Das Zittern, die Anspannung, die Angst - das kennt sie noch von früher. Besser als die meisten anderen - denn Viviane Senna hat das ja alles schon mal erlebt, vom größten Triumph bis zu größten Tragik. Dass sie jetzt wieder regelmäßig an den Rennstrecken stehen würde, um ihrem Sohn die Daumen zu drücken, das hätte die Schwester von Ayrton Senna nie gedacht. "Das kam alles so plötzlich, so unerwartet. Aber in unserem Leben spielt sich alles sehr schnell ab, das muss in der DNA der Familie liegen - alles passiert sehr schnell..."

Auch in ihrem Leben: Die Schicksalsschläge, der Tod des Bruders, dann, knappe zwei Jahre später, der tödliche Motorradunfall ihres Ehemannes - aber auch der eigene Erfolg. Die Senna Foundation, oder das Instituto Ayrton Senna, so der offizielle Name in Brasilien, das Vermächtnis von Ayrton, wurde unter der Führung von Viviane in den letzten Jahren zu einer der führenden sozialen Hilfs- aber auch Weiterbildungs- und Forschungseinrichtungen. "Wir haben in einigen Jahren eine Position erreicht, die sich in Brasilien wohl kaum hätte jemand vorstellen können."

Kehrt der Name Senna mit Bruno in die F1 zurück?, Foto: adrivo Sportpresse
Kehrt der Name Senna mit Bruno in die F1 zurück?, Foto: adrivo Sportpresse

1,3 Millionen bedürftige Kinder pro Jahr profitieren in 1.300 Städten in 24 Bundesstaaten in den verschiedensten Förderungs- und Ausbildungsprojekten vom Engagement des Instituts, 60 Millionen Euro wurden bis jetzt investiert, man bekam Auszeichnungen für die hervorragende Arbeit unter anderem von der UNESCO.

Leistungen, auf die sie stolz sein kann - empfindet sie auch einen gewissen Stolz, wenn sie ihren Sohn Bruno jetzt in der britischen Formel-3-Meisterschaft um den Titel kämpfen sieht? "Stolz würde ich es nicht nennen", sagte sie motorsport-magazin.com. "Aber ich freue mich für Bruno. Es ist sehr schön wenn jemand das machen kann, was seinem Naturell entspricht und dabei Erfolg hat."

Ihren Sohn diesen Weg gehen zu lassen, das fiel Viviane Senna nicht leicht. Nach Ayrtons Tod 1994 war für den damals zehnjährigen Bruno Schluss mit dem Kartfahren - "und ich habe eigentlich überhaupt nicht gedacht, dass er das Thema noch im Kopf haben könnte. Als er dann mit 18 ankam und sagte, er wolle Rennen fahren, hatte ich so meine Zweifel, ob das wirklich ernsthaft war, nicht nur so eine Laune, weil er gerade seinen Führerschein gemacht und ein Auto bekommen hatte."

Zwei Jahre ging das, in denen sie ihn hinhielt, auch versuchte, ihn von der Idee abzubringen. "Aber irgendwann, ich war gerade geschäftlich in den USA, bin ich dann früh aufgewacht und mir ist so was wie die Erleuchtung gekommen: Ich kann doch nicht durch meine Arbeit helfen, anderen Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Träume zu verwirklichen - und meinem eigenen Sohn diesen Wunsch verweigern." Sie fragte dann noch einmal, "ob er nicht im Umfeld der Formel 1 was anderes machen möchte, vielleicht Teamchef, Ingenieur oder Journalist. Aber nein, er wollte nur fahren, er hat mir gesagt, er werde eben arbeiten, um sich das ermöglichen zu können. Da war mein Widerstand gebrochen und ich habe gesagt, okay, wenn es wirklich das ist, was du unbedingt willst, dann werde ich dir helfen..."

Erste Versuche im Kart gingen schief, Bruno war dafür mit seinem zu 1,80 Meter zu groß, "er hat sich dabei immer wieder die Rippen gebrochen." Viviane aktivierte alte Kontakte und Freundschaften - suchte Rat und Hilfe bei Gerhard Berger. "Und der hat innerhalb eines Tages zwei Tests arrangiert, in der Formel BMW und der Formel Renault. Wir haben uns am Abend in seinem Haus unterhalten, und am nächsten Morgen sagte er mir, dass das okay geht. Ich habe Bruno angerufen, der konnte es kaum glauben." Die ersten Rennen in der Formel BMW kamen im August 2004 - der Rest bis heute ist schon Geschichte...

Bruno Senna denkt noch nicht an die Formel 1., Foto: adrivo Sportpresse
Bruno Senna denkt noch nicht an die Formel 1., Foto: adrivo Sportpresse

Und wieder geht alles extrem schnell - im Senna-Tempo eben. Mit den ersten Siegen - beim australischen F3-Rennen in Melbourne im Rahmenprogramm des GP und dann gleich weiter in der britischen Formel 3 - kam auch der große Wirbel und die noch größeren Erwartungen. Da sind diejenigen, die Bruno so schnell wie möglich in der Formel 1 sehen wollen - nicht zuletzt aus kommerziellem Eigeninteresse. Und da sind die vielen in Brasilien, die in ihm den neuen Helden sehen, den das Land seit Ayrton Sennas Tod verzweifelt sucht.

Eine Entwicklung, die Viviane überall zu bremsen versucht: "Für die Formel 1 ist es noch viel zu früh, Bruno muss einen Schritt nach dem anderen machen - und das weiß er selbst auch ganz genau. Er muss noch wachsen, viel lernen, bis man daran denken kann. Und eines will er ganz bestimmt nicht: den Platz von Ayrton einnehmen. Er ist nicht Ayrton und kann und will das auch niemals sein. Er will und muss seinen eigenen Weg gehen. Sicher, er ist ein Senna - aber er ist Bruno Senna. Das ist ein Unterschied."

Aber natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten. "Bruno ist wie Aryton jemand, der seine Chance bekommen hat, aus seinem Leben das zu machen, was er wollte. Dadurch hat er auch eine innere Verbindung zu dem, was ich mit dem Instituto zu tun versuche - anderen zu helfen, ebenfalls diese Chance zu bekommen." Kein Wunder also, dass Bruno das Logo des Instituto prominent am Auto und am Helm trägt. "In die Rolle des Botschafters für unsere Arbeit wächst er damit ganz automatisch hinein!"