"Ha ha, dann habe ich wohl den richtigen Move gemacht!" Antonio Felix da Costa war eine Stunde nach seinem dominanten Sieg in Marrakesch noch immer bester Laune, als er von Motorsport-Magazin.com gefragt wurde, wie sich der Wechsel zum dominantesten Team der Formel E anfühlt.

In der vergangenen Saison setzte der Portugiese noch in Diensten von BMW einige Highlights, errang einen Sieg und vier Podestplätze. Jetzt, nach dem Wechsel zu Techeetah, kann sich Felix da Costa gute Chancen auf seine erste Meisterschaft in der Formel E ausrechnen. Nach dem fünften von 13 Saisonrennen hat der frühere DTM-Fahrer die Gesamtführung übernommen.

Mit seinem beeindruckenden Lauf von zwei zweiten Plätzen sowie einem Sieg innerhalb der letzten drei Rennen verdrängte Felix da Costa mit 67 Punkten den bisherigen Spitzenreiter und Jaguar-Piloten Mitch Evans, der bei 56 Zählern steht. In der Team-Meisterschaft führt Titelverteidiger Techeetah jetzt ebenfalls zum ersten Mal in dieser Saison.

In der Formel E geht es wegen einheitlicher Chassis und Batterien traditionell eng zu - doch in der laufenden Saison ist es zwei Teams gelungen, sich vom Rest des Feldes abzusetzen. An der Spitze geht es tierisch zu: Techeetah und Jaguar fahren aktuell in einer eigenen Liga.

Formel E 2019/20: Top-6 der Teamwertung

PositionTeamPunkteFahrer
1DS Techeetah98Vergne/Felix da Costa
2BMW90Günther/Sims
3Jaguar Racing66Evans/Calado
4Nissan e.dams57Buemi/Rowland
5Mercedes-Benz 56Vandoorne/de Vries
6Audi 46Abt/di Grassi

Einer der dominantesten Formel-E-Siege

Das belegen die vergangenen beiden ePrix eindrucksvoll: Vor drei Wochen in Mexiko-City ging Evans' Sieg als einer der dominantesten in die junge Geschichte der Formel E ein. Der Neuseeländer ließ dem Zweitplatzierten Felix da Costa während der gesamten Renndauer nicht den Hauch einer Chance.

Am vergangenen Wochenende in Marrakesch schlug der 28-Jährige zurück. Mit 11,427 Sekunden Vorsprung - dem drittgrößten aller bisherigen 63 Formel-E-Rennen - überquerte Felix da Costa die Ziellinie vor BMW-Youngster Maximilian Günther. "Techeetah ist eines der Teams, das es zu schlagen gilt", sagte Günther zu Motorsport-Magazin.com. "Die haben seit einiger Zeit ein sehr gutes Paket."

Vermutlich hätte Felix da Costa auf dem semi-permanenten Kurs in Marrakesch keinen derart enormen Vorsprung auf den Allgäuer gehabt, wenn der nicht in ein spätes und energieraubendes Duell mit dem zweifachen Champion und Techeetah-Star, Jean-Eric Vergne, verwickelt worden wäre.

Dass Techeetah die Formel E dominiert, stellte auch der Franzose in Marrakesch eindrucksvoll unter Beweis. Trotz Fieber, Kopfschmerzen und einem verpassten Training samt Krankenhausaufenthalt preschte Vergne im Rennen vom elften bis auf den dritten Platz nach vorne, nur Günther vereitelte den Techeetah-Doppelsieg.

Sprung ins Glück: Marrakesch-Sieger Antonio Felix da Costa, Foto: LAT Images
Sprung ins Glück: Marrakesch-Sieger Antonio Felix da Costa, Foto: LAT Images

Techeetah: Von überall aufs Podium

"Ein, zwei Teams haben einen Vorteil gegenüber allen anderen", bestätigte Mahindra-Pilot Pascal Wehrlein bei Motorsport-Magazin.com. "Techeetah ist auf jeden Fall das dominierende Team, vor allem im Rennen. Die können starten, von wo sie wollen, aufs Podium kommen sie eigentlich immer."

Felix da Costa nahm die Rennen in Santiago und Mexiko von den Startplätzen 10 und 9 auf, wurde jeweils Zweiter. Der Start/Ziel anschließend in Marrakesch war eine Macht-Demonstration par excellence, auch, wenn er gegen Günther ein wenig tricksen musste, wie wir bereits in unserer Renn-Analyse ausgeführt haben:

Teamkollege Vergne kämpfte sich in Santiago de Chile von Startplatz 11 im Parallelflug mit Felix da Costa durchs Feld und hätte es vermutlich ebenfalls bis aufs Podium geschafft - wäre ihm nicht ein Schaden an der Radabdeckung zum Verhängnis geworden. Anschließend in Mexiko ging es für Vergne vom achten bis auf den vierten Platz nach vorne. "Da hatte ich ein technisches Problem, sonst wäre ich auch aufs Podest gefahren", glaubte der frühere Formel-1-Pilot.

Vergne fehlt in dieser Saison noch der große Triumph, doch die Marrakesch-Aufholjagd trotz äußerst widriger Umstände zeigte auch dem Letzten, dass sich Techeetah auf bestem Wege in Richtung Titelverteidigung befindet.

