"The DAC is back!" Selten hatte man einen Rennfahrer mit einem derart breiten Grinsen im Gesicht gesehen. DAC, das ist das Fahrerkürzel von Antonio Felix da Costa, der Spruch datiert zurück auf den 15. Dezember 2018. An jenem Tag hatte der quirlige Portugiese soeben nahe der saudi-arabischen Hauptstadt Riad den ersten Sieg im ersten Rennen für BMW nach dem werksseitigen Einstieg in die Formel E erzielt.

Es sollte eine ganze Weile vergehen, bis Felix da Costa ein weiteres Mal freudestrahlend durch die Gegend hopsen und einen Sieg in der Elektro-Rennserie bejubeln durfte. Genau genommen 441 Tage. Ende Februar beim fünften Rennen der aktuellen Saison in Marrakesch, inzwischen bei DS Techeetah und nicht mehr für den Autobauer aus München, für den er sechs Jahre lang den Rennhelm aufgezogen hatte.

Es war Felix da Costas erster Sieg für den neuen Arbeitgeber unter chinesischer Führung mit Antriebssträngen von DS Automobiles, und er war der fünfte unterschiedliche Gewinner in den ersten fünf Rennen der Saison. Vor dieser gefühlten Ewigkeit führte der 28-Jährige die eng geführte Meisterschaft zwar mit elf Punkten Vorsprung an, doch wer hätte im letzten Rennen vor der Corona-Zwangspause ahnen können, dass Felix da Costa in derart dominanter Manier die Meisterschaft in der Formel E erringen würde?

Beim Re-Start und gleichzeitigem Saisonfinal-Marathon mit sechs Rennen innerhalb von neun Tagen in Berlin war der Mann aus Lissabon überhaupt nicht mehr zu bremsen. Beim ersten der drei Doppel-Rennen in der deutschen Hauptstadt holte Felix da Costa beide Pole Positions und Siege, während die zuvor starke Konkurrenz von BMW und Jaguar ein Performance-Debakel erlebte und kollektiv unterging.

Endlich Nummer 1: Der neue Formel-E-Meister Antonio Felix da Costa, Foto: LAT Images
Endlich Nummer 1: Der neue Formel-E-Meister Antonio Felix da Costa, Foto: LAT Images

Da war der dritte Gewinn der Fahrer-Wertung für DS Techeetah nach den vorigen Meisterschaftssiegen von Jean-Eric Vergne eigentlich nur noch Formsache. Mit einem vierten und einem zwei Platz machte Felix da Costa schließlich souverän und vorzeitig den Sack zu - der erste Triumph in einer FIA-Rennserie. Sein größter Erfolg neben den beiden Formel-3-Siegen 2012 und 2016 auf seiner Lieblingsstrecke in Macau.

Jetzt darf sich der nur physisch kleine Felix da Costa einreihen neben den bisherigen Formel-E-Champions Nelson Piquet Junior, Sebastien Buemi, Lucas di Grassi und eben Vergne, der ihm 2019 bei einem Kaffee am Rande der 24 Stunden von Le Mans einen Wechsel ins eigene Team schmackhaft machte. Fahrer, die ihm in den ersten Jahren in der Elektro-Rennserie sprichwörtlich um die Ohren flogen in weitaus stärker aufgestellten Rennwagen.

"Wir wurden überrundet von Buemi, di Grassi und Co.", erinnerte sich Felix da Costa kurz nach dem Titelgewinn. "Die haben uns damals angeschaut, als ob wir okay seien, aber eben nicht auf dem gleichen Level. Aber jetzt stehe ich auch da!"

Was über die Jahre nur wenige mitbekamen: Felix da Costa gehört tatsächlich zu den Urgesteinen der inzwischen sechs Jahre alten Formel E. 63 Rennen hat er auf dem Buckel, nur der Pionier-Status fehlt, weil er am 13. September 2014 beim allerersten Rennen im Olympiastadion zu Peking verhindert war wegen seines DTM-Einsatzes für BMW auf dem Lausitzring.

