Eigentlich standen die Zeichen vor dem Moto2-Rennen in Silverstone nicht auf einen Sieg für Tom Lüthi: Er war in Brünn vor zwei Wochen schwer gestürzt und hatte mit einer Gehirnerschütterung auf das Rennen verzichten müssen, auch in Silverstone tat er sich im Training schwer und startete nur vom zehnten Startplatz ins Rennen. Das Warm-Up endete ebenfalls wenig vielversprechend auf Rang zehn für den Schweizer, doch im Rennen lief es dann nach Maß. Lüthi setzte zu einer furiosen Aufholjagd an, übernahm früh die Führung und fuhr sich einen Vorsprung heraus, den er bis ins Ziel nicht mehr hergab.

Krasser Kampf mit Corsi

Schon vom Start weg hatte Lüthi eine gute Pace, auch wenn es ihm gar nicht so vorkam, wie er erklärt: "Mir war es nicht so krass bewusst. Am Start war ich im Getümmel, aber dann habe ich angefangen, zu spüren, dass ich auf der Bremse reinhalten kann. Dann habe ich langsam aufgebaut und der Rhythmus kam." Ein Mann allerdings hielt Lüthi in dieser Phase des Rennens lange auf. "Ich war ziemlich mit Corsi beschäftigt", schmunzelt er. "Wir haben uns auch richtig berührt, das war ein ziemlich krasser Kampf, aber ich konnte mich durchsetzen und habe dann gemerkt, dass ich schneller machen kann."

Dann traf Lüthi eine Entscheidung: Er wollte so schnell wie möglich vorne weg fahren. Eine riskante Strategie, wie er zugibt: "Wir hatten starken Wind auf der Geraden. Ganz vorne ist man da ohne Windschatten natürlich ein bisschen aufgeschmissen. Ich habe mir das taktisch alles überlegt, durch das ganze Rennen, aber schlussendlich hat es sich doch gelohnt, dass ich Druck gemacht habe." Einfach war das natürlich nicht, so Lüthi. "Ich war ziemlich am Limit", gesteht er. "Das Vorderrad und das Hinterrad, das ganze Motorrad hat sich bewegt. Die Strecke ist schon in einem argen Zustand von den Wellen her, aber ich konnte es kontrollieren." Seine Taktik mit dem frühen Attackieren betrachtet der Schweizer als Schlüssel zu seinem zweiten Saisonsieg.

Tom Lüthi hat sich von seiner Gehirnerschütterung gut erholt, Foto: Derendinger Racing
Tom Lüthi hat sich von seiner Gehirnerschütterung gut erholt, Foto: Derendinger Racing

Zarco-Rammaktion kommt Lüthi zu Gute

Profitieren konnte Lüthi außerdem von einem Kamikaze-Manöver von Johann Zarco, mit dem dieser Sam Lowes von der Strecke kegelte, womit die beiden ärgsten Verfolger des Schweizers wegfielen. Er schildert: "Ich habe das auf dem großen Screen gesehen. In Kurve 16 habe ich viel auf den Monitor geschaut. Da habe ich gesehen, dass Lowes mit dem Motorrad auf dem Boden lag und Zarco irgendwie involviert war. Aber ich wusste nicht, wo das genau war." Lüthis Mechaniker hatten nicht genug Zeit gehabt, um seine Boxentafel anzupassen, und so bekam er seinen neuen Vorsprung erst eine Runde später angezeigt. Dennoch behielt er einen kühlen Kopf und legte am Ende sogar noch eine schnelle Runde nach, um seine neuen Verfolger Morbidelli und Nakagami auf Abstand zu halten.

Seine Gehirnerschütterung aus Brünn hat Lüthi mittlerweile überwunden. "Es ist wirklich cool, dass ich mich das ganze Rennen konzentrieren konnte", seufzt er erleichtert. "Also vom Kopf her bin ich wirklich hundert Prozent fit." Die knappe Woche bis Misano will er nutzen, um auch körperlich wieder auf 100% Fitness zu kommen. Immerhin hat er nach seinem Sieg wieder realistische Chancen, Sam Lowes den dritten Platz im WM-Klassement streitig zu machen, es steht 137 zu 131 Zähler.