Auf der Strecke sind sich Rennfahrer oftmals nicht ganz grün, ansonsten sind sie aber doch irgendwie alle gleich. Sie wollen immer gewinnen, haben produktive Tests, reisen gerne nach Montreal und lieben Strecken wie Spa-Francorchamps und Suzuka. "Istanbul erinnert mich an Strecken wie Spa", sagt Fernando Alonso und spricht damit noch etwas an, was er und seine mittlerweile nur noch 19 Stammfahrerkollegen gemeinsam haben: alle lieben sie den Istanbul Park.

"Die Strecke ist sehr breit und es gibt einige Überholmöglichkeiten", spricht Alonso einen der Vorteile de Kurses an. "Es gibt auch einige besondere Kurven, deren Ausgang man nicht sehen kann - das macht Istanbul ziemlich außergewöhnlich." Auch Nick Heidfeld freut sich auf das Rennen in Istanbul. "Ganz besonders freue ich mich auf Kurve 8, die größte Besonderheit der Strecke", sagt der Deutsche. "Sie ist direkt im ersten Grand Prix berühmt geworden, weil sie so schwierig ist und es dort entsprechend viele Ausrutscher und Manöver gab." Für alle die sich nicht daran erinnern können: Kurve 8 ist nicht nur eine Zahl, es ist eine lang gezogene, sehr schnelle Kurve mit mehreren Scheitelpunkten. "Sie besteht eigentlich aus vier Kurven", verrät Heikki Kovalainen, "eine nach der anderen, links, links, links und noch mal links."

Ein Blick auf die Berg- und Talbahn von Istanbul., Foto: Sutton
Ein Blick auf die Berg- und Talbahn von Istanbul., Foto: Sutton

Wichtig ist: "Du musst den ersten Scheitelpunkt genau treffen, dann lupfst du im richtigen Moment ein klein wenig, dann geht's mit Vollgas zum nächsten Scheitelpunkt", beschreibt Kovalainen. "Du fährst fast alles voll und musst dabei exakt die richtige Linie treffen. Das ist eine Herausforderung, wie wir Fahrer sie lieben und wie sie uns Spaß macht." Zudem gibt es in der Mitte der Kurve eine kleine Kompression, wo das Auto auch leicht aufsetzt. Das zwingt die Ingenieure dazu, die Bodenfreiheit nicht zu niedrig einzustellen, damit die Bodenplatte nicht zu sehr abgenutzt wird. Das kostet allerdings in anderen Kurven Zeit und erschwert das Handling des Autos.

"Kurve 8 ist einzigartig in der Formel 1", stimmt Christian Klien zu. "Sie hat gleich drei Scheitelpunkte! Du fährt sie mit 250 km/h und sie nimmt anscheinend kein Ende. Über 8 Sekunden hängst du da mit bis zu 4.5 G Seitenbelastung drin", so der BMW Sauber-Testfahrer. "Am Ende des Rennens kann kaum einer noch den Kopf gerade halten." Für die Fahrer ist nicht nur die Länge der Belastung ungewohnt - es geht in Istanbul auch entgegen dem Uhrzeigersinn. "Da die meisten Strecken im Uhrzeigersinn befahren werden, sind die rechten Nackenmuskeln etwas kräftiger ausgeprägt", erklärt Lewis Hamilton. "Deshalb trainierte ich vor Istanbul besonders die linke Seite, um mich optimal vorzubereiten."

Alexander Wurz kennt die physische Belastung von Kurve 8 bestens, nur die Begeisterung seiner Kollegen kann der GP-Veteran nicht teilen. "Alle sprechen über Kurve 8", sagt er. "Für mich ist das nichts weiter als ein welliger Nackenkiller; es ist keine Stelle, wo man mit viel Mut jede Menge Zeit gutmachen kann, das kann man in schnellen Kurven nie." Zudem könne man mit zu hohem Einsatz in Kurve 8 den rechten Vorderreifen auf die Distanz zerstören. Denn die enormen Kräfte zerren nicht nur am Nacken des Fahrers, sondern eben auch an den Reifen. "Man muss aufpassen, dass man die Reifen nicht zu sehr beansprucht", verrät Hamilton. "Das Fahren gegen den Uhrzeigersinn macht ihnen im Gegensatz zu uns Fahrern nichts aus."

Trotzdem werden die Reifeningenieure genau auf die Gummis achten. Die hohen Geschwindigkeiten bedeuten in Verbindung mit den starken Bremsmanövern, dass durch die Reifen viel Energie abgegeben wird. Das kann die Reifenabnutzung steigern. Eine weitere kritische Stelle sind die links-rechts-links Kurven 12-14. Dies ist die langsamste Passage des Kurses, die wiederum auf die Start- und Zielgeraden führt. Hier müssen die Fahrer darauf achten, dass ihre Reifen kein Graining entwickeln.

Nix da topfeben: in Istanbul geht es noch nach oben - und dann wieder nach unten., Foto: Sutton
Nix da topfeben: in Istanbul geht es noch nach oben - und dann wieder nach unten., Foto: Sutton

"Istanbul ist eine fordernde Strecke für das Setup", sagt Alex Wurz. "Es gibt viele verschiedene Kurvengeschwindigkeiten und Griplevel." Auf schnelle Richtungswechsel folgt eine lange Gerade und am Ende eine langsame Passage. "Das macht einen Setupkompromiss schwierig." Auch verändert sich der Asphalt im Laufe einer Runde: "Im letzten Sektor ist er sehr rutschig, aber im ersten Sektor hat man viel mehr Grip." Robert Kubica sieht deshalb die richtige Balance zwischen Hochgeschwindigkeitskurven und langsamen Kurven als Schlüssel an.

"Der Istanbul Park bietet Abwechslung pur", weiß BMW Sauber-Technikchef Willy Rampf. "Er weist langsame Passagen auf, wo gute Traktion gefragt ist. Weil es lange und zum Teil ansteigende Geraden gibt, darf der Luftwiderstand des Autos nicht zu hoch sein." Deswegen wird in Istanbul mit einem um eine Stufe geringeren Abtriebslevel gefahren als zuletzt in Barcelona. Etwas Besonderes ist der Berg- und Talbahncharakter der Strecke, die nur selten flach ist; meistens geht es bergauf oder bergab.

"Es geht auf dieser Strecke mehrmals auf und ab, zudem sind manche Kurven blind, weil ihre Scheitelpunkte auf einer Kuppe liegen", verrät Kovalainen. Andere Teile seien hingegen ganz flach. "Bei der Abstimmung geht es also darum, den optimalen Kompromiss zu finden." Wichtig sei es, fahrerisch das Maximum herauszuholen, die Ideallinie exakt zu treffen und über die Kuppen immer im richtigen Moment aufs Gas zu gehen. "Auf diesen Kuppen hast du das gleiche Gefühl im Magen wie mit einem Serienfahrzeug, aber im Laufe des Wochenendes gewöhnst du dich daran", so Kovalainen. "Es gibt ein paar gute Stellen zum Überholen, immer wenn man die langsameren Kurven anbremst. Die beste Möglichkeit für Ausbremsmanöver bietet das Ende der langen Gegengeraden." Rubens Barrichello sieht in Kurve 1 und 3 Überholchancen. "In den Kurven 9 und 12 könnte es auch klappen, wenn man sie hinbekommt." Und zuvor nicht der Nackenkiller zugeschlagen hat.