Viel Unklarheit herrschte nach dem Saisonauftakt in Silverstone. Audi hatte das Rennen dominiert, doch Toyota trat noch mit dem alten Auto an, was zu einer schmerzhaften Niederlage führte. Nun sind die Kölner im Zugzwang: Will man in Le Mans eine Chance haben, muss der runderneuerte Toyota TS030 Hybrid jetzt stechen. Doch auch Audi lässt nicht locker und schickt eine Langheck-Version des R18 e-tron quattro ins Rennen, die versuchsweise getestet wird. Diese Variante ist jedoch für die langen Geraden in Le Mans optimiert, wodurch zu erwarten ist, dass sie rundenzeitentechnisch in Spa nicht mit den kürzeren regulären Modellen mithalten wird.

In Sachen Fahrern schöpfen beide Werksteams aus den Vollen: Die Auftaktsieger Tom Kristensen, Loic Duval und Allan McNish in der Startnummer 2 sowie Andre Lotterer, Benoit Treluyer und Marcel Fässler im Meisterfahrzeug treffen auf Anthony Davidson, Sebastien Buemi und Stephane Sarrazin im Toyota mit der Startnummer 8 sowie Alex Wurz und Nicolas Lapierre, die in Spa von ihrem regulären Teamkollegen Kazuki Nakajima unterstützt werden. Letzterer musste Silverstone wegen Terminüberschneidungen auslassen. Im Longtail-Audi nehmen Lucas di Grassi, Marc Gene und Oliver Jarvis Platz. Das Kräfteverhältnis ist wegen der neuen Toyota absolut undurchsichtig; es ist aber ein deutlich engerer Kampf als beim Auftakt zu erwarten.

Audi testet eine Longtail-Variante des R18 für Le Mans, Foto: Audi
Audi testet eine Longtail-Variante des R18 für Le Mans, Foto: Audi

Hinter den Werksteams geht Rebellion Racing wieder als Favorit in den Kampf der P1-Privatteams. Nick Heidfeld, Neel Jani und Nicolas Prost dominierten in Silverstone den Kampf hinter Audi und Toyota. Andrea Belicchi, Mathias Beche und Congfu Cheng werden versuchen, in Spa näher an die Teamkollegen heranzukommen. Eine große Enttäuschung wettmachen will die Mannschaft von Strakka Racing. Nach dem Ausfall durch Kollision in Silverstone steht Wiedergutmachung auf dem Programm. Um an den favorisierten Rebellion-Lola mit der Startnummer 12 heranzukommen, werden sich Nick Leventis, Danny Watts und Jonny Kane aber strecken müssen.

Viele offene Rechnungen in der LMP2

In der LMP2 steht ein Fünfkampf bevor: Die in Silverstone siegreiche Mannschaft von Delta-ADR wird sich mit den beiden Morgan-Nissan von OAK Racing und den Orecas vom Schwesterteam G-Drive Racing sowie Pecom Racing auseinandersetzen müssen. Tor Graves, Antonio Pizzonia und James Walker triumphierten in Silverstone, doch die ganz große Freude blieb bei G-Drive/Delta-ADR aus: Nachdem die Zeichen auf Doppelsieg standen, fiel das zweite Fahrzeug im Platzregen durch einen Dreher zurück. Der unglückliche John Martin brennt wie auch seine Teamkollegen Roman Rusinov und Mike Conway auf Wiedergutmachung.

Auch OAK Racing darf sich große Hoffnungen machen: Die französische Mannschaft war in Silverstone mit zwei Fahrzeugen an der Spitze dabei, hatte aber mit hohem Verschleiß an den Vorderreifen zu kämpfen. Es ist davon auszugehen, dass das Team von Sebastien Philippe das Problem in den Griff bekommen hat, womit die beiden Fahrzeuge von Olivier Pla, David Heinemeier Hansson und Alex Brundle sowie Bertrand Baguette, Ricardo Gonzales und Martin Plowman zu den Siegkandidaten zählen werden. Letztere verloren in England zusätzlich Zeit durch einen defekten Anlasser. Hier gibt es noch reichlich Potenzial.

Mit bei den Favoriten: Pecom Racing, Foto: Speedpictures
Mit bei den Favoriten: Pecom Racing, Foto: Speedpictures

Nach der sensationellen Aufholjagd in Silverstone ist auch mit Pecom Racing zu rechnen. Pierre Kaffer, Nicolas Minassian und Luis Perez Companc fuhren sich nach einer frühen Kollision noch bis auf P3 in der Klasse nach vorn. Auf die Favoritenliste würde auch gerne Lotus, doch hier steht in erster Linie die Aufbauarbeit beim neuen T128 im Vordergrund. Kevin Weeda, Vitantonio Liuzzi und James Rossiter sowie Thomas Holzer, Dominik Kraihamer und Jan Charouz werden in Spa versuchen, wichtige Daten für die weitere Entwicklung des Coupes zu sammeln. Neu in Spa dabei sind Jota Racing und ein Fahrzeug von Gulf Racing Middle East.

Für beide Klassen steht mit der Generalprobe für Le Mans auch ein Spagat an: Soll Performance geopfert werden, um das Auto in der Le-Mans-Konfiguration zu testen, oder stehen WM-Punkte im Vordergrund? Kein anderes Team kann dabei auf die Ressourcen von Audi mit einem zusätzlichen Auto zurückgreifen. Hier gilt es die Philosophie der einzelnen Rennställe abzuwarten. Weniger problematisch sollten die Überrundungen werden: Die 35 Fahrzeuge sollten sich auf den sieben Kilometern gut verteilen. Für Spannung sollte in beiden Prototypen-Klassen gesorgt sein.