Damian, wenn man deine Karriere mit einer Achterbahn vergleicht, würdest du diesem Vergleich zustimmen?
Damian Cudlin: Ich denke, diese Bezeichnung trifft es ziemlich genau. Es gab in dieser Zeit viele schlechte Momente, aber auch viele Höhepunkte. Aber mir gefällt so etwas, dieses Auf und Ab macht meinen Beruf so interessant. 'Hey, that's Racing', würde ich sagen. Ich bekomme Momente geschenkt, die den meisten Menschen so vorenthalten bleiben. Etwa das Gefühl, einen Titel zu gewinnen oder der überraschende Einsatz 2011 in der MotoGP. Das war großartig.

2010 war deine bis dahin erfolgreichste Saison. Trotzdem standest du am Ende der Saison ohne Vertrag da...
Damian Cudlin: Nach meinem Titel in der IDM Supersport und dem Einsatz im Moto2-Rennen am Sachsenring auf der Kalex von Sito [Pons] nahm ich an, dass ich durch meine guten Leistungen einen Vertrag erhalte. Einige politische Dinge machten allerdings sämtliche Hoffnungen zunichte. Es gab einige Teams in der IDM oder in der Moto2, die großes Interesse zeigten, mich für die Saison 2011 unter Vertrag zu nehmen. Sämtliche Gespräche und Verhandlungen scheiterten allerdings an der geforderten Mitgift. Es war mir für die folgende Saison auch nicht mehr möglich, dasselbe Leben wie 2010 weiterzuführen, bei jeder Witterung und eisigen Temperaturen in einem Caravan zu wohnen. Aussagen wie: 'Willst du gewinnen oder geht es dir nur um das Geld', waren hierbei an der Tagesordnung. Für mich stand zu diesem Zeitpunkt allerdings fest, dass ich bei guter Arbeit auch Geld verdienen möchte. Kurz vor Beginn der neuen Saison kontaktierte mich dann Werner Daemen und bot mir einen Job in seinem Team auf einer BMW in der IDM Superbike an. Das Angebot war sehr verlockend, zumal ich auch ein Gehalt bekam. Kurze Zeit später war der Deal fix.

2011 verlief ähnlich. Du warst in drei verschiedenen Meisterschaften im Einsatz...
Damian Cudlin: 2011 war genau wie 2010 eine unglaubliche Saison. Die Höhepunkte waren natürlich ganz klar meine Auftritte in der MotoGP. Der Anruf kam damals, als ich im Auto saß. Ich hätte vor Schock und Aufregung fast einen Unfall gehabt. Selbst auf dem Weg nach Japan am Flughafen dachte ich immer wieder: 'Hey, das muss ein Witz sein.' Diese zwei Wochenenden werde ich nie vergessen. Der Tiefpunkt war natürlich die Endurance-WM. Wir haben den WM-Titel um 30 Sekunden verfehlt, nicht zu fassen. Katsuyuki Nakasuga hatte Sébastien Gimbert am Anfang des Rennens abgeschossen und wir verloren viel Zeit in der Box, um die nötigen Reparaturen durchzuführen. In der IDM konnte ich zeigen, dass ich um den Titel kämpfen kann. Die BMW war ein sensationelles Paket, allerdings hatten wir über die gesamte Saison Probleme mit den Reifen. Aber 2011 ist Geschichte.

Das Aus bei BMW kam plötzlich und spät, Foto: Toni Börner
Das Aus bei BMW kam plötzlich und spät, Foto: Toni Börner

Der nächste Tiefschlag ließ nicht lange auf sich warten...
Damian Cudlin: Eigentlich wollte ich meine Karriere in der IDM fortsetzen, allerdings bekam ich zwei Tage vor Weihnachten einen Anruf von meinem Teamchef. Alle eigentlich per Handschlag besiegelten Vereinbarungen sollten sich zu unakzeptablen Bedingungen ändern. BMW war danach weiterhin bemüht, mich in der IDM Superbike auf ihrem Motorrad zu halten, was allerdings zu diesem späten Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Verstanden habe ich all diese Umstände zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich, da ich ja auch im Glauben, weiterhin IDM Superbike zu fahren, einige Angebote die Wochen vorher abgelehnt hatte. Dadurch waren meine Optionen zu diesem späten Zeitpunkt der Saison sehr begrenzt.

Hattest du zu diesem Zeitpunkt Selbstzweifel?
Damian Cudlin: Ja, irgendwann stellt man sich natürlich die Frage, ob man selbst irgendetwas falsch macht. Aber ich denke, es spielen zu viele Dinge eine Rolle, um am Ende für alle Seiten eine vernünftige Lösung zu finden. Solange von Fahrern solche unglaublichen Summen als Mitgift gefordert werden, sollten sich die Bedingungen in den nächsten Jahren allerdings kaum ändern. Ich denke, nicht nur ich, sondern auch andere Fahrer stehen vor jeder neuen Saison vor solchen Problemen. Ich wollte aber an meiner Meinung festhalten, ich war trotz allem nicht bereit zu zahlen, um Rennen zu fahren.