Felix da Costa stieß ab dem zweiten Formel-E-Lauf in Putrajaya, Malaysia dazu und schon sein drittes Rennen in Buenos Aires gewann er für das Team Amlin Aguri, damals ausgerechnet geführt vom heutigen Techeetah-Teamchef Mark Preston.

Buenos Aires 2015: Antonio Felix da Costa gewinnt sein erstes Formel-E-Rennen, Foto: Formel E
Buenos Aires 2015: Antonio Felix da Costa gewinnt sein erstes Formel-E-Rennen, Foto: Formel E

Doch dann wurde es ruhig um Felix da Costa. Es dauerte geschlagene 1.435 (eintausendvierhundertfünfunddreißig) Tage, bis er im Dezember 2018 in Saudi-Arabien zum ersten Mal wieder auf dem Podium stand und lauthals brüllen durfte: "The DAC is back!"

Hoffnung keimte auf beim früheren Formel-1-Anwärter, der - genau wie einst Vergne - von Red Bull gefördert wurde und 2012 sowie 2013 mehr als eintausend Testkilometer in Sebastian Vettels Weltmeister-Autos abspulte. Der von 2014 für 2016 für BMW parallel zur Formel E in der DTM antrat und nach langer Leidenszeit durch die BMW-Übernahme des Andretti-Teams endlich mal wieder um einen Titel kämpfen wollte.

Silverstone 2014: Jean-Eric Vergne und Antonio Felix da Costa, Foto: Sutton
Silverstone 2014: Jean-Eric Vergne und Antonio Felix da Costa, Foto: Sutton

Mit der Werks-Power aus München hatte Felix da Costa in der vergangenen Saison tatsächlich lange Zeit Chancen auf die Meisterschaft. Dem Saudi-Sieg und drei weiteren Podestplätzen standen letztendlich eine zu konservative Herangehensweise im Titelkampf und allzu viele Starts in der allseits verhassten Qualifying-Gruppe 1 gegenüber.

Als Vergne beim Saisonfinale in New York als erster Fahrer der Geschichte die Meisterschaft verteidigte, landete Felix da Costa auf dem sechsten Gesamtplatz - gleichzeitig kamen erstmals Gerüchte auf, dass er BMW verlassen und als Nachfolger für den zu Porsche abgewanderten Andre Lotterer zu DS Techeetah wechseln könnte. Wie sich später herausstellte, hatte er den Vertrag schon vor den Rennen in New York in der Tasche.

"Wir sehen es häufig im Sport und auch im Motorsport", sagte Felix da Costa am Sonntagabend mit dem Meisterpokal in der Hand. "Wir treten für große Hersteller an. Und manchmal gibt es da Leute, die nicht so viel Geduld haben. Du bist immer nur so gut wie dein letztes Ergebnis."

Saudi-Arabien 2018: Felix da Costa beschert BMW den ersten Werkssieg in der Formel E, Foto: LAT Images
Saudi-Arabien 2018: Felix da Costa beschert BMW den ersten Werkssieg in der Formel E, Foto: LAT Images

Doch im Moment des größten Erfolges offenbart sich der Charakter, so auch bei Felix da Costa. Wenige Minuten nach dem Titelgewinn auf dem stillgelegen Flughafen Tempelhof wollte er anmerken: "Red Bull hat für mich gesorgt. Ich wollte schon aufgeben und dann saß ich in Weltmeister-Autos. Und ich möchte mich auch bei BMW bedanken. So läuft es im Leben, manchmal trennt man sich. Aber ihr habt mich zu einem professionellen Rennfahrer gemacht und dafür möchte ich mich bedanken."

Da war er wieder, der Antonio Felix da Costa, der wegen seiner lockeren und offenen Umgangsart bei Fahrerkollegen und Medien seit Jahren zu den beliebtesten Piloten im Paddock zählt. Der es liebt, in seiner Heimat das Surfbrett auszupacken und dadurch manchmal den Eindruck vermittelte, die oft nötige Härte und den Egoismus im Rennsport vermissen zu lassen. Die Gelassenheit bleibt, die Vorurteile sind mit der Meisterschaft über Bord geworfen: The DAC is back!