Der Artikel wurde in der 77. Ausgabe des Printmagazins von Motorsport-Magazin.com am 18. März 2021 veröffentlicht.

Julius Seebach ist der neue Leiter Audi Motorsport. Der 37-Jährige hat mit Motorsport-Magazin.comüber die Ausstiege aus DTM und Formel E, die neuen Werksprogramme und die Zusammenarbeit mit Porsche gesprochen.

MSM: Herr Seebach, Sie sind seit 01. Dezember 2020 neben Ihrer Funktion als Geschäftsführer der Audi Sport GmbH der neue Leiter Audi Motorsport. Wie haben Sie sich in Ihrer neuen Rolle eingelebt?

JULIUS SEEBACH: Sehr gut. Ich spüre großen Enthusiasmus in unserer Mannschaft. Wir haben ein starkes und nach vorne gerichtetes Programm.

Ihnen ist seit Ihrem Eintritt in die Audi AG im Jahr 2015 ein rasanter Aufstieg im Konzern gelungen. Sie blicken allerdings nicht auf eine konkrete Vergangenheit im Motorsport zurück. Was befähigt Sie zum Leiter von Audi Motorsport?

Neben der Begeisterung für den Motorsport ist es wichtig, ihn als Teamsport zu verstehen. Meine Führungsaufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass im Audi Motorsport alle Zahnräder ineinandergreifen und wir auf jeder Position die besten Experten haben. Ich werde nicht Derjenige sein, der am Kommandostand steht und Befehle vorgibt, ich werde mich auch dort auf meine Experten verlassen. Es geht mir darum, den Motorsport zukunftssicher auszurichten und erfolgreich zu machen.

Das bedeutet?

Mir ist wichtig, dass wir die ausgewiesene Racing-Expertise unseres Teams optimal einsetzen, um Rennerfolge zu feiern. Ich werde Audi Motorsport repräsentieren, die strategische Ausrichtung definieren und dafür sorgen, dass im Renngeschehen alles funktioniert.

Planen Sie, diese Position längerfristig zu bekleiden?

Ja. Wenn man eine so spannende Aufgabe übernimmt, denkt man nicht schon wieder an einen Ausstieg. Ich werde das Thema mit voller Leidenschaft vorantreiben. Wir haben in der Audi Sport GmbH gerade in den vergangenen beiden Jahren sehr viel erreicht, die größte Modelloffensive der Unternehmensgeschichte auf die Straße gebracht und den Motorsport bei uns zusammengeführt. Wir stehen in Summe für High Performance mit den RS-Modellen, dem R8 und auch dem Motorsport. Dort ist zusammen, was zusammengehört. Mein Commitment, diese Position langfristig auszufüllen, ist ganz stark.

Julius Seebach ist der neue Leiter Audi Motorsport, Foto: Audi Communications Motorsport
Julius Seebach ist der neue Leiter Audi Motorsport, Foto: Audi Communications Motorsport

Wieso steigt Audi aus der Formel E aus und warum ausgerechnet nach der Saison 2021, wo doch gerade erstmals der Antriebsstrang für die kommenden beiden Jahre komplett im eigenen Haus entwickelt worden ist?

Elektrifizierung ist für uns nicht die Zukunft, sondern das Hier und Jetzt. Wir blicken auf eine sehr erfolgreiche Zeit in der Formel E zurück. Für uns geht es jetzt darum, neue Wege zu beschreiten. Das ist in diesem Fall die Rallye Dakar, wo wir unsere Technologie unter Extrembedingungen präsentieren können. Perspektivisch ist es LMDh [Le Mans Daytona hybrid; d. Red.] und damit die Rückkehr nach Le Mans.

Der Audi-Vorstandsvorsitzende Markus Duesmann sagte, dass man "beim elektrifizierten Motorsport den nächsten Schritt" mit der Rallye Dakar machen wolle. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass die künftig in der Formel E engagierten Hersteller noch nicht bereit sind für diesen nächsten Schritt?

Wir fokussieren uns auf unsere zwei Programme Dakar und LMDh die einer klaren Logik folgen: unsere Kompetenz und interessanten Motorsport zu verbinden.