Ein Höhepunkt war sicher das Angebot, Loris Capirossi im Pramac-Team zu ersetzen.
Damian Cudlin: Am Anfang stand die vollkommen überraschende Anfrage durch das Team und die überstürzte, lange Anreise nach Japan. Das Wochenende in Motegi war wirklich nicht einfach. Als ich dann am Freitag in der Box meine Arbeit aufnahm, war alles neu für mich. Ich musste die Strecke komplett und das Motorrad richtig fahren lernen. Außerdem versuchte ich, so schnell wie möglich die Menschen in der Box kennenzulernen und ihre Arbeitsweise zu verstehen. Die Repsol-Hondas dominierten die freien Trainings und das Qualifying, doch ich konnte mich vom sechs Sekunden Rückstand im ersten freien Training auf 2,7 Sekunden Rückstand im Rennen an die Spitze heranarbeiten. Im Rennen selbst hatte ich einen guten Fight mit Akiyoshi. Als ich merkte, dass ich schneller als er fahren kann und angreifen wollte, stürzte ich. Die Jungs von Pramac sagten mir später in der Box, ein Stein hat meinen Kühler zerschlagen und ich bin aufgrund austretender Flüssigkeit ausgerutscht.

Dann kam das Heimrennen in Australien, welches schmerzhaft endete...
Damian Cudlin: In Australien waren dir Vorzeichen anders. Ich kannte das Bike und die Strecke, außerdem genoss ich große Aufmerksamkeit durch die Medien. Auf Phillip Island angekommen, hatte ich den Eindruck, meine ganze Heimatstadt ist angereist, um mich zu unterstützen. Der Freitag war OK. Ich war zwar Letzter, aber ich war nicht weit weg von der Gruppe mit Elias, Abraham und Capirossi. Selbst auf Rossi fehlten mir im zweiten freien Training nur 1,5 Sekunden und ich war zuversichtlich, mich weiter verbessern zu können. Am Samstag hatte ich dann in der Honda-Kurve bei tiefen Temperaturen einen üblen Highsider. Das Kuriose war die Art des Highsiders in der Anfahrt zur Kurve. Ich hatte vorher so etwas noch nie gesehen oder selbst erlebt. Die Bridgestone-Reifen haben mich in dem Moment sehr überrascht, wie viele andere Fahrer letzte Saison.

Auf Phillip Island waren die Schmerzen zu groß, Foto: Aspar Team
Auf Phillip Island waren die Schmerzen zu groß, Foto: Aspar Team

Du hattest am Sonntag im Warm-Up einen erneuten Versuch unternommen zu fahren, an einen Start war jedoch nicht zu denken?
Damian Cudlin: Ich wollte unbedingt starten. Obwohl im Gegensatz zur allgemeinen Annahme nicht die Abschürfungen der Grund für die Absage waren. Es wurde ein Bruch im Beckenbereich diagnostiziert. Die Regeln der Dorna sagen allerdings, dass man als Fahrer zu einhundert Prozent fit sein muss, um zu starten. Ich entschied mich in diesem Moment gegen eine Röntgenuntersuchung, da ich nicht wollte, dass die Ärzte über meinen Start entscheiden. Am Sonntagmorgen habe ich einen erneuten Versuch unternommen, aber die Schmerzen waren zu stark. So habe ich mich entschlossen, auf das Rennen zu verzichten. Einer der schlimmsten Momente in meiner Karriere.

In einem Interview zum GP am Sachsenring 2010 sagtest du, deine Nationalität steht deiner Karriere im Weg...
Damian Cudlin: Zu diesem Zeitpunkt hatte niemand Interesse an einem weiteren australischen Fahrer. Unser Land hat viele gute Fahrer, aber die Industrie hat einfach kein Interesse daran, einen Motorradpiloten zu unterstützen. Selbst Casey Stoner hat keine australischen Sponsoren. In meiner Heimat genießen andere Sportarten das Interesse der Öffentlichkeit. Würde ich Tennis, Golf oder Rugby spielen, könnte ich gut verdienen. Das Problem liegt auch in den Zeiten der Fernsehübertragungen. Da ein großer Teil der Rennen in Europa stattfindet und so eine Live-Übertragung eines MotoGP-Rennens in meiner Heimat an der Westküste Australiens in der Nacht zum Montag um 0:00 Uhr startet, verfolgen viele Menschen den Sport eher unregelmäßig. Ich hatte dieses Jahr das Glück, von der Dorna Unterstützung zu bekommen. Das Interesse des Promoters lag darin, nach dem Weggang von West auch in 2012 in jeder Klasse einen Australier zu sehen. Es nutzt niemanden etwas, wenn zur MotoGP die Ränge voll sind und sich in den kleinen Klassen die Zuschauer mit anderen Dingen beschäftigen und die Tribünen verlassen, um einen Hot Dog zu essen.

