Stefan Bradl hat 2011 einen souveränen Saisonstart hingelegt, der am Ende die Grundlage für den WM-Titel auf dem deutschen Fabrikat Kalex bilden sollte. Insgesamt elf Podeste, darunter vier Siege, und sieben Pole Positions sprechen eine klare Sprache. Allerdings stand die WM-Krone - die erste im Grand-Prix-Straßenrennsport für Deutschland seit dem Titel von Dirk Raudies 1993 - im letzten Saisondrittel auch manchmal auf der Kippe. Bradl wurde vom Spanier Marc Marquez kräftig eingeheizt.

Nach sechs von 17 Rennen sah Bradl für viele schon wie der sichere Weltmeister aus. 62 Punkte Vorsprung hatte er sich bis zum Lauf in Silverstone erarbeitet, in den ersten sechs Läufen stand er nur einmal nicht auf dem Podest. Als Bradl dann auch noch im Regen - welchen er eigentlich nie besonders mochte - von Silverstone triumphierte, schwebte Motorrad-Deutschland schon auf Wolke sieben. Damals ahnte man noch nicht, wie eng und spannend die Saison noch werden würde.

Bradl lag nach Silverstone 62 Punkte vor Simone Corsi aus Italien. Im Verfolgerfeld herrschte noch überhaupt keine Einigkeit. Erst beim neunten Saisonlauf sollte einem anderen Piloten das glücken, was Bradl schon nach fünf Rennen geschafft hatte: über die Marke von 100 Punkte zu kommen.

Dass sich Marquez als Hauptverfolger herauskristallisierte, ist bekannt. Doch was der Spanier abfackelte, verdient hohen Respekt. Denn als Bradl Silverstone mit 62 Punkten Vorsprung auf Corsi verließ, lag Marquez gar nur auf Rang acht der WM-Tabelle - und lag 82 Zähler zurück.

Ein kleiner Fehler in Assen kostete Bradl rund neun Punkte. Er stürzte bei schwierigen Bedingungen gegen Rennende und ärgerte sich immens über sich selbst. Das Rennen gewann Marquez, doch das war noch lange kein Weltuntergang.

Stefan Bradl hatte es 2011 beim Titelkampf schwieriger als wohl so manch einer zu Saisonbeginn gedacht hätte, Foto: Milagro
Stefan Bradl hatte es 2011 beim Titelkampf schwieriger als wohl so manch einer zu Saisonbeginn gedacht hätte, Foto: Milagro

Bradl fletschte Woche für Woche weiter die Zähne, fuhr aber eben auch mit Köpfchen. Wenn ein Sieg nicht drin war, war er einfach nicht drin. In Assen, Italien und Deutschland hieß der Sieger jeweils Marquez, Bradl wurde zwei Mal Zweiter. Doch gerade auf dem Sachsenring hätte der Bayer gern gewonnen. An der Unterstützung der Fans lag es nicht, doch Marquez hatte in den letzten Runden die bessere Taktik und siegte seinerseits.

In Brünn holte Andrea Iannone seinen zweiten Saisonsieg. Bradl hatte erneut lange geführt, doch dann kamen der Italiener und Marquez doch noch vorbei. So weit so gut. Oftmals hatte man schon vorgerechnet, dass wenn Marquez jedes Rennen bis zum Saisonende gewinnen würde, dem Viessmann-Kiefer-Piloten jedes Mal Rang zwei reichen würde, um Weltmeister zu werden. Aber natürlich rechnete auch jeder damit, dass Bradl noch Mal vor Marquez ins Ziel kommt. Von dem Gesichtspunkt her verlor der Deutsche in Brünn nur vier Punkte, anstelle der fünf.

In Indianapolis war die Podest-Serie zu Ende. Bradl holte Rang sechs und zeigte, dass er. auch wenn es nicht so gut läuft, zur WM-Spitze gehört. Marquez legte dort wieder den Grundstein für drei Siege in Folge. In San Marino fuhr der Zahlinger wieder als Zweiter mit aufs Podest, in Aragon reichte es nach technischen Problemen nur zu Rang neun.

Die WM ging in die entscheidende Phase - und Bradl war immer ganz vorn mit dabei. Allerdings wendete sich das Blatt in Japan. Während Iannone seinen dritten Saisonsieg feierte, wurde Marquez Zweiter, Bradl Vierter. Aus dem 62-pünktigen Vorsprung war ein Ein-Punkt-Rückstand geworden.

Beim nächsten Rennwochenende auf Phillip Island war Marquez plötzlich der Gejagte und der Spanier zeigte Nerven. Im ersten freien Training stürzte er in der Anfangsphase, sein Team flickte die Suter wieder zusammen und er rückte noch mal aus. In der Auslaufrunde knallte er Ratthapark Wilairot dermaßen heftig ins Heck, dass der Thailänder ins Krankenhaus musste. Marquez hatte Glück, sich nicht schlimmer zu verletzen - und dass er nicht für das Rennen gesperrt wurde.

Zu Saisonende drehte sich die Situation in der Weltmeisterschaft wieder zugunsten von Stefan Bradl, Foto: Milagro
Zu Saisonende drehte sich die Situation in der Weltmeisterschaft wieder zugunsten von Stefan Bradl, Foto: Milagro

Während Bradl im Rennen die Führungsarbeit übernahm, preschte Marquez vom letzten Startplatz aus los, um schließlich Dritter zu werden. In der letzten Runde ging Alex de Angelis an Bradl vorbei in Führung, der wollte das Rennen aber selbst gewinnen und ritt ein Manöver, bei dem sich beide berührten. Gott sei dank blieben sie sitzen, doch der Sieg ging an de Angelis - wie schon im Vorjahr. Zwei seiner drei GP-Siege holte der 27-Jährige aus San Marino auf Phillip Island.

Bradl reiste also wieder mit drei Punkten Vorsprung zum Malaysia-Rennen. Dort flog Marquez im ersten Training erneut ab. Es war der dritte schwere Sturz innerhalb einer Woche, auch wenn der Suter-Pilot in Sepang selbst nicht viel dafür konnte. Er war auf einer nassen Stelle ausgerutscht, die von keinem Streckenposten angezeigt wurde.

Marquez sollte das Sepang-Rennen nicht mitfahren, da er auf seinem linken Auge nicht klar blicken konnte. Bradls erster Matchball. Doch das Moto-2-Rennen wurde frühzeitig abgebrochen und so konnte der Bayer die finale Attacke gegen den Schweizer Tom Lüthi, den er vorbeigelassen hatte, um dessen Linie zu studieren, nicht reiten. 23 Punkte Vorsprung bei noch 25 zu vergebenden Zählern bedeutete für Valencia, dass Bradl mindestens 13. werden musste - Platz 14 und 2 Punkte hätten bei einem Sieg von Marquez zu Punktgleichstand geführt, der Spanier hatte mehr Siege.

Der WM-Kampf selbst wurde dann von Mittwoch, dem 2., bis Samstag, dem 5. November 2011 ausgefochten. Aber eben nicht auf der Strecke. Marquez' Team schickte eine Pressemitteilung mit der Überschrift "Marc fährt nicht". Im Text selbst behielt man sich aber vor, doch an den Start zu gehen. Bradl blieb ruhig, lehnte jegliche Glückwünsche ab und sah sich selbst erst am Valencia-Samstag als Weltmeister an, als Marquez keine Qualifikationsrunde gefahren und damit wirklich endgültig aus dem Rennen war. Der Sturz am Sonntag bei schwierigen Bedingungen konnte die Freude über den ersten WM-Titel im Hause Bradl nicht trüben.