Mit welcher Laufzeit sind Audis Werksprojekte in der Rallye Dakar und der LMDh-Klasse ausgelegt?

Wir haben diese Programme gerade erst ins Zentrum unserer Werkssportaktivitäten gestellt. Die Dakar werden wir im Januar 2022 zum ersten Mal bestreiten. Und ein Einstieg in der LMDh ist ab 2023 möglich, wenn diese neue Klasse an den Start geht. Wir haben uns für diese beiden Engagements entschieden und werden dort auch angreifen. Es wäre jetzt nicht der richtige Moment, irgendwelche Laufzeiten dafür vorzugeben.

Mit wie vielen Autos plant Audi in der Dakar und auch LMDh?

Das werden wir zu einem späteren Zeitpunkt kommunizieren.

Was führte zur Entscheidung, die Dakar zur Speerspitze im Werksmotorsport zu erheben?

Beim Dakar-Projekt können wir unsere Technologien unter Extrembedingungen präsentieren. Wir kombinieren unseren starken Elektroantrieb zusammen mit unserem DTM-Vierzylindermotor. Das ist ein hocheffizienter Antriebsstrang mit dem wir zeigen, wie man effizienten Motorsport man mit der intelligenten Kombination aus vorhandenen Technologien betreiben kann.

Audi hat sein Engagement in der Formel E eingestellt, Foto: Audi Communications Motorsport
Audi hat sein Engagement in der Formel E eingestellt, Foto: Audi Communications Motorsport

Warum kommt der aus der DTM bekannte Verbrennungsmotor zum Einsatz?

Der aus der DTM bekannte Vierzylinder ist ein extrem effizientes, im Rennbetrieb bewährtes Aggregat und an der Stelle ideal geeignet für genau dieses Projekt.

Wie weit ist Audi mit dem Dakar-Projekt und wie sehen die nächsten Schritte aus?

Die aktuellen Arbeitsstände werden wir zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben. Klar ist, dass wir im Januar 2022 bei der Dakar antreten werden. Das ist eine sehr sportliche Terminschiene, aber die ganze Mannschaft ist dran, das zu realisieren. Wir werden pünktlich am Start stehen und ein erfolgreiches Rennen zeigen.

Audi-Ikone Mattias Ekström hat dieses Jahr sein Debüt bei der Dakar gegeben. Kann man spekulieren, dass er in Audis Werks-Programm eine Rolle spielen wird?

Spekulieren kann man immer. Das Fahrer-Line-Up werden wir in nächster Zeit bekanntgeben.

Für x-raid-Chef Sven Quandt, mit dem Audi beim Dakar-Projekt zusammenarbeitet, fuhren zuletzt Stars wie Stephane Peterhansel und Carlos Sainz. Ab 2022 dann auch für Audi?

Auch das werden wir zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben. Was ich sagen kann, ist, dass wir froh sind, Quandt Motorsport als Partner zu haben. Das passt zu unserer Philosophie, und unserer Motorsportgeschichte, Renneinsätze mit starken Teams durchzuführen. Mit Sven Quandt haben wir einen Partner an der Seite, der viele Jahre Erfahrung bei der Dakar mitbringt.

Die Rallye Dakar ist nur zu Beginn eines Jahres interessant für die Medien. Lohnt sich vor diesem Hintergrund der große und vor allem finanzielle Aufwand für Audi?

Der Aufwand lohnt sich in jedem Fall, sonst würden wir es nicht machen. Ich habe die neue Motorsportstrategie zusammen mit den Kollegen von Marketing und Kommunikation bewusst entwickelt und vorangetrieben. Für uns ist wichtig, zu zeigen, welche technologische Kompetenz wir haben, und dass unter den schwierigsten Bedingungen, die man sich vorstellen kann. Das ist unser Ansporn. Unabhängig davon ist die Dakar ein Motorsport-Highlight im Kalender. Und wenn Sie sich das gesamte Motorsportjahr rund um unsere Projekte ansehen, glaube ich, dass wir ganzjährig spannenden und emotionalen Motorsport zeigen werden.

