Nach den verregneten Trainingstagen auf dem Twin Ring Motegi waren auch die Aussichten für das Rennen von Philipp Öttl trüb: 32. Startplatz und keine Vorbereitungszeit bei richtig trockenen Bedingungen, das war ein enormes Handicap, zumal der 17-jährige Pilot des Interwetten Paddock Moto3-Teams noch zuvor nie in Japan gewesen war, deshalb auch nicht auf Streckenkenntnisse vom Vorjahr zurückgreifen konnte und sich obendrein noch eine schwere Erkältung eingefangen hatte.

Doch Öttl, der sein Team schon bei etlichen anderen Rennen dieser Saison mit Top-Leistungen überrascht hatte, zauberte auch beim Japan-Grand Prix ein Kaninchen aus dem Hut. Nach dem unfreiwilligen Startverzicht in Australien eine Woche zuvor, der mittlerweile auf eine defekte Zündspule zurückgeführt wurde, war der Sohn des fünffachen Grand Prix-Siegers Peter Öttl doppelt motiviert und legte einen Raketenstart hin, mit dem er sich vom Ende geradewegs bis in die Mitte des Feldes katapultierte und als Zwölfter aus der ersten Runde zurückkehrte. Öttl kämpfte danach in einer stark besetzten Gruppe, wo er erfahrene Haudegen wie seinen Kalex-KTM-Markengefährten Jakub Kornfeil lange unter Kontrolle hielt, und fuhr am Ende um gut eine halbe Sekunde hinter Kornfeil und dem Belgier Livio Loi als 13. über die Ziellinie.

Die Leistung des bayerischen Teenagers war umso erstaunlicher, als das Training nahezu komplett ausgefallen war. In den Tagen vor dem Japan-Grand Prix hatte sich ein Taifun vom Pazifischen Ozean in Richtung der japanischen Küste bewegt, heftige Winde und schwere Regenfälle waren vorausgesagt worden. Am Ende drehte der Taifun ab, statt Sturmwetters legte sich am Ende eine dichte Nebeldecke über den zwei Autostunden nördlich von Tokyo gelegenen Twin Ring Motegi. Fürs Fahren hätten sowohl Sicht als auch die Streckenbedingungen mit dem mal stärker werdenden, dann wieder nachlassenden Regen ausgereicht. Doch weil ein Rettungshubschrauber, stationiert in der Provinzhauptstadt Mito, Startverbot hatte und damit die einzige Möglichkeit einer schnellen Evakuierung ins nächste Krankenhaus im Falle einer Verletzung fehlte, wurde das Freitagstraining zuerst verschoben und später endgültig gestrichen.

Am Samstagmorgen konnte der Helikopter endlich aufsteigen und sich auf die knapp zehnminütige Reise an die Rennstrecke machen, doch heftige Regenfälle und, wenig später, erneute Sichtbehinderungen warfen den Zeitplan abermals durcheinander. Ein einstündiges, improvisiertes Qualifikationstraining auf nasser Piste war alles, was den Piloten am Samstag noch an Vorbereitungszeit übrig blieb. Wegen eines Problems mit der Schaltung seiner Kalex-KTM und wegen eines immer wieder beschlagenden Helmvisier gelangen Philipp Öttl dabei nur fünf fliegende Runden - zu wenig, um sich mit der für ihn neuen, kunterbunt bergauf, bergab und durch zwei Tunnel führenden Strecke vertraut zu machen. Öttl, der überdies noch von einer Grippe geschwächt war, musste mit dem 32. Startplatz, dem magersten Qualifikationsergebnis der ganzen Saison, vorlieb nehmen. Als am Sonntagmorgen im von 20 auf 40 Minuten verlängerten Warm-Up dann endlich die Sonne hervorkam, fand er allmählich zu seinem Rhythmus und steigerte sich auf stellenweise immer noch feuchter Piste auf den 26. Platz, bevor er im Rennen mit seiner Topleistung glänzte.

"Wenn man bedenkt, wie das Samstagstraining verlaufen ist, wo Philipp auf der ihm neuen Strecke nur fünf gezeitete Runden gefahren ist und auf dem schlechtesten Startplatz in diesem Jahr landete, hat er im Rennen eine enorme Leistung gezeigt", anerkannte Vater Peter Öttl, Manager und Data Recording-Spezialist im Team. "Sein Start von Platz 32 auf 12 war phänomenal, mir ist fast unvorstellbar, wie er das gemacht hat. Das war der Schlüssel zum Erfolg. Danach fuhr er gleichmäßige Rundenzeiten und holte drei WM-unkte - wenn uns das jemand nach dem 32. Startplatz prophezeit hätte, hätte ich es nie geglaubt. Das war eine sensationelle Leistung. Einwandfrei!"

Philipp Öttl:
"Glücklicherweise habe ich mir die Strecke schon am Donnerstag genau angeschaut, außerdem bin auf der Playstation hier schon Rundenrekord gefahren, deshalb war mir der Streckenverlauf nicht ganz unbekannt. Mir liegt das harte Bremsen, ich fand schnell zu meinem Rhythmus, aber die erste Runde war natürlich besonders gut. Ich habe auch viel Glück gehabt, dass ich in keinen Sturz verwickelt worden bin wie einige andere. Ich habe zwar ausweichen müssen, fand aber meinen Weg vorbei. Das Motorrad hat gut funktioniert und ich konnte im weiteren Rennverlauf konstante Rundenzeiten fahren. Allerdings habe ich schon gespürt, dass ich ein bisschen krank bin, das hat sich dann zum Ende hin schon bemerkbar gemacht. Trotzdem war das Rennen gut, ebenso wie der gesamte Übersee-Trip. Wir hatten ein bisschen Pech in Phillip Island, doch alles in allem hat alles gepasst. Jetzt freue ich mich auf den Valencia Grand Prix. Mir liegt diese Strecke, mir taugts gut, und ich hoffe, abermals in die Punkte fahren zu können!"