Formel E 2019/20: Die bisherigen Rennen

RennenSiegerZweiterDritter Pole
Saudi-Arabien 1BirdLottererVandoorneSims
Saudi-Arabien 2SimsDi GrassiVandoorneSims
Santiago de ChileGüntherFelix da CostaEvansEvans
Mexiko-CityEvansFelix da CostaBuemiLotterer
MarrakeschFelix da CostaGüntherVergneFelix da Costa

Effizienter Antriebsstrang aus Frankreich

"Unser Antriebsstrang ist sehr effizient", gab Felix da Costa nur dezente Hinweise auf die Stärke der Power Unit von Partner DS Automobiles, der Luxusmarke des französischen Automobilkonzerns Groupe PSA. "In den letzten Rennen sahen wir super-stark aus, aber auch andere Teams haben ein gutes Paket."

In der in vielen Bereichen reglementierten Formel E sind die Teams frei in der Entwicklung des Motors, Inverters, Getriebes und Teilen des Hinterachsenfahrwerks. Der Einsatz von Karbon bei der Getriebebox und das generelle Packaging fördern sicherlich leichte Unterschiede, vor allem aber der richtige Umgang mit der Software gilt inzwischen als entscheidend.

Während eines Rennens wechseln die Fahrer unzählige Male in den voreingestellten Programmen durch, dabei mehrfach pro Runde, um den optimalen Kompromiss zwischen Pace und Energierückgewinnung erzielen zu können. Einfache Rechnung: Wer seine zur Verfügung stehende Energiemenge effizienter nutzt, gewinnt am Ende.

Die Techeetah-Rennwagen in ihre Einzelteile zerlegt, Foto: LAT Images
Die Techeetah-Rennwagen in ihre Einzelteile zerlegt, Foto: LAT Images

Simulierte Hilfe bei der Traktion?

"Sie haben Effizienz und auch Grip über die gesamte Renndistanz", sagte Wehrlein über die Techeetahs. "Auf den GPS-Daten sehen wir, dass sie in den Kurven schneller sind und auf den Geraden mehr Power haben als wir. Und sie können später vom Gas gehen."

Die aus früheren Formel-1-Zeiten bekannte Traktionskontrolle ist per Reglement verboten. Mittels Software soll es allerdings Möglichkeiten geben, das Drehmoment so zu regulieren, dass durchdrehende Räder größtenteils vermieden werden können. Alle Teams in der Formel E experimentieren laut Fahrerlager-Insidern seit geraumer Zeit mit derartigen Programmierungen.

Jaguar Beeindruckend bis bahnbrechend

Während bei Techeetah beide Fahrer außergewöhnliche Leistungen zeigen, ist bei Jaguar das enorme Potenzial bislang nur auf einer Seite der Garage sichtbar. Hier hat sich der Neuseeländer Mitch Evans als Titelanwärter herauskristallisiert.

Seine Sieges-Spazierfahrt in Mexiko war beeindruckend - die Aufholjagd in Marrakesch bahnbrechend. Evans, der nach einem strategischen Fehler des Teams als Letzter ins Rennen starten musste, flog bis auf den sechsten Platz nach vorne. 18 Positionsgewinne, und das ganz ohne Safety-Car-Hilfe oder größere Zwischenfälle - aufgrund des Energie-Haushaltes eigentlich ein Unding in der Elektro-Rennserie.

"Ich wusste, dass Punkte möglich waren, da wir ein mega Paket hatten", machte Evans im Anschluss kein Geheimnis aus der Macht des Jaguar-Boliden. Dass der Fahrer in der hochkomplexen Formel E den Unterschied ausmacht, spiegelt sich in der Teamwertung wider. Jaguar (66 Punkte) belegt hinter Techeetah (98) und BMW (90) 'nur' den dritten Platz.

Würde Formel-E-Rookie James Calado auf einem ähnlichen Level fahren wie sein Teamkollege, sähe die Rechnung wohl anders aus. Der 30-jährige Brite sammelte erst 10 Punkte, während Evans 56 Zähler auf dem Konto hat.

Titelanwärter unter sich: Mitch Evans und Antonio Felix da Costa, Foto: LAT Images
Titelanwärter unter sich: Mitch Evans und Antonio Felix da Costa, Foto: LAT Images

BMW auf Titel-Safari

Calados Unerfahrenheit erlaubt es BMW als bestplatziertem der vier deutschen Hersteller, die Hoffnungen auf den Titelgewinn aufrechtzuerhalten. Neuzugang Günther und Alex Sims in seiner zweiten Saison errangen jeweils einen Sieg. Damit ist BMW das bislang einzige Team, das nach fünf Rennen mehr als eines gewinnen konnte.

An die Performance der beiden tonangebenden Teams kann das Münchner Werkspaket nicht ganz heranreichen. Techeetah und Jaguar - BMW - dann der Rest des Feldes mit Ausnahme der abgeschlagenen Dragon-Racing und NIO: So sieht die Rangfolge in der Formel E nach 5 von voraussichtlich 13 Saisonrennen aus.

Fünf unterschiedliche Sieger (saisonübergreifend sogar neun) zeigen, dass in der Elektro-Rennserie an einem guten Tag so ziemlich Jeder gewinnen oder zumindest aufs Podium fahren kann. Auch die deutschen Neueinsteiger Mercedes mit Stoffel Vandoorne und Porsche durch Andre Lotterer standen bereits auf dem Treppchen.

Auch Audi erzielte mit Lucas di Grassi bislang ein Top-3-Resultat. "Es war klar, dass Mercedes und Porsche von Beginn an stark sein würden", sagte Audi-Werksfahrer Daniel Abt. "In der Formel E ist es unmöglich, ein außergewöhnliches Auto zu bauen. Jeder hat das Budget für einen ordentlichen Antrieb."

Doch gegen das derzeit beste Fahrerduo der Formel E in Form von Vergne und Felix da Costa in Kombination mit dem bockstarken Techeetah-Boliden dürfte es äußerst schwierig werden...