Lukas Tulovic holte in der abgelaufenen Saison im MotoE-Rennen in Spielberg seinen ersten großen Sieg auf internationalem Niveau. Die Moto2-Europameisterschaft beendete er nach einigen Podestplätzen auf dem dritten Rang der Gesamtwertung. Das Jahr 2021 war für den 21-jährigen Deutschen somit ein Erfolg. Wie sieht seine persönliche Bilanz aus? Und welche Pläne schmiedet er für 2022? Lukas Tulovic stand Motorsport-Magazin.com im Interview Rede und Antwort.

Lukas, in der MotoE gab es für dich in der abgelaufenen Saison den ersten Sieg, den du sehr emotional gefeiert hast. War dieser Erfolg die Genugtuung für die harte Arbeit nach einigen schwierigen Jahren für dich?
Lukas Tulovic: Durch diesen Sieg ist endlich diese riesige Last von meinen Schultern abgefallen. Ich war schon im vergangenen Jahr in Trainings oder Qualifyings oft schnell und habe damit gezeigt, dass ich über das nötige Potenzial verfüge. In den Rennen hat es aber nie geklappt und mir ist ständig irgendetwas in die Quere gekommen. Entweder habe ich es selbst vermasselt oder wurde von einem anderen Fahrer weit geschickt. Ich habe mich oft sehr darüber geärgert, weil ich den nötigen Speed für einen Podestplatz hatte. An diesem Wochenende in Österreich hat dann aber endlich einmal alles zusammengepasst. Besser als dort hätte es nicht laufen können.

Du bist darüber hinaus noch vier weitere Male in die Top-10 gefahren und hast die Gesamtwertung als Achter beendet. Wie fällt dein generelles Saisonfazit in der MotoE aus?
Lukas Tulovic: Trotz des Sieges gab es zu viel vergeudetes Potenzial. Ich war ein paarmal in der ersten Startreihe, habe Rennen angeführt und war im Kampf um Podien, aber es hat am Ende eben nur zu diesem einen Topresultat gereicht. Dieser eine Sieg ist nicht genug und ich ärgere mich im Nachhinein auch über den 8. Platz in der Meisterschaft. Das ist nicht, was ich mir erhofft hatte und was mein Ziel war. Ich werde aber nächstes Jahr vermutlich noch einmal die Gelegenheit haben, es besser zu machen.

Du wirst also eine dritte Saison in der MotoE bestreiten?
Lukas Tulovic: Ja, aller Voraussicht nach wird es eine dritte Saison für mich geben.

Kommen wir auf die Moto2-EM zu sprechen. Dort konntest du als Gesamtdritter abschließen, allerdings hattest du - wie alle Fahrer auf Kalex - gegen die beiden Boscoscuro keine Chance. Fermin Aldeguer und Alonso Lopez haben alle elf Rennen gewonnen, zehn davon mit Doppelsieg. Warum gab es dagegen kein Ankommen?
Lukas Tulovic: Das haben wir uns während der gesamten Saison auch gefragt. (lacht) Ich hatte oft genug die Chance, hinter beiden herzufahren und genau zu sehen, wie sich das Motorrad verhält und wie es arbeitet. Es war verblüffend und beeindruckend, wie sauber dieses Motorrad fährt, welch enormen Grip man damit hat und welche Linien die beiden Fahrer dadurch halten können. Uns hat über die gesamte Saison ein wenig Grip gefehlt und daher haben wir am Kurvenausgang viel Zeit verloren. Ich habe auch mit Leuten von Kalex und Technikern aus der WM gesprochen, die mir erzählt haben, dass diese Boscoscuro-Bikes - die ja als SpeedUp 2018 in der WM eingesetzt wurden - schon damals in diesem Bereich sehr stark waren. Vielleicht wurde seit 2018 noch etwas gefunden. Das Team war jedenfalls auch mit Personal aus dem WM-Team in der EM vor ort. Nichtsdestotrotz war unser Abstand zu groß. Das gilt es für nächstes Jahr zu verbessern und mit dem neuen Motorrad sollten wir viel konkurrenzfähiger sein. Denn dann bekommen wir die Bikes, die in der abgelaufenen Saison in der Moto2-Weltmeisterschaft im Einsatz waren.

Ist für eine weitere Saison in der Moto2-EM mit dem Intact-GP-Team im Jahr 2022 schon alles unter Dach und Fach?
Lukas Tulovic: Noch nicht ganz. Aber der Plan ist, so weiterzumachen wie diese Saison.

Wie zufrieden bist du generell mit deinem Jahr in der Europameisterschaft?
Lukas Tulovic: Generell bin ich sehr zufrieden. Ich bin ja schon einige Jahre dort unterwegs, habe aber noch nie mit einem derart professionellem Team mit so gutem Material zusammengearbeitet. Ich konnte mein Potenzial über die gesamte Saison konstant abrufen. Ich war bei jeder meiner Zielankünfte in den Top-4, bin leider aber auch zweimal gestürzt. Ich bin zuversichtlich, nächstes Jahr noch eine Schippe drauflegen zu können.

Wie sehr konntest du dich 2021 als Fahrer weiterentwickeln?
Lukas Tulovic: Sehr! In den Jahren 2019/20 ist sehr viel passiert und es gab ein sehr starkes Auf und Ab, wobei das Ab überwogen hat. Ich habe mich Ende der vergangenen Saison von Kiefer Racing und meinem alten Management getrennt und in meinem persönlichen Umfeld viel geändert. Ich hatte schon einige schwierige Phasen in meiner Karriere, in denen es auch Überlegungen gab, es sein zu lassen. Aber ich weiß, was ich kann und diese Saison hat mir von Anfang an wieder viel Motivation gegeben. Ich war in beiden Meisterschaften schon zu Beginn schnell und konnte um gute Positionen kämpfen. Diese Ergebnisse motivieren mich sehr stark für die nächsten Jahre.

Gibt dir die Saison 2021 Auftrieb, wieder ein Comeback in der Moto2-WM ins Auge zu fassen?
Lukas Tulovic: Ich wusste am Ende des vergangenen Jahres nicht, wie es weiter gehen soll und ob Moto2 überhaupt noch drin ist. Dank neuem Management, meinem Trainer und meinem Team, die alle an mich geglaubt haben, konnte ich in dieser Saison super arbeiten. Ich habe dadurch auch auf der mentalen Seite große Schritte gemacht. Nach den letzten zwei Jahren konnte ich wieder Selbstvertrauen aufbauen um nächstes Jahr noch stärker anzukommen.

Bist du noch in der Sportfördergruppe der Polizei?
Lukas Tulovic: Nein, seit Juni nicht mehr. Das war zwar eine gute Möglichkeit, ist vom Aufbau her aber wohl eher für Sportler gedacht, die nur wenige große Wettkämpfe im Jahr haben und ansonsten in der Halle trainieren. Für einen Rennfahrer ist das eher schwierig, da man so viele Rennen hat, oft unterwegs ist und sogar im Winter eigentlich dauernd nach Spanien muss um trainieren zu können. Da bist du irgendwann nur noch am Hinterherhinken, weil man in der wenigen Zeit, die man zu Hause ist, dann Klausuren nachschreiben muss und so weiter. Dieses Pensum war zu hoch und ich konnte dadurch meinem Sport nicht mehr so nachgehen, wie ich das muss. Mein Ausscheiden hat mir auf jeden Fall ein befreiendes Gefühl gegeben und prompt habe ich das erste Rennen danach in Österreich gewonnen.