Audi startet in 2022 bei der Rallye Dakar, Foto: Audi Communications Motorsport / Michael Kunkel
Audi startet in 2022 bei der Rallye Dakar, Foto: Audi Communications Motorsport / Michael Kunkel

Die Austragung der Rallye Dakar im politisch umstrittenen Saudi-Arabien wurde schon im Zusammenhang mit der Formel E und Formel 1 kritisiert. Fürchten Sie mit dem Audi-Werksengagement einen Image-Verlust?

Wichtig ist, dass wir als Sport allgemein für Verbindung und Dialog stehen. Motorsport kann in vielen Bereichen der Welt auch Brücken bauen. Und zu allem Politischen werde ich mich nicht äußern.

Können Sie auf den Erfahrungen aufbauen, die VW bei seinen Dakar-Siegen von 2009 bis 2011 gesammelt hat?

Wir werden sämtliche Expertise, die es in irgendeiner Form braucht, um dort erfolgreich zu sein, nutzen.

Warum engagiert sich Audi ab 2023 in der LMDh-Kategorie?

Zu den großen Erfolgen, die Audi Motorsport in Le Mans hatte, muss man nichts mehr sagen [13 Gesamtsiege zwischen 2000 und 2014; d. Red.]. Wir freuen uns alle auf die Rückkehr. Das neue Reglement bildet natürlich die Basis für diese Entscheidung. Audi passt in diesen Wettbewerb und es gibt nun ein Reglement, das es ermöglicht, in der IMSA und der WEC mit den gleichen Fahrzeugen anzutreten. Das ist einmalig und durch die Siegfähigkeit, die auch mit LMDh im definierten Kostenrahmen möglich ist, für uns perfekt.

Wie weit ist das Projekt bei Audi bereits vorangeschritten?

Die Projektentscheidung, dort einzusteigen, ist gefallen. Wir setzen im Moment das Projekt in sehr enger Abstimmung mit der Porsche AG auf. Ich stimme mich mit Fritz Enzinger [Leiter Porsche Motorsport; d. Red.] ab, wie wir Synergien finden. Die Zusammenarbeit verschiedener Marken ist eine Stärke des Konzerns. Das zeigen wir in der Serie immer wieder, und wir realisieren es jetzt auch im Motorsport.

In der WEC und der Formel E haben sich Audi und Porsche stets duelliert. Wird das bei LMDh anders sein?

Wir werden auf der Rennstrecke gegeneinander fahren und jeder wird für sich und seine Marke um den Sieg kämpfen. Wichtig bei einem Projekt mit einem solchen Umfang ist aber auch, dass man sich abstimmt und ein gemeinsames Verständnis hat. Es gibt Entwicklungsumfänge, die nicht rennentscheidend sind und bei denen man zusammenarbeiten kann. Wir suchen im momentanen Projektstadium verstärkt nach möglichen Synergien.

Die direkte Zusammenarbeit mit Porsche resultiert aus dem Umstand, dass man es sich als Konzern heutzutage eigentlich nicht mehr leisten kann, mit zwei Konzerntöchtern in einer Rennserie anzutreten?

Dass wir es tun, belegt das. Und wie ich bereits ausgeführt habe: Das Thema Reglement und Aufsatz in Verbindung mit Synergien zeigt, dass dies auch für den Motorsport in Zukunft ein guter Weg ist.

Kommt im LMDh-Projekt auch der DTM-Vierzylinder zum Einsatz? Laut Gerüchten soll Porsche einen Achtzylinder-Motor bevorzugen.

Wir schauen uns momentane verschiedene Möglichkeiten an, was den Antrieb des Fahrzeuges betrifft und werden zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, mit welchem Motorkonzept wir an den Start gehen. Wir befinden uns auch dazu in enger Abstimmung mit den Kollegen von Porsche.

Mit Rene Rast, Mike Rockenfeller oder Nico Müller hat Audi auch Piloten mit Langstreckenerfahrung im Werkskader. Werden sie in das LMDh-Projekt involviert?

Wir haben sehr starke Fahrer in den unterschiedlichsten Klassen. Und genau wie wir uns jährlich unsere Motorsportstrategie anschauen, welche Programme zukünftig zur Marke passen, muss auch das Fahrer-Lineup in Einklang stehen. Sie können davon ausgehen, dass wir die stärksten Fahrer verpflichten und einsetzen. Welche Fahrer das sein werden, kann ich Ihnen heute leider noch nicht sagen. Intern haben wir klare Vorstellungen, wie wir das Thema angehen.

