Contra: Keiner hat es verdient

von Stephan Heublein

In Bernie Ecclestones Welt wäre schon längst alles klar: Jenson Button hätte unter dem Medaillensystem in Singapur seinen ersten Weltmeistertitel eingefahren - mit einem fünften Platz. Nicht, dass daran etwas falsch wäre, einen Titel ohne Podestplatzierung einzufahren, selbst Michael Schumacher musste einst einen achten Platz nach Hause fahren, um sich in Suzuka den entscheidenden Punkt zu holen. Aber er hatte zuvor eine überzeugende Saison hingelegt.

Bei Jenson Button kann man mit ein bisschen Wohlwollen von einer überragenden ersten Saisonhälfte sprechen, wobei er eigentlich seit dem siebten Rennen in der Türkei keinen Sieg mehr eingefahren hat. Dafür gewann er sechs der ersten sieben Rennen nahezu unumstritten. Aber reicht ein starker Beginn, um ein würdiger Champion zu sein? Gehört nicht eine ganze Saison dazu?

Button und Vettel im Zweikampf, Foto: Sutton
Button und Vettel im Zweikampf, Foto: Sutton

Das Ergebnis scheint mit oder ohne Medaillen gleich zu sein: Button wird den WM-Titel gewinnen. 14 Punkte Vorsprung zwei Rennen vor dem Ende werden reichen, obwohl er seit Monaten nicht mehr in der Form ist, die er zu Saisonbeginn gezeigt hat. Das lag zum Teil an Problemen mit seinem Auto, das bei niedrigen Temperaturen nicht so gut war, zum Teil aber auch an ihm selbst, denn in den letzten Wochen war sein Teamkollege Rubens Barrichello klar besser als Button - obwohl er den Brasilianer zu Saisonbeginn klar dominiert hatte.

Die Nerven, der Druck, die ungewohnte Situation im Titelkampf scheinen Button zuzusetzen. Er verliert sich im Setupkrieg und fand an den letzten Rennwochenenden nie oder erst viel zu spät im Rennverlauf heraus. Wäre also Rubens Barrichello der würdigere Champion? Im Gegensatz zu Buttons fliegendem Start, legt Rubinho einen starken Schlussspurt hin, der aber in Singapur und Suzuka auch nicht wirklich überzeugend war. Ganz zu schweigen von seinem Saisonstart, von seinen Ausreden über lockere Gurte, problematische Anti-Stall-Systeme, schlimme Rückenschmerzen und böse Stallregie zu Gunsten des Teamkollegen. Weltmeisterlich ist das nicht gerade...

Bleibt nur noch Sebastian Vettel. Nach Siegen ist er der zweiterfolgreichste Pilot des Jahres, bis zum Saisonende könnte er auf 5:6 Siege gegen Button verkürzen. Das wäre schon einmal etwas. Aber auch beim deutschen Jungstar war nicht alles Gold, was glänzte. Zu oft patzte sein Team bei der Strategie, zu oft spielte die Technik nicht mit und zu oft war er selbst noch nicht abgeklärt genug, um den Start perfekt hinzubekommen oder in Australien nicht mit Robert Kubica zu kollidieren.

Drei Kandidaten, drei Problemfälle. Einer fing stark an und ließ ebenso stark nach. Einer fing schwach an, steigerte sich und überzeugte trotzdem nicht recht. Und einer war immer dabei, aber nie wirklich über allen Dingen erhaben. Am Ende wird es trotzdem einer von ihnen werden. Bei den verbleibenden zwei Rennen haben sie die Gelegenheit, um zu zeigen, warum sie es doch verdient haben.

Pro: Eines Champions würdig

von Kerstin Hasenbichler

Drei Kandidaten für den Titel und alle drei Kandidaten wären würdige Champions. Jenson Button, Rubens Barrichello und auch Sebastian Vettel haben sich den einen oder anderen Fehler geleistet, doch gerade ihre Fehler machen den aktuellen WM-Kampf so spannend. Selbst Bernie Ecclestone betonte immer, dass der WM-Kampf im letzten Rennen - wenn es geht, sogar erst in der letzten Kurve - entschieden werden soll. Durch die Patzer der drei Kandidaten ist die WM immer noch offen, ganz im Sinne von Ecclestone und den F1-Fans.

Jenson Button hat die besten Chancen auf den Titel und der Brite hätte ihn redlich verdient. Lange Zeit galt Button als Draufgänger und Racer, doch jetzt beweist der Brawn GP-Pilot Cleverness. Er fährt klug und mit Weitsicht wie es sich für einen Champion gehört. Bis auf den unverschuldeten Ausfall beim Belgien-GP in Spa fuhr der Brite in jedem Rennen in die Punkte. "Champions zeichnen sich dadurch aus, dass sie taktisch klug fahren, das heißt, dass sie auch mal in einer heiklen Situation zurückstecken, wenn sie merken, dass an diesem Tag nicht viel geht", erklärte Ross Brawn.

Und Ross Brawn weiß, wovon er spricht. Schließlich holte er gemeinsam mit Michael Schumacher zahlreiche Titel. Selbst Schumacher predigte noch zu seiner aktiven Zeit, dass man um Weltmeister zu werden, vor allem erst einmal ankommen muss. Dass er den Speed eines Champions hat, hat Button bereits am Anfang der Saison mit seinen sechs Siegen in sieben Rennen bewiesen. Der Brite, der einst als flatterhaft kritisiert wurde, scheint sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. "Ich konzentriere mich einfach auf meine Arbeit. Wichtig ist für mich nur, dass ich den Titel gewinne, nicht, wo ich ihn gewinne", betonte der Brawn GP-Pilot vor dem Japan-GP.

Und auch Rubens Barrichello hätte den WM-Titel verdient. Der Brasilianer hat sich endlich von seinem Nummer-Zwei-Status aus den Ferrari-Zeiten gelöst und einen beeindruckenden Schlussspurt hingelegt. Ungeachtet von dem Rückstand auf Button und den vielen Kritikern hat sich Barrichello nie unterkriegen lassen und immer an seine Chance geglaubt. Genauso wie in Barrichello scheint auch in Sebastian Vettel ein echtes Kämpferherz zu stecken. Nach dem Singapur-GP hatte man den Red Bull-Piloten im WM-Kampf bereits abgeschrieben, doch mit seinem Start-Ziel-Sieg in Japan hat sich Vettel furios zurückgemeldet.

Mit seinem dritten Saisonsieg verkürzte der Deutsche den Rückstand auf WM-Spitzenreiter Jenson Button von 25 auf 16 Zähler. Vettel ist aber nicht nur ein Kämpfer, sondern auch noch verdammt schnell wie er bei seiner Galavorstellung in Japan gezeigt hat. Selbst F1-Champion Alain Prost glaubt, dass der Deutsche den Titel holen kann. "In Sao Paulo wird er nur sehr schwer zu schlagen sein", meinte Prost. Mit zwei Erfolgen in den verbleibenden Rennen könnte sich Vettel zum Champion krönen. Und das das nicht unmöglich ist, hat bereits sein Kumpel Kimi Räikkönen 2007 bewiesen.