Auch wenn er eigentlich schon mehrfach geplant hatte, in der MotoGP Schluss zu machen und seine Rennkarriere gemütlich ausklingen zu lassen, so bleibt Colin Edwards weiter fixer Bestandteil der MotoGP - und das ist auch gut so. Der Amerikaner bringt nicht nur auf der Strecke Leistung, sondern ist einer der Letzten, der so redet, wie es ihm Spaß macht und nicht nur PR-Phrasen drischt.

In unserem Special "Best of Motorsport-Magazin.com 2009" können Sie das Interview mit Edwards nachlesen, das in der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins erschienen ist. Darin spricht er über seine Saison, seine Konkurrenten, seine Zukunft und auch das Potential einiger deutscher Fahrer. Mehr Intervies und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Texas Tornado

Kaugummi kauen ist etwas für den Anfänger-Amerikaner. Colin Edwards kaut Kautabak, hat eine leere Monster-Dose als Spucknapf umfunktioniert und beantwortet kauender Weise die Fragen des Motorsport-Magazins.

MSM: Colin, wie beurteilst Du die bisherige Saison?
Colin Edwards: Es ist hart. Das ist wirklich hart dieses Jahr. Wirklich jeder fährt sehr gut, gerade die Top-Drei-Jungs sind sehr stark, die beiden Werks-Yamahas und Stoner sind extrem stark. Pedrosa kommt auch langsam wieder in Form. Es ist einfach hart dieses Jahr. Es ist wirklich ein sehr, sehr hartes Unterfangen.

Was ist der Unterschied zwischen den drei/vier Jungs an der Spitze und dem Rest der Welt?
Ich denke, Lorenzo und Valentino (Rossi), kommen im Schnitt immer als Erster oder Zweiter an. Das ist offensichtlich schwer zu schlagen. Was sie besser macht, weiß ich nicht. Wir haben auf dem Sachsenring ein paar neue Dinge bekommen. So Elektronik-Zeug. Das hatten die beiden schon eine ganze Weile vor uns. Das könnte einen Unterschied ausmachen.

Das "Mittelfeld" ist sehr eng beisammen und weit umfassend. Aber du bist da meist ganz vorne dabei. Was ist dann jetzt noch mal der Unterschied zwischen Dir und den anderen?
Um ehrlich zu sein: Ich denke, dass ich einfach gut fahre. Wir hatten ein paar Probleme zuletzt, das Motorrad ordentlich abzustimmen. Aber insgesamt denke ich, dass die Yamaha als solche schon ein gutes Paket und ein großartiges Bike ist. Aber puh, das ist wirklich sehr heikel. Für mich läuft es aber ganz gut. Wir haben verstanden, das Motorrad schnell abstimmen zu können. Es geht da nicht um Zentimeter hier und da, sondern wir drehen eben hier einen Millimeter und dort einen und das Bike ist fertig für mich. Es ist einfach ein gutes Paket. Die Yamaha ist wendig, lässt sich gut umlegen, hat ordentlich Power und alles scheint einfach gut zu sein. Und ich fahre natürlich auch ganz ok.

Lass uns über deinen Landsmann Ben Spies sprechen. Was sagst du zu ihm?
Er macht einfach einen unglaublichen Job. Die Jahre, die er mit Mat Mladin in der AMA gekämpft hat, waren gut für ihn. Es gab da eigentlich keinen, der eine Chance gegen die beiden hatte. Wir wissen alle, das Mladin ein starker und guter Fahrer ist. Und ganz offensichtlich ist das Ben jetzt auch. Ich denke, was er getan hat, ist beeindruckend und ich freue mich für ihn.

Und wer wird dort Weltmeister? Du bist ja auch schon gegen Haga gefahren und kannst das vielleicht ganz gut einschätzen.
Hm… Ich würde sagen im Moment stehen die Dinge nicht schlecht für Ben. Er hatte einen Rückstand von vielleicht 80/90 Punkten, dann waren es auf einmal nur noch 7. Das ist schon verrückt. Ich würde mich für Ben entscheiden.

