiden Werks-Toyota sah nur einer der Heckflügel-losen Boliden die Ziellinie. Die #94 mit Loic Duval, Gustavo Menezes und James Rossiter (Nachfolger des ursprünglich eingeplanten Kevin Magnussen) lief nach einigen Problemen mit 25 Runden Rückstand ein.
Der Schwester-Peugeot #93 mit Paul Di Resta, Mikkel Jensen und Jean-Eric Vergne musste nach 46 der insgesamt 194 von Sieger Alpine absolvierten Runden vorzeitig wegen technischer Schwierigkeiten aufgeben. Schon im Qualifying am Samstag vor dem Renntag lief es nicht rund für das internationale Trio: Der Däne Jensen blieb während der Runs auf der Strecke liegen, das Auto musste vom letzten Startplatz beginnen.
Aussichtsreicher lief es für den #94 Peugeot, der sich hinter Pole-Setter Glickenhaus, dem #8 Toyota, dem Alpine und dem Schwester-Toyota mit der Startnummer #7 auf der fünften Position qualifizierte. Glickenhaus auf Pole? Richtig gelesen. Nicht zuletzt dank einer BoP-Anpassung stürmte die #708 des US-Privatiers mit Olivier Pla/Romain Dumas/Pipo Derani zum ersten Startplatz - mit 0,9 Sekunden Vorsprung auf den schnellsten Toyota!
Während der von Joest-Racing unterstützte Glickenhaus im Qualifying und auch in den Anfangsstunden des sechsstündigen Rennens in seiner eigenen Liga fuhr, bis er einem Turbolader-Schaden zum Opfer fiel, war für Peugeot die Werks-Konkurrenz von Toyota die erste Messlatte. Der Quali-Rückstand von etwa 0,9 Sekunden konnte sich beim ersten Auftritt des spektakulär anmutenden 9X8 durchaus sehen lassen.
"Wir sind happy mit der Pace des Autos", sagte später Peugeots Sportdirektor Olivier Jansonnie. Baustellen gibt es unterdessen genug vor dem nächsten 'Testrennen' im japanischen Fuji am 11. September 2022. Das #93-Auto litt an Problemen mit dem Ladedruck, während bei der #94 die Kühlung Ärger bereitete. "Im Kühler haben sich ein paar Gummiteile verfangen", klärte Jansonnie nach einer ersten Analyse an der Strecke auf.
Derartige Vorkommnisse hatte das Peugeot-Werksteam bei den zuvor rund 15.000 zurückgelegten Test-Kilometern auf unterschiedlichen Rennstrecken nur bedingt simulieren können. Jansonnie: "Wir haben viele Daten gesammelt zu den unterschiedlichen Abläufen in einem Rennen, wie Full Course Yellow, Safety Car oder dem Fahren im Verkehr. Das konnten wir vorher nicht testen, weil es schwierig ist, einen Test mit 30 Autos auf der Strecke zu simulieren... Zuhause erwartet uns jetzt einiges an Arbeit!"
Tatsächlich ging es in Monza, dem ersten WEC-Lauf nach den 24 Stunden von Le Mans, abwechslungsreich zur Sache. Der Glickenhaus-V8 konnte seine beeindruckende Pace aus dem Qualifying nahtlos in den Renn-Trim übertragen und arbeitete sich in den ersten zwei Rennstunden einen Vorsprung von mehr als 50 Sekunden heraus. Dieser wurde durch eine Safety-Car-Phase zunichte gemacht, ausgelöst durch einen heftigen Überschlag von Henrique Chaves im Aston Martin Vantage GTE von TF Sport.
Zu allem Übel kassierte der Glickenhaus auch noch eine Durchfahrtsstrafe wegen zu hoher Geschwindigkeit während einer FCY-Phase. Wenig später war das Rennen für die ambitionierte Mannschaft um Gründer Jim Glickenhaus wegen eines Turbo-Schadens vorzeitig beendet.
Den Sieg schnappte sich letztendlich der #36 Alpine A480 mit Matthieu Vaxiviere, Nicolas Lapierre und Andre Negrao. Das Trio konnte seinen Vorsprung in der Fahrer-Weltmeisterschaft bei noch zwei ausstehenden Rennen in Fuji sowie Bahrain gleichzeitig ausbauen. Beim Zieleinlauf betrug der Vorsprung auf den Zweitplatzierten #8 Toyota mit Ryo Hirakawa/Sebastien Buemi/Brendon Hartley nur 2,7 Sekunden.
Kritisch wurde es rund eine Stunde vor dem Rennende, als Vaxiviere zunächst den Toyota mit Hirakawa am Steuer kassierte und dann die Verfolgung zum führenden Kobayashi im #8 Toyota GR010 Hybrid aufnahm. Auf der Start/Ziel-Geraden bei rund 300 km/h Geschwindigkeit kam es plötzlich zur Kollision, als Kobayashi zuckte und dem Franzosen 'die Tür zumachen' wollte.
Der Verteidigungsversuch scheiterte, Kobayashi schlitzte sich den rechten Hinterreifen an der linken Frontpartie des Alpine auf, musste an die Box und kassierte obendrein eine 90-Sekunden-Boxengassen-Strafe. Mehr als der dritte Platz mit zwei Runden Rückstand auf den Alpine und das Schwesterauto war am Ende nicht drin.
Grund zur Freude hatte unterdessen das reine Damen-Team von Iron Dames Ferrari: Die frühere DTM-Pilotin Rahel Frey, Michelle Gatting und Sarah Bovy erzielten in der GTE-Am-Klasse den zweiten Platz hinter dem Klassensieger-Porsche von Dempsey-Proton Racing. Damit fuhren zum ersten Mal drei Damen in der WEC aufs Podium, nachdem Bovy dem Ferrari-Team zuvor bereits die erste Pole beschert hatte. Platz drei in der GTE-Am ging an das deutsche Team Project 1 mit dem #46 Porsche 911 RSR.
In der GTE-Pro-Kategorie gab es für Porsche mit den Plätzen vier und fünf für das von Manthey betreute Porsche GT Team hingegen nichts zu holen. Den Sieg schnappte sich stattdessen Corvette mit Nick Tandy und Tommy Milner - der erste WEC-Erfolg für den US-amerikanischen Autobauer seit 2015.
In der LMP2-Klasse triumphierte der #41 Realteam-WRT um Ferdinand Habsburg, Norman Nato und Rui Andrade vor dem #38 JOTA (Felix da Costa/Stevens/Gonzalez) und dem #3 Vector-Sport-LMP2 mit dem Schweizer Nico Müller und seinen Teamkollegen Sebastien Bourdais sowie Ryan Cullen.
diese WEC Nachricht