Zugegeben: Es gäbe ganz viele Geschichten aus Termas de Rio Hondo zu erzählen. Ja, es gibt auch Protagonisten der Moto GP die populärer sind, als der junge Mann, dem wir heute diese Zeilen widmen. Wie viele Zuschauer wohl vor dem Rennsonntag jemals seinen Namen gehört hatten? Außerhalb Malaysias sicherlich nicht ganz so viele: Khairul Idham Pawi ist 17 Jahre jung und dafür verantwortlich, das die MotoGP-Fans weltweit seit gestern wissen, dass die malayische Nationalhymne kein musikalischer Knaller ist.

Der junge Mann mit dem Löwenkopf auf dem Hintern hat alle Anlagen ein echter Gassenhauer zu werden. Es war gerade einmal sein dritter Grand Prix. Den Asia Dream Cup hat er 2014 gewonnen - das asiatische Pendant zum Red Bull Rookies Cup. Alberto Puig ist für Honda der dafür angestellte Talentsucher. 2015 wurde der junge Herr Pawi Sechster in der spanischen Moto3. Alles schon nicht so schlecht für einen Jungen aus Kampung Gajah in der malaysischen Provinz Perak.

Gestählt im Verkehrs-Trubel Malaysias

Dort in der Nähe gibt es eine kleine Rennstrecke. Und man darf davon ausgehen, das KIP, wie Pawi auch genannt wird, dort ab sofort Heldenstatus genießt. Aber nicht nur dort! Der erste Grand-Prix-Sieger aus Malaysia hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Sein größtes Problem bei kompliziertesten Bedingungen am Sonntag war, dem für Moslems nicht akzeptablem Sektgelage nach der Siegerehrung auszuweichen. Und vorher im Rennen die ihn bremsen wollenden Signale seiner Crew zu ignorieren. Nicht wenige Berichterstatter versuchen sich immer noch von dem Schock zu erholen, der sich einstellte, als klar wurde, dass die Nummer 89 tatsächlich mit Slicks bereift dem Feld davon eilte.

So sehen Sieger aus: Pawi flankiert von Brad Binder und Jorge Navarro, Foto: KTM
So sehen Sieger aus: Pawi flankiert von Brad Binder und Jorge Navarro, Foto: KTM

Dabei hätten aufmerksame Beobachter gewarnt sein können. Spätestens nach dem Warm-Up, denn auch da flog Pawi quasi übers Wasser auf der Strecke. Wer schon einmal im malayiischen Straßenverkehr unterwegs war, versteht diese sensationelle Leistung ohnehin ein wenig besser. Denn dort ist es immer chaotisch und sehr oft auch mal rutschig. Was ja auch dadurch belegt wurde, dass auch der zweite Rookie aus Malaysia, Adam Norrodin, bis zur letzten Kurve um eine weitere Sensation kämpfte. Ein Doppelpodest für Malaysia war bis wenige Meter vor dem Ziel möglich.

Landsmann Norrodin als Schieber

Sensationell dann aber trotzdem noch wie Norrodin sein Bike schiebend in die Punkteränge beförderte. Anscheinend kommt da aus Malayisa etwas auf uns zu! Siehe auch Hafiz Syahrin in der Moto2. Oder siehe auch die unfassbare Stimmung in den letzten Jahren bei den WM-Rennen in Sepang. Als Ende der Neunzigerjahre dort das erste Mal gefahren wurde, konnte man die Zuschauer per Handschlag begrüßen. Jetzt ist das Rennen regelmäßig ausverkauft mit einer Stimmung wie im Kindergarten vor dem Weihnachtsbaum. Da steigt jetzt schon die Vorfreude auf das Rennen im Oktober. Zumal der Vorverkauf spätestens seit der Pawi-Show in Argentinien von selbst laufen dürfte.

Denn es war nicht einfach nur ein Sieg. Nein, es war eine Demonstration. Und zwar in Sachen Mut und Fahrgefühl. Livio Loi, der Einzige, der es auf weitest gehend feuchter Piste mit Regenreifen probierte, wird sich jetzt noch Fragen, wie der Moto3-Rookie seine Honda mit Slicks über die Pfützen fliegen ließ. 26 Sekunden Vorsprung hatte Pawi am Ende. Ein Resultat, geboren aus Mut und Können und einem unfassbaren Fahrgefühl. Denn ganz klar war Pawi der mutigste Löwe unter allen ohnehin schon sehr risikofreudigen Startern aller drei Klassen. Selbst die erfahrensten Chronisten dürften zustimmen, dass es solch eine Leistung zuvor selten gegeben hat. Und das auf einer Strecke, die der Asiate allerhöchstens von der Playstation kannte.

Adam Norrodin fehlte nur eine Kurvenkombination zur zweiten malayischen Sensation in Argentinien, Foto: Repsol
Adam Norrodin fehlte nur eine Kurvenkombination zur zweiten malayischen Sensation in Argentinien, Foto: Repsol

Man stelle sich das mal vor. WM-Rennen Nummer drei. So weit weg von zu Hause wie nie zuvor im Leben, extrem tückische Bedingungen. Und dann kommt zum ersten Mal an der Boxenmauer das Signal "Platz 1". Nervenflattern wäre da mehr als verständlich. Was ja auch die Crew um Honda Asia Teammanager Taddy Okada an der Boxenmauer deutlich sichtbar demonstrierte. Fast schon rührend, wie das betreuende Personal sich die Augen rieb und versuchte mit allen möglichen Gesten und Signalen, den jungen Mann langsamer zu machen.

Pawi war nicht zu bremsen

Pawis Antwort? Einfach noch schneller fahren! Es darf wirklich davon ausgegangen werden, dass am Renntag in Termas de Rio Hondo ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Und wer weiß, wie stolz die noch junge Nation Malaysia auf ihr Land und ihre Sportler ist, weiß auch, dass Khairul Idham Pawi nicht nur seinen persönlichen Traum erfüllt hat. Natürlich wird es auch wieder Rückschläge geben. Natürlich wird es eine harte Saison für den Jungen aus der malayischen Provinz. Aber spätestens seit er zum ersten Mal in der Motorrad-Weltmeisterschaft seine Nationalhymne gehört hat, weiß er, wie es geht.

Und das er Selbstvertrauen hat, weiß seit seiner heldenhaften Fahrt die ganze Welt. Zu gerne hätte ich nach dem Rennen bei der Datenanalyse von Fahrern wie Fenati, Bulega, Bastianini oder Öttl Mäuschen gespielt. Ich bin sicher, der eine oder andere der etablierten Fahrer wird sich immer noch verwundert die Augen reiben. Und ebenfalls darf man sich sicher sein, dass der Fahrer mit dem Kopf eines Löwen auf seiner Lederkombi nicht zum letzten Mal vor der Sektdusche seiner Rivalen geflüchtet ist. Die MotoGP-Szene hat einen neuen Helden. Khairul Idham Pawi. Fürwahr ein Märchen in der Pampa.