In der kommenden Saison betrittst du die WM-Bühne als Permanentstarter. Wie kam der Deal mit QMMF zustande? Spielte dein Fürsprecher Sito Pons dabei eine Rolle oder dein Bruder Alex?
Damian Cudlin: Keiner der Beiden. Sito Pons hat mich in der Vergangenheit oft gepusht, unterstützte mich auch bei meinem MotoGP-Abenteuer. Man könnte sagen, er ist ein Fan von mir. Aber die Hauptrolle spielten hierbei die Dorna und Moriwaki. Moriwaki wollte meine Meinung wie, sie das Chassis verbessern könnten und die Dorna wollte einen Fahrer aus Australien. So war das QMMF-Team die beste Option. Es arbeiten gute Leute in dem Team und das Motorrad hat viel Potential, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns.

Die Entwicklung der Paydriver scheint in jüngerer Vergangenheit zur Regel zu werden. Wie beurteilst du diese Entwicklung?
Damian Cudlin: Diese Entwicklung ist natürlich ein Problem und die Folgen kann man noch nicht richtig abschätzen. Sicher ist es in einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit schwierig für alle Beteiligten und Sponsoren, frisches Geld aufzutreiben, aber man kann diese Lücke nicht mit dem Geld der Fahrer schließen. Man sollte bedenken, dass der Beruf Rennfahrer ein Job wie jede andere Tätigkeit ist. Jeder, der täglich zur Arbeit geht, möchte für seine Leistung letztendlich entlohnt werden. Ich denke, diese Entwicklung hat zur Folge, dass man zwar immer noch gute Fahrer in den Rennen sieht, allerdings nicht mehr die Besten. Die Zuschauer an der Strecke und an den Fernsehgeräten wollen aber die Besten sehen. Eine Möglichkeit wäre eine Art Gewerkschaft und eine Gehaltsuntergrenze. Aber solche Dinge brauchen Zeit.

Damian Cudlin geht neue Wege, Foto: Milagro
Damian Cudlin geht neue Wege, Foto: Milagro

Um doch etwas Budget für dich selbst aufzutreiben, hattest du unlängst den "Damian Cudlin's Convict Club" gegründet...
Damian Cudlin: Ja, doch finanzielle Interessen waren nicht der einzige Grund. Natürlich freue ich mich, wenn ich durch die generierten Beträge meiner Fans etwas entlastet werde und verschiedene Dinge, wie zum Beispiele Flüge, Aufenthalte in Hotels, einen Mietwagen oder tägliche Dinge wie Miete bezahlen kann. Vielmehr versuche ich, die Leute durch den Club ein Teil meiner Karriere, meines Lebens werden zu lassen. So bekommen Mitglieder News vor der Presse, begleiten mich durch die Saison und erhalten diverse Fanartikel.

Zurück in die Zukunft. Die ersten Tests in Valencia und Jerez verliefen nicht unbedingt optimal. Unter anderem hast du am dritten Tag in Jerez deine Moriwaki ziemlich zerstört...
Damian Cudlin: Sicher, es ist nicht unbedingt optimal gelaufen. Aber es gibt bei diesen ersten Tests viele Faktoren. Zuerst muss man die Zeiten aller Fahrer mit Vorsicht betrachten, alle fahren unterschiedliche Motoren und die Zeiten wurden von den Teams selbst bekannt gegeben, da es keine offizielle Zeitnahme gab, sie entsprechen nicht immer der Wahrheit. Wir fuhren zum Beispiel einen Standard-Motor. Vielmehr ging es erst mal darum, das Team kennenzulernen, die Arbeit in der Box zu verfeinern. Nachdem ich jetzt einige Zeit mit meinem Mechaniker und Freund Lars alle Dinge erarbeitet hatte, musste ich mich auch auf meinen neuen Mechaniker Marco aus Brasilien einstellen. In solchen Anfangszeiten geht es um eigentlich banale Dinge. Jeder muss wissen, was er zu tun hat und alle Beteiligten sollten sich bei ihrer Arbeit wohlfühlen. Aber auch am Bike selbst warten noch einige Dinge auf mein Team und mich.

Was sind deine Ziele für 2012, was hast du dir vorgenommen?
Damian Cudlin: Gut, ich vermute, wir werden am Anfang nicht zu stark sein, aber das Ziel heißt, sich von Rennen zu Rennen zu steigern und regelmäßig Top-10-Plätze einzufahren. Die Konkurrenz ist in dieser Klasse dicht beieinander und es gibt einige Top-Talente, wie zum Beispiel Marquez. Außerdem muss ich die meisten Strecken erlernen, was an einen Rennwochenende durch die knappe Zeit sehr schwer ist. In der zweiten Saisonhälfte sollten einige Überraschungen gegen die Übermacht der Motorräder von Kalex und Suter möglich sein. Vor allem aber versuche ich, die Zeit zu genießen, ich habe lange und hart dafür gearbeitet.