Rene Rast gewann 2020 gemeinsam mit Audi die DTM, Foto: DTM
Rene Rast gewann 2020 gemeinsam mit Audi die DTM, Foto: DTM

Wann entscheidet sich, welche Fahrer und Teams mit Audi-Rennwagen in der DTM starten werden?

In der DTM stehen wir vor einer neuen Situation. Audi ist werksseitig aus der DTM ausgestiegen, es ist jetzt ein Kundensport-Engagement. Da obliegt es den Teams, zu entscheiden, welche Fahrer sie im Fahrzeug haben. Natürlich ist grundsätzlich vorstellbar, dass wir dort unterstützen. Insofern sind wir in enger Abstimmung mit Teams, die auch Audi fahren und denen die Kommunikationshoheit obliegt, zu sagen, wer wo wie eingesetzt wird.

Audi hat nach dem DTM-Werksausstieg angekündigt, Serienchef Gerhard Berger weiter zu unterstützen. Wie genau sieht diese Unterstützung aus?

Dazu möchte ich mich im Detail nicht äußern. Wichtig ist das Statement, das gemacht worden ist: Wir werden Gerhard Berger unterstützen, um diese Plattform und den dort angebotenen Motorsport auch in Zukunft einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Wir sehen dort in Zukunft GT3-Fahrzeuge, die wir ja auch seit Jahren sehr erfolgreich im Kundensport einsetzten.

Und warum unterstützt Audi weiterhin die DTM?

Die DTM fährt jetzt mit GT3-Fahrzeugen. Wir haben ein sehr erfolgreiches GT-Kundenprogramm und wenn Teams entscheiden, mit einem R8 einzusteigen, ist das für uns ein schönes Zeichen, wenn man dort guten Motorsport auf GT3-Basis sehen kann.

Ist ein Einsatz von Nico Müller trotz seines Formel-E-Engagements mit Dragon/Penske in der DTM 2021 möglich, weil er auch einen Vertrag bei Audi hat?

Nico Müller hat einen Audi-Vertrag, somit hat das Audi-Engagement immer Priorität.

Zuletzt gab es rund um Red Bull Gerüchte über einen möglichen Formel-1-Einstieg von Audi. Spielt die F1 eine Rolle in den Überlegungen von Audi?

Aktuell nicht. Wir haben unser Motorsport-Programm jüngst bekanntgegeben. Wir werden auch in Zukunft immer alle Rennserien beobachten und bewerten. Es gibt keine Entscheidung in eine solche Richtung.

Die neue Generation Motorsportchef

Julius Seebach, geboren am 13. Dezember 1983 in Pirmasens, begann seine Laufbahn 2015 bei der Audi AG. Zunächst war er verantwortlich für Strategie und Bereichssteuerung Antrieb in der Technischen Entwicklung. 2017 führte er das Baureihenmanagement bei der Audi Sport GmbH ein und leitete die Baureihen RS 4/RS 5 sowie RS 6/RS 7. Seit Mai 2019 ist er Geschäftsführer der Audi Sport GmbH. Zudem übernahm Seebach zum 01. Dezember 2020 die Verantwortung für den Audi Motorsport und folgte in dieser Funktion auf Dieter Gass.

Mehr Interviews & Hintergründe: Hol Dir unser Magazin!

Zum Jahresende blicken wir traditionell auf die zeitlosen Highlights unserer Printausgabe von Motorsport-Magazin.com zurück. So erlebst Du die besten Interviews und Hintergrundgeschichten der Motorsport-Saison noch einmal. Du willst mehr solche Artikel lesen? Dann sichere dir drei Ausgaben unserer Printausgabe zum Vorzugspreis. Darin findest du in jeder Ausgabe neben interessanten Interviews auch spannende Hintergrundgeschichten, Technikerklärungen und noch viel mehr. Worauf wartest du noch? Sichere dir das Motorsport-Magazin preiswerter, früher als im Einzelhandel und bequem zu dir nach Hause!