Lotus hat die Nase vorne

von Kerstin Hasenbichler

Die Frage, wer der Rookie-König 2010 wird, ist schnell beantwortet: Lotus F1 Racing. Man mag von Mike Gascoyne halten, was man will, aber der Lotus-Technikdirektor und seine Leute wissen, was sie tun. Mit dem T127 stellte Lotus einen soliden Wagen hin. Sicher, solide klingt nicht aufregend, aber besser solide als störrisch. So überzeugte der F1-Neuling bereits beim ersten Testtag in Jerez als Testfahrer Fairuz Fauzy 76 Runden ohne größere Probleme abspulte. Der Malaye musste zwar ohne Servolenkung auskommen, aber das ist weit weniger ein Problem als ohne Frontflügel zu fahren.

Jener - oder zumindest Teile vom Frontflügel - flogen Timo Glock bei der ersten Ausfahrt mit seinem Virgin-Boliden um die Ohren. Als die Teile an den restlichen Testtagen wieder am Auto waren, machte die Hydraulik schlapp. Hätte Virgin Racing ein solides Auto wie Lotus gebaut, dann würde es momentan nicht so knüppeldick für das Team kommen oder man würde Sätze wie "das Potenzial ist da" auch von Virgin-Piloten hören.

Lotus hat den T127 in kürzester Zeit auf die Räder gestellt., Foto: Sutton
Lotus hat den T127 in kürzester Zeit auf die Räder gestellt., Foto: Sutton

Heikki Kovalainen, seinerseits Lotus-Pilot, ist zufrieden wie die bisherigen Testfahrten in Jerez gelaufen sind. "Fundamental passt alles. Es macht riesigen Spaß das Auto zu fahren", erklärte Kovalainen. Und wenn doch einmal ein Abflug passiert wie dem Finnen am zweiten Testtag in Kurve drei, dann nimmt man das bei Lotus gelassen hin. "Solche Dinge passieren einfach", erklärte Teamchef Tony Fernandes.

In einer Sache ist Lotus bereits weltmeisterlich: im twittern. Niemand twittert mehr als Fernandes. Vielleicht will er Richard Branson, mit dem er eine Wette am Laufen hat, auch nur über den aktuellen Stand bei Lotus informieren, denn Fernandes und Lotus befinden sich im Gegensatz zu Virgin klar auf Kurs.

Virgin: Wichtig ist in der Saison

von Stephan Heublein

Twitter- und Testweltmeister bekommen keine Extrapunkte - das wäre höchstens in einer US-Rennserie so, wo es für die absurdesten Dinge Zusatzpunkte gibt. Klar, Virgin legte in jeder Hinsicht einen deutlichen Fehlstart hin - der virtuelle Launch fand nicht statt, das Auto löste sich beim ersten Test auf und stand mehr an der Box, als es fuhr.

Aber das ist ja der Sinn von Testfahrten: Dinge ausprobieren, Fehler finden und beheben. Auch Lotus hatte Probleme mit einem Frontflügel - nur der Auslöser war unterschiedlich, bei den einen löste er sich von alleine auf, bei den anderen war ein Schlag von vorne notwendig. Dass Ersatzteile bei den neuen Teams am Anfang Mangelware sind, ist normal. Was wirklich zählt, ist auf der Rennstrecke, und zwar während der Saison, nicht beim Testen.

Virgin muss noch standfester werden., Foto: Sutton
Virgin muss noch standfester werden., Foto: Sutton

Sobald das Auto mal lief, nichts wegflog, keine Systeme streikten und auch der Regen fern blieb, konnte Timo Glock sofort verhältnismäßig gute Zeiten fahren. Das ist auch klar: Immerhin dürfte der Virgin VR-01 ausgereifter sein als der Lotus, in dem viel weniger Entwicklungszeit steckt, da das Team erst im September von der FIA bestätigt wurde.

Designer Nick Wirth geht zudem einen neuen Weg, ganz ohne Windkanal, der sicher erst in den kommenden Monaten das volle Potenzial entfalten wird - noch stecken diese Philosophie und das Auto in den Kinderschuhen. Das Team kann noch viel nachlegen.

Im Gegensatz zur zusammen gewürfelten Lotus-Truppe, die sich erst noch finden muss, sind bei Virgin, wie Timo Glock immer wieder betont, echte Racer mit Herz bei der Sache. Dort fühlt sich der Kampfdackel pudelwohl: Ärmel hochkrempeln, ranklotzen und sich nach vorne arbeiten. So wird Virgin vor Lotus landen.