Das Ende der Formel 1 haben viele Schwarzmaler nach der Farce beim US Grand Prix vorhergesagt. Zumindest jenes in Nordamerika und speziell den Vereinigten Staaten. Für den kommenden Mittwoch, an welchem der FIA World Motor Sport Council über eine mögliche Bestrafung der sieben Michelin-Teams entscheiden wird, wird bei negativem Ausgang hingegen das endgültige Auseinanderbrechen der Königsklasse und das absolute Ende vorausgesagt.

Aber wenn die Welt schon in Frankreich untergeht, dann nehmen wir die Franzosen gleich mit. So jedenfalls könnte das Motto des neuen Fun-Teams im F1-Paddock, von Red Bull Racing gelautet haben, als man am Montagabend eine Grand Prix Vorschau der etwas anderen Art an die Pressevertreter verschickte.

Denn in dieser ging es nicht wie üblich um die Einschätzungen der Fahrer und Teamverantwortlichen zum Rennen auf dem Circuit de Nevers. Stattdessen singt die britisch-österreichische Truppe ein wahrhaftes 'Loblied' auf die 'Touristenmetropole' im französischen Niemandsland, mit den wohl teuersten Hotels der Welt. Ob das Verbot von Red Bull im Land der Tricolore damit etwas zu tun hat, möchten wir an dieser Stelle einfach einmal dahin gestellt lassen...

Red Bull Racing über den Frankreich GP

Hier geht die Post ab - Ganz schnell in alle Himmelsrichtungen!, Foto: Sutton
Hier geht die Post ab - Ganz schnell in alle Himmelsrichtungen!, Foto: Sutton

Glaubt man dem amerikanischen Schriftsteller Mark Twain, dann wurde "Frankreich üblicherweise von Dirnen regiert". Diese Behauptung ist ein wenig unfair, denn jeder weiß, dass Frankreich in Wahrheit von Persönlichkeiten wie Asterix dem Gallier, dessen Nachfahren Charles de Gaulle, Sacha Distel, Brigitte Bardot, dem Sänger Johnny Halliday und diesem Schauspieler mit der großen Nase regiert wurde. Ah! La Belle France. Nach zwei Rennen in Übersee kehrt die Formel 1 zu Saisonmitte nach Europa zurück und zwar in ein Land, das für sich in Anspruch nehmen kann, den Grand Prix-Sport vor genau 99 Jahren erfunden zu haben.

Bedauerlicherweise scheint sich die Region um Magny-Cours im Verlauf dieses einen Jahrhunderts nicht viel verändert zu haben. Entsprechend ist das gesellschaftliche Drumherum bei diesem Event das langweiligste der gesamten Saison. Es ist eine großartige Gegend, wenn man sich gern Kühe anschaut. Natürlich französische Kühe, die mit ihren langen Wimpern und dem sonnengebräunten Fell über einen gewissen Chic verfügen.

Sieht man von den Rennfahrern ab, die in einem modernen Hotel knapp außerhalb der Tore des Circuits absteigen, sind alle übrigen Mitglieder des F1-Zirkus über die Region verstreut untergebracht. Sie wohnen in Herbergen, die von Reisebüros gern als "pittoresk" beschrieben werden… Das Wort "pittoresk" stammt aus dem Französischen und bedeutet offenbar ursprünglich soviel wie "marode Wasserleitung und gefährliche elektrische Leitungen". Wie auch immer, durch ein altes Chateaux zu schlendern und sich nach dem umzuschauen, was die Franzosen immer noch am besten können – speziell das Zubereiten von Speisen und Getränken –, um sich anschließend mit einem kühlen Drink in einen malerischen Garten zu setzen, ist eine wunderbare Art, den Tag ausklingen zu lassen. Das gilt speziell nach der Tour durch Bars und Restaurants, die zuletzt in Nordamerika angesagt war.

'Muuuh! - Magny Cours is awesome!', Foto: Sutton
'Muuuh! - Magny Cours is awesome!', Foto: Sutton

Die einzige Stadt in der Nähe ist Nevers. Wenn man den Namen englisch ausspricht [never = niemals, d. Red.], dann beschreibt das perfekt die Antwort vieler Leute auf die Frage, wie oft sie wieder hierher kommen möchten. Jahrelang wurde das F1-Völkchen verwöhnt, denn früher wurde der Grand Prix von Frankreich an der Riviera auf dem Circuit Paul Ricard ausgetragen. Das bedeutete wunderbare Stunden am Strand, wenn der Arbeitstag vorüber war. Aus diesem Grund wurde es den Franzosen nie so recht verziehen, dass sie den WM-Lauf in ein Gewerbegebiet – das damit zum technologischen Hotspot aufgewertet werden sollte – mitten in der tiefsten Provinz verlegten. Würde man im Fahrerlager eine Abstimmung über diese Rennstrecke machen, das Ergebnis würde ebenso ausfallen wie kürzlich das französische Referendum zum Thema EU-Verfassung.

Gegen die Piste selbst lässt sich eigentlich gar nicht so viel sagen. Sie bietet den ebensten Asphalt der ganzen Saison, ausgezeichnete Sicherheitsbedingungen für die Piloten sowie ein weiträumiges und vorbildliches Fahrerlager. Der französische WM-Lauf fand allerdings oft vor nicht gerade ausverkauftem Haus statt, weil sich der Großteil der Bevölkerung in dieser Jahreszeit wegen "les vacances" an die Strände abgesetzt hat. Außerdem kollidiert der Termin des Rennens mit dem Höhepunkt und Abschluss des Tennis-Turniers in Wimbledon und dem Auftakt des Radsportklassikers Tour de France. In diesem Jahr fehlt es zudem an einem einheimischen Piloten – erstmals seit vielen Jahren ist kein einziger französischer F1-Fahrer am Start. Immerhin: Olivier Panis darf im Freitagstraining am Steuer des Toyota Gas geben.

Die Kühe oben sind entliehen. Aber die hier sieht französisch aus