Unglaublich, aber wahr: Valentino Rossi liegt zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder in einer WM-Wertung in Führung. Mit einem furiosen und hart erkämpften Sieg in Katar wiederholte er somit, was ihm zuletzt 2010 - vor seinem Unterschenkelbruch und vor seinem unrühmlichen Ducati-Intermezzo - gelang.

36 Jahre ist Rossi mittlerweile alt, doch von seiner Passion für den Sport, von seinem Talent und von seinem unbändigen Ehrgeiz hat er nichts eingebüßt. Ebenso wenig wie von seiner Strahlkraft. Das merkt man besonders in Momenten, wenn die gelbe 46 den finsteren Nachthimmel über dem Losail Circuit erhellt.

Der 83. Sieg in der Königsklasse und der 109. in der WM insgesamt hatte etwas Magisches, das alle Tugenden des Dottore vereinte. Denn eigentlich rechnete am Sonntag kurz vor 20 Uhr niemand mit Yamaha - und mit Rossi erst recht keiner. In den Trainings offenbarten sich Defizite der Yamaha, Rossi und Lorenzo klagten öffentlich und der Großmeister sagte nach dem Training, dass er hoffe, sich zumindest einen Gang in das erste Qualifying-Segment ersparen zu können.

Harte Arbeit und Kampfkraft

Die Tüftler am Werk: Rossi mit Galbusera, Foto: Yamaha
Die Tüftler am Werk: Rossi mit Galbusera, Foto: Yamaha

Mit Startplatz acht als Rucksack und der Wut im Bauch verwarfen Rossi und Galbusera das Setup, stimmten die Yamaha am Sonntag komplett neu ab und fanden damit den Stein der Weisen. Rossis Lobeshymnen auf seine M1 wollten nach dem Fallen der Zielflagge gar nicht enden. Dank dieser harten Arbeit zog er am Sonntag an Lorenzo vorbei, der eigentlich das ganze Wochenende der schnellere der beiden Yamaha-Fahrer war.

Im Rennen bestach Rossi durch seine Kampfkraft und die unglaubliche Routine. Zwar kickte sich das favorisierte Honda-Duo früh aus dem Kampf um den Sieg, doch die Ducatis waren bis zur letzten Sekunde brandgefährlich und in vielen Segmenten eigentlich überlegen. "Aus dem Windschatten überholen konnten an diesem Tag nur die Ducatis", war sich Rossi nach dem Rennen sicher. Also ließ er Andrea Dovizioso nie ziehen und holte auf der entscheidenden letzten Runde genau in den Passagen, die der Ducati nicht so lagen, seinen Vorsprung auf seinen Konkurrenten heraus.

Valentino Rossi hat am Sonntagabend also in jeder Hinsicht ein Meisterstück abgeliefert. In dieser Form ist dem Italiener alles zuzutrauen. Ein achter MotoGP-Titel ebenso wie ein Comeback als Seriensieger. Und vielleicht spricht man ja bald auch wieder über die Zahl 122. Jenen magischen Wert Giacomo Agostinis, der seit Rossis Aufstieg zum Halbgott auf zwei Räder als letzte Hürde über seiner Karriere hängt. Mit dem Sieg in Katar fehlen nur noch 13 weitere Erfolge. Nach der Vorstellung vom Sonntagabend halte ich das nicht mehr für ausgeschlossen.