Colin Edwards kann auch mit den 800ern leben, Foto: Milagro
Colin Edwards kann auch mit den 800ern leben, Foto: Milagro

Lass uns mal über die technische Zukunft sprechen. Manche wollen bei den 800ern bleiben, andere wollen zu 1000ccm zurückgehen. Du hast die Superbikes gefahren, warst auf den 990ern unterwegs und jetzt auf den 800ern. Was wäre für Dich der richtige Weg?
Das ist eine schwere Frage. Ich würde sagen, wo wir sind, ist okay. Für mich. Wenn ich irgendwas ändern müsste, dann, ich weiß nicht, das ist hart. Zurück zu 1000ern gehen würde ich vielleicht nein sagen. Wo wir sind ist okay. Wir haben genug Power. Der Top-Speed ist immer noch schnell. Ich glaube nicht wirklich, dass sie was ändern sollten. Wir hatten schon ein paar gute Rennen dieses Jahr, die für die Zuschauer wirklich super waren, so wie Barcelona, Laguna und Donington. Manch andere Rennen waren sicher langweilig. So wie Assen zum Beispiel. Da gab es nicht gerade viel Spannung für die Zuschauer. Aber ich weiß es wirklich nicht, was die Antwort ist.

Wäre es überhaupt noch möglich die 800er ohne Elektronik zu fahren?
In dem Falle würde ich dann doch lieber zu den 1000ern zurückgehen. Wenn wir ohne Elektronik fahren müssten, denke ich, wäre es wirklich besser, wieder dort hin zurück zu switchen. Denn da sind die Kurvengeschwindigkeiten etwas niedriger, du hast etwas mehr Beschleunigung und etwas weniger Schräglagen. Wie du weißt, bin ich ja die 1000er-Twins bei den Superbikes ohne Elektronik gefahren. Ich denke wirklich, dass 800er ohne Elektronik schwierig wären.

Lass uns mal zehn oder zwanzig Jahre in die Zukunft schauen - ich weiß ja nicht, wie lange Du noch fahren wirst - was macht Colin Edwards als Rentner?
In zehn Jahren wird meine Tochter 16 Jahre alt sein. Also werde ich vorsichtshalber eine Kanone mit mir herumtragen, überall, und immer hinter ihr herschleichen, um sie vor den Jungs zu beschützen. In zwanzig Jahren, sollte sie dann über 21 sein. Aber im Ernst: Ich weiß es nicht. Ich versuche nicht so viel über meine Zukunft nachzudenken. Ich bin in einem Sport, in dem wir hohe Risiken eingehen. Da gibt es eigentlich keinen Grund, zu viel Zeit mit Gedanken daran zu verschwenden, was in zehn Jahren sein wird. Was auch immer passiert, passiert. Mal sehen, wohin es mich verschlägt.

Was wäre aber für Dich zumindest einmal eine lohnendes Urlaubsziel? Wo würdest du gern mal ausspannen?
Das hat sich wirklich sehr geändert. Früher bin ich Rennen gefahren und war dann mal wieder ein Wochenende zuhause. Dann war dieses "Zuhause-sein" mein Urlaub. Jetzt, wenn ich nach hause komme, ist das mehr wie Arbeit. Ich habe zwei Kinder, um die ich mich kümmere. Die wollen mal spielen und dann ist mal dieses und mal jenes. Du hast immer etwas zu tun. Daher hat sich das etwas geändert. Ich komme jetzt zum Rennen und das ist für mich dann Urlaub. Ich komme hierher, sitze im Motorhome und kann relaxen. Ich freue mich aber trotzdem darauf, heim zu kommen. Und wegen Urlaubsziel: Solange meine Frau und meine Kinder um mich sind, ist alles prima.

Schaust du auch die Rennen der anderen Klassen?
Ja, ich schaue einfach alles. Die kleinen Klassen hier, die Superbike, die Supersports, die AMA, einfach alles.

Jonas Folger hat Colin Edwards beeindruckt, Foto: Milagro
Jonas Folger hat Colin Edwards beeindruckt, Foto: Milagro

Was denkst du über die Deutschen? Also Max Neukirchner und Jonas Folger zum Beispiel?
Max ist wirklich ein guter Fahrer - offensichtlich. Er hat ja auch schon ein paar Rennen gewonnen. Aber er hat dieses Jahr einfach sehr, sehr viel Pech gehabt. Der Monza-Unfall war wirklich schlimm. Aber, so schlimm wie der auch war, hatten dort viele Leute auch sehr viel Glück. Denn das hätte um einiges Schlimmer ausgehen können. Und dann wieder der Unfall von Max in Imola. Ich weiß einfach nicht, was da los ist. Er hat einfach so viel Pech, das kann man gar nicht beschreiben. Ich glaube aber, dass er dieses Jahr leider nicht auf dem besten Motorrad sitzt, was da draußen unterwegs ist.

Und was Jonas Folger angeht: Er ist einfach beeindruckend. Das Rennen in Jerez war der Oberhammer. Er kam von ganz hinten und fuhr ganz nach vorn und dann stürzte er. Ich hab mir damals nur so gedacht: Verdammte Schei**! Aber das Kind hat Talent. Auf jeden Fall!

Das Interview mit Colin Edwards wurde in der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: