Die erste Schlacht ist geschlagen: Beim Prolog zur WEC-Saison 2016 wurden die Boliden in den Prototypen- und GT-Klassen erstmals zum direkten Kräftemessen aufeinander losgelassen. Besonders das neue Kräfteverhältnis in der LMP1-Klasse wurde mit Spannung erwartet. Porsche setzt beim 919 Hybrid auf Evolution, während der Audi R18 Baujahr 2016 praktisch nichts mehr mit dem Vorgängermodell gemeinsam hat. Toyota setzte mit dem TS050 Hybrid gleich auf ein vollkommen neues Auto. Motorsport-Magazin.com wagt sich nach zwei Testtagen und 17 Stunden Fahrzeit an eine erste Analyse in der LMP1-Klasse:

Die Bestzeiten

Wer der Schnellste war beim ersten Aufgalopp des WEC-Zirkusses, daran gab es absolut nichts zu deuteln: Porsche dominierte den Prolog von A bis Z. Nicht nur bei Betrachtung der absolut schnellsten Zeiten jeder Session lagen die Zuffenhausener mit dem überarbeiteten 919 Hybrid vorne. Auch in der Longrun-Pace war der neue LMP1-Bolide aus dem Hause Porsche einfach nicht zu bezwingen. Kombiniert über alle fünf Sessions gesehen konnte man den nächsten Verfolger, Toyota, um acht Zehntelsekunden distanzieren.

Toyota seinerseits scheint mit Audi zu diesem Zeitpunkt um die erste Verfolgerposition hinter Porsche zu kämpfen. Zwischen beiden Werken lag, sofern beide Boliden reibungslos unterwegs waren, stets weniger als drei Zehntelsekunden. Bei den Bestzeiten setzte sich am Ende Toyota durch dank der 1:38.273 aus der vierten Session. Audi blieb im LMP1-Kampf zwar nur die Rote Laterne, doch auf die Distanz gesehen operiert man absolut auf Augenhöhe mit der japanischen Konkurrenz.

Die Zuverlässigkeit

Wie die Kilometerbilanz schon erahnen lässt, hatte der Porsche zu keinem Zeitpunkt mit dem Defektteufel zu kämpfen. Die Strategie, eine Evolution statt einer Revolution am Weltmeister-Auto von 2015 vorzunehmen, erweist sich im Hinblick auf die Zuverlässigkeit als die Goldrichtige. Auch bei Toyota gab es kaum technische Defekte oder Probleme mit dem Auto zu beklagen. Lediglich am Samstagvormittag verlor der TS050 Hybrid einige aerodynamische Anbauteile, als man mit dem High-Downforce-Paket unterwegs war.

Das große Sorgenkind aus LMP1-Sicht war Audi. Die vier Ringe verpassten am Freitag jede Menge Streckenzeit, als man in der Mittagspause ein technisches Problem am R18 ausfindig machen konnte. Der Defekt konnte jedoch nicht behoben werden, weshalb man am Nachmittag nur 28 und am Abend gar nur vier Runden drehte. Auch bis zur vierten Session am Samstag wurden die Probleme nicht gelöst, weshalb man sich zu einem Chassis-Tausch entschloss. Von da an konnte man bei Audi das Testprogramm wieder ungehindert abspulen.

Die Laufleistung

Auch in diesem Bereich ist Porsche der LMP1-Krösus des Prologs. Der 919 Hybrid lief einwandfrei und spulte ein ausführliches Programm ab. Schon am Freitag legte der Porsche 227 Runden zurück, am Samstag kamen noch einmal 149 Runden drauf. Über beide Tage gerechnet legte man also 376 Runden zurück, was einer Distanz von knapp 2.200 Kilometern entspricht. Auch Toyota war fleißig. Am Freitag schafften die Japaner 151 Runden, am Samstag kamen noch einmal 115 Umläufe dazu, was zusammengerechnet 266 Runden oder ca. 1.550 Kilometer ergibt.

Das Sorgenkind in puncto Laufleistung war Audi, die durch die technischen Probleme am R18 am Freitagnachmittag und Freitagabend kaum zum Fahren kamen. Dementsprechend fällt die Rundenbilanz der Audianer mit 106 Runden am Freitag und 129 Runden am Samstag relativ dürftig aus im Vergleich zur Konkurrenz von Porsche oder Toyota. Etwas mehr als 1.370 Kilometer legte der R18 an beiden Testtagen zurück.

Rundenbilanz der LMP1-Autos von Porsche, Audi und Toyota

AutoSession 1Session 2Session 3Session 4Session 5Gesamt
Porsche74101527376376
Toyota5062395560266
Audi742846960235

Das Testprogramm

Interessant gestaltet sich ein Blick auf das Testprogramm der drei LMP1-Hersteller beim WEC-Prolog. Toyota schickte sein Fahrertrio mit der #5, Davidson/Buemi/Nakajima, mit dem Low-Downforce-Paket auf die Reise. Offiziell, um sich ein Bild davon zu machen, wie sich die unterschiedlichen Aero-Pakete im Rennbetrieb verhalten. In Wahrheit erprobte man bei Toyota aber schon sein Paket für den 24-Stunden-Klassiker in Le Mans, weshalb man fleißig Daten mit dem Low-Downforce-Paket sammelte. Am Samstag war das Trio mit dem Wagen #6, Sarrazin/Conway/Kobayashi, mit dem High-Downforce-Paket des TS050 Hybrid auf der Strecke.

Im Gegensatz dazu fuhr die Konkurrenz aus dem VW-Konzern, Audi und Porsche, sowohl am Freitag, als auch am Samstag mit dem High-Downforce-Paket. Beide Werke haben vor allem den Saisonauftakt in Silverstone im Kopf, wo man mit viel Abtrieb am konkurrenzfähigsten ist. Porsche testete am Freitag den 919 Hybrid #2 mit Dumas/Jani/Lieb, ehe am Samstag die #1 mit Bernhard/Webber/Hartley übernahm. Bei Audi brachte man an beiden Tagen das Trio mit der #7 ins Rennen, Fässler/Lotterer/Tréluyer. Nach dem Chassis-Tausch am Samstag wurde das Auto #8 kurzerhand mit der #7 beklebt. Das Trio im Auto #8, Di Grassi/Duval/Jarvis, wird den R18 am Ostersonntag und Ostermontag bei Privattests in Le Castellet ausführen.

Die Aussagen der Verantwortlichen nach dem WEC-Prolog

Andreas Seidl, Teamchef Porsche: "Nachdem wir hier in der Vorwoche mit unserem Testfahrzeug unterwegs waren, haben wir jetzt die ersten beiden neuen Chassis der 2016er Generation eingefahren. Für das Team war der Einsatz von zwei Fahrzeugen die Generalprobe vor dem ersten Rennen. Es gibt auch einige durch das Reglement bedingte Änderungen bei den Boxenstopps, die wir geübt haben. Die Fahrer sind zwar in den vergangenen Wochen viele Testkilometer gefahren, waren aber nun erstmals seit dem Finale in Bahrain wieder im Verkehr unterwegs. Wir haben mit dem Abschluss des Prologs unsere Ziele für die Saisonvorbereitung erreicht. Technik und Team sind bereit für Silverstone."

Toshio Sato, Teampräsident Toyota: "Es war schön, heute so viele Fans in Paul Ricard zu sehen. Aber ich war noch zufriedener damit, den TS050 Hybrid erstmals mit den Gegnern auf der Strecke zu sehen. Es war eine sehr intensive Vorbereitungszeit, deshalb möchte ich mich bei allen im Team für die harte Arbeit, die uns erst hierhin gebracht hat, bedanken. Das erste Rennen rückt näher und unsere Vorbereitungen sind schon fast abgeschlossen. Der Prolog war ein wichtiger Meilenstein und wir haben unsere wichtigsten Ziele erreicht. Diese lagen darin, die unterschiedlichen Aero-Pakete besser zu verstehen und unsere Vorbereitungen für den Saisonstart weiterzuführen. Ich bin zufrieden mit dem Verlauf der beiden Tage und mit dem starken Teamspirit bei uns. In Silverstone sehen wir, wo wir stehen. Wir haben immer noch Arbeit vor uns und geben Vollgas, um uns in die bestmögliche Position für den Saisonstart zu bringen."