Darüber würden sich sicherlich einige Formel-E-Fahrer freuen: Jean-Eric Vergne spricht sich ganz offen für den Einsatz von Slick-Reifen in der Elektro-Rennserie aus. Zumindest 2023 mit dem Beginn der Gen3-Ära geht der Wunsch des zweifachen Champions aber nicht in Erfüllung: Der neue Reifenlieferant Hankook stellt den Teams wie Vorgänger Michelin ausschließlich profilierte Allwetter-Reifen zur Verfügung.

Vergne bei einer Medienrunde von DS Automobiles, das 2023 erstmals mit dem einstigen Chaos-Team Dragon/Penske zusammenspannt: "Ich hätte sehr gerne echte Slick-Reifen. Das gäbe uns viel mehr Performance. Am Ende des Tages geht es im Motorsport nur um Performance. Wir müssen in Kurven und auf Geraden schnell sein und einen effizienten Antrieb haben. Ich denke nicht, dass das mit Reifen möglich ist, die sowohl im Trockenen als auch im Nassen gut sein sollen."

Einzigartiger Launch: So steigt Hankook in die Formel E ein (03:22 Min.)

Vergne: Würde gern mehr Performance von Reifen sehen

Die Formel E setzt seit ihrem Beginn im Jahr 2014 ausschließlich auf Allwetter-Reifen. Dahinter steckt der Anspruch an die Nachhaltigkeit: Es müssen weniger Reifen für unterschiedliche Bedingungen produziert und um die Welt geschifft oder geflogen werden. Dieses Konzept setzt Hankook mit seinen 18-Zoll-Produkten 2023 fort, wenn die neuen Gen3-Autos mit 475 PS (350 kW) ihre ersten Rennen bestreiten. Die neunte Saison der FIA-Weltmeisterschaft beginnt am 14. Januar in Mexiko-City.

Der Wechsel auf im Motorsport übliche Slick-Reifen wäre aus Sicht von Vergne eine Evolution der Rennserie. "Echte Slicks und echte Regenreifen", sagte der Franzose. "Wenn man schaut, wie oft wir im Regen fahren, dann ist das sehr überschaubar. Ich denke nicht, dass das so einen schlechten Einfluss hätte. Das ist meine Vision und ich verstehe auch die Vision der Meisterschaft. Aber manchmal dürfen wir ja auch frei denken. Und ich würde gerne mehr Performance von ihnen (den Reifen) sehen."

Tatsächlich sind Regen-Rennen eine Seltenheit in der Geschichte der Formel E. Es dauerte geschlagene viereinhalb Saisons und 53 Rennen bis zum ersten Lauf unter nassen Bedingungen. Im ausfallträchtigen Paris ePrix 2019 mit vier Full-Course-Yellow-Phasen und einem Safety Car starteten die Fahrer auf nassem Asphalt und wurden während des Rennens von einem weiteren Regenschauer erwischt. In der abgelaufenen Saison 2022 sorgte der regnerische New York ePrix mit zahlreichen Unfällen und einem vorzeitigen Abbruch für Schlagzeilen.

Das erste Regenrennen der Formel E: Paris ePrix 2019, Foto: LAT Images
Das erste Regenrennen der Formel E: Paris ePrix 2019, Foto: LAT Images

Vergne: Wechsel auf Hankook größte Herausforderung

Sicherlich würden echte Slick-Reifen einen Vorteil von mehreren Sekunden pro Runde je nach Strecke bieten. Die Diskussion gibt es schon seit Jahren, die Formel E ist ihrem Konzept jedoch stets treu geblieben. Bevor Slicks zu einem Thema für die Zukunft werden könnten, steht den Teams mit Neueinsteiger Hankook erst einmal eine weitere Herausforderung bevor. Zahlreiche Fahrer beschrieben die Hankook-Reifen sogar als größte Änderung im Vergleich zur Gen2-Ära mit dem leistungsschwächeren Auto.

"Die größte Herausforderung ist der Wechsel der Reifen", bestätigte Vergne. "Das ändert die Philosophie. Die zusätzliche Power des Autos ist schwieriger zu handeln, weil wir viel mehr Wheel Spin (durchdrehende Räder) haben. Letztes Jahr sind wir noch mit Vollgas aus den Kurven herausgefahren, dieses Jahr müssen wir aufpassen."

Reifen ein Performance-Faktor in Formel E

Dabei stellen die Reifen durchaus einen Performance-Faktor in der Formel E dar. Teams können bis zu einem vorgeschriebenen Limit - dem Mindest-Luftdruck - mit den Allwetter-Reifen 'spielen'. "Wenn sie beispielsweise mit mehr Sturz im Auto oder mit niedrigeren Reifendrücken fahren, erhöht sich der Verschleiß, während die Performance besser wird", sagt Hankook-Chefingenieur Thomas Baltes zu Motorsport-Magazin.com. "Die Teams können das steuern und haben während ihrer Testfahrten schon einige Versuche bis an die Grenzen unternommen, um bestmöglich auf die Saison vorbereitet zu sein."

In Vorbereitung auf die Saison 2023 testete Hankook mit Referenzfahrer Benoit Treluyer zahlreiche unterschiedliche Reifen-Spezifikationen. Welche Version letztendlich für den Renneinsatz von der FIA nominiert wird, stand lange Zeit nicht fest. Einen Aufschluss sollten die anstehenden Vorsaison-Testfahrten in Valencia auf der permanenten Rennstrecke Ricardo Tormo (13.-16. Dezember 2022) liefern.

Weltmeister Stoffel Vandoorne, nach seinem Wechsel von Aussteiger Mercedes jetzt DS-Penske-Teamkollege von Vergne: "Michelin hat gute Arbeit geleistet, aber sie haben sich über die Jahre auch weiterentwickelt. Ich denke, mit Hankook erleben wir einen ähnlichen Prozess. Die erste Version dieses Reifens bildet eine gute Basis. Aber wir als Rennfahrer wollen immer mehr, mehr Grip und mehr Leistung. Ich denke, das ist ein dynamischer Prozess in den kommenden Jahren, damit die Autos noch schneller werden."