Ungewohnt entscheidungsfreudig gaben sich die Entscheidungsträger der Königsklasse bei jenem Meeting, bei dem der neue Knock Out-Qualifikationsmodus und sogar der radikale CDG-Wing abgesegnet wurden. Doch es wäre auch nahezu absurd gewesen, hätte die Formel 1 ein weiteres Jahr mit jenem Einzelrunden-Modus bestritten, gegen den sich die Mehrheit der Fans und Protagonisten ausgesprochen hat.

Völlig auszuschließen war ein solches Szenario jedoch ganz und gar nicht - der neue Modus wurde quasi "fünf Minuten vor Zwölf" beschlossen - zuvor hatten schon die Formel 1-Ingenieure gemeint, es sei aus technischen Gründen zu spät für einen solchen Wechsel. Die Formel 1-Fans sind seit Jahren gewöhnt daran, dass es lange Zeit keine Entscheidungen gibt und dann plötzlich, über Nacht, neue Regeln verkündet werden. Diese sind meist umstritten - auch der einstimmig beschlossene Quali-Modus ist alles andere als unumstritten, nicht wenige betrachten ihn als viel zu kompliziert...

Die Königsklasse des Automobilrennsports wurde zu einer Art von "politischer Großbaustelle" - in den letzten Jahren gab es keinen Saisonstart ohne ein neues Regelwerk. Viele sehen in der FIA respektive deren Präsidenten Max Mosley den Schuldigen - andere wiederum finden, dass die Uneinigkeit der Teambosse den Briten quasi zur Diktatur zwingen. Ferrari-Teamchef Jean Todt erklärte sich in einem Interview mit der Zeitschrift Auto, Motor und Sport solidarisch mit dem Briten - Mosley würde einen "ausgezeichneten Job" erledigen, gemessen an der Uneinigkeit der Teamgranden...

 Mosley ist 65, Ecclestone sogar 75 Jahre alt., Foto: Sutton
Mosley ist 65, Ecclestone sogar 75 Jahre alt., Foto: Sutton

"Seien wir doch mal ehrlich: Die Teams sind nicht in der Lage, sich auf irgendetwas zu einigen", sagt Todt in dem Gespräch. Eine Sitzung der Teambosse würde laut Todt folgendermaßen ablaufen: "Allein die Entscheidung, eine Tasse auf dem Tisch um zehn Zentimeter zu verschieben, dauert vier Stunden. Der eine will sie hierhin haben, der andere dorthin. Zum Schluss bleibt sie da, wo sie ist." Und weil das viel Zeit in Anspruch nehmen würde, könne sich Todt gut damit abfinden, dass er und seine Scuderia bei vielen Teambesprechungen ausgeschlossen sind - Ferrari bekannte sich frühzeitig zu einem neuen Concorde-Abkommen, nimmt in Sachen Teampolitik eine Außenseiterrolle ein. Die freiwillige Testbeschränkung, die Ferrari als einziges Team torpediert, ist nur eine Facette dieser Politik...

"Wir brauchen frisches Blut, müssen offen für neuen Ideen sein, mit einem Lachen im Gesicht. Ich bin froh, dass sich jetzt neue Teams mit jungen Leuten ankündigen", sagt Todt. Derzeit würden "zu viele Egos im Weg stehen", es würde "zu viel aufgestaute Wut, zu viel Misstrauen" geben, und: Die Entscheidungsträger der Formel 1 seien schlicht "zu alt", findet Todt. Der 64jährige fügt hinzu: "Ich schließe mich da mit ein."

Tatsächlich wird dieser an sich als jung geltende Sport von Senioren geleitet. Max Mosley ist 65, Bernie Ecclestone sogar schon 75 Jahre alt. Und selbst Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz, der als großer Erneuerer gilt, ist bereits über 60...

Noch nicht in den Klub der Über-Sechzigjährigen ist Hans Joachim Stuck eingetreten. Der frühere Formel 1- und nunmehrige Grand Prix Masters-Pilot erzählte in einem Interview für Motorline: "Ich habe dem Max Mosley in China gesagt: 'Mach ein vierzigminütiges Qualifying, gib den Jungs je drei Satz Reifen, mit freier Benzinmenge und für die Pole-Position gibt es einen WM-Punkt. Da haben wir dann wieder eine richtige Action! Da geht es richtig los!'" Die Reaktion des FIA-Präsidenten sagt doch einiges über die hohe Formel 1-Politik aus - auf die Frage, was Mosley zu seinem Vorschlag zu sagen hatte, antwortete Stuck lachend: "Gar nichts hat er gesagt. Gegangen ist er...."