Der Auftakt zum ersten Bern ePrix in der Geschichte der Formel E war eine durchaus knifflige Angelegenheit. Etwas verdutzt kehrten einige Fahrer von der Streckenbegehung am Freitagvormittag zurück ins Fahrerlager. "Die Strecke war noch nicht fertig aufgebaut", sagte etwa Pascal Wehrlein zu Motorsport-Magazin.com. "Die Schikane steht noch nicht und auch nicht alle Mauern."

Seit einigen Tagen wird die temporäre Strecke in der Schweizer Hauptstadt mit Hochtouren zusammengebaut. Offenbar war der Zeitplan etwas zu knapp kalkuliert. So musste der eigentlich für Freitag um 15:00 Uhr angesetzte Shakedown um knapp drei Stunden auf 17:45 Uhr verschoben werden, um die letzten Streckenarbeiten fertigzustellen.

In der Vorbereitung auf das zweite Formel-E-Rennen in der Schweiz nach der Premiere in Zürich 2018 halfen sicherlich nicht einige Widerstände aus der Bevölkerung. Anwohner hatten deutlich ihren Unmut über das Rennen und die damit verbundenen Einschränkungen am Wochenende geäußert.

Demonstration gegen Formel-E-Rennen

So wurde eigens ein Komitee mit dem Namen 'Formel E adé' gegründet, um gegen den Besuch der Elektro-Rennserie zu demonstrieren. Am gestrigen Donnerstagabend versammelten sich rund 1.000 Gegner der Formel E und drehten demonstrativ eine Runde mit dem Fahrrad auf der Rennstrecke.

Zahlreiche Plakate und Flyer wurden verteilt, um gegen das Rennen in der Berner Innenstadt zu demonstrieren. Gerüchte, dass das Rennen kurz vor einer Absage stand, entsprechen allerdings nicht der Wahrheit. Ärgerlich: Einige übermotivierte Demonstranten beschädigten Werbebanden entlang der Strecke. Ersatz musste kurzfristig aus England geordert werden, um die Sponsoren nicht zu verärgern.

"Es ist schade, dass einige Personen solch eine schlechte Meinung haben", sagte Virgin-Fahrer Sam Bird zu Motorsport-Magazin.com. "Ich hoffe, wir können ihnen zeigen, wie cool die Formel E ist. Auf der einen Seite denke ich ans Rennfahren, auf der anderen aber auch an die Meisterschaft. Und es macht alles mehr Spaß, wenn es glatt läuft. Es ist doch schöner, wenn sich die Menschen über eine Rückkehr unserer Serie freuen."

Foto: LAT Images
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Günther: Wohl die schwierigste Strecke

Mit einiger Verzögerung ging der Shakedown schließlich am Freitagabend die Bühne. Zum ersten Mal konnten sich die 22 Fahrer ein reales Bild davon machen, was sie in Bern erwartet: eine der anspruchvollsten Strecken im gesamten Kalender.

Der 2,750 Kilometer lange Kurs weist Höhenunterschiede von bis zu Metern auf. Es geht bergauf, bergab und harte Bremszonen sorgen für eine echte fahrerische Herausforderung. "Ich vermute, dass das die schwierigste Strecke ist", sagte Dragon-Pilot Max Günther vor dem Shakedown. "Wir haben Karbon-Bremsen, aber die Verzögerung ist nicht so gut. Mit dem Formel-E-Auto hast du nicht immer das beste Gefühl auf der Bremse, weil du nicht weißt, was passiert."

In der Bergab-Passage werden Höchstgeschwindigkeiten von rund 225 km/h erwartet. "Da bekommen wir einen richtig guten Speed drauf", bestätigte Mahindra-Rookie Wehrlein, der bezüglich Bremspunkten mit einem Grinsen im Gesicht die Devise vorgab: "No Risk, no Fun!"

Weitere Herausforderungen auf der Strecke mit 14 Kurven, die gegen den Uhrzeigersinn befahren werden: zahlreiche Bodenwellen und Fahrbahnmarkierungen, die vor allem bei nassen Bedingungen zur Stolperfalle werden können. "Du musst so viel Vertrauen wie möglich ins Auto gewinnen, das kann hier im Rennen den Unterschied ausmachen", erklärte Günther.

Foto: LAT Images
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Paddock einen Kilometer von der Strecke entfernt

Ausruhen kann sich auch das Personal abseits der Rennstrecke nicht. Bemerkenswert: Die Boxengasse, in der die Teams ihre Autos vorbereiten, befindet sich rund einen Kilometer von der Strecke entfernt! Direkt entlang des Kurses können die Teams nur auf eine provisorische Boxengasse mit dem Nötigsten zurückgreifen. Platzmangel in der Stadt führte zu dieser durchaus ungewöhnlichen Lösung. So müssen die elf Teams bestmöglich die Kommunikation zwischen der Strecke und dem Kommandostand in der Halle auf dem Berner Expo-Gelände koordinieren.

"So etwas habe ich in dieser Form noch nie erlebt", wunderte sich nicht nur Günther. "Jedes Team hat eine andere Philosophie, ob die Kommandozentrale komplett im Paddock bleibt oder ob Teile des Teams zur provisorischen Boxenanlage gehen."

Die Teams müssen die Rennwagen zu den einzelnen Sessions über gut einen Kilometer zur Strecke transportieren - eine echte Herkulesaufgabe. Der erste und vorerst letzte Bern ePrix - zur Saison 6 taucht die Schweiz nicht mehr im Rennkalender auf - steigt am Samstagabend um 18:00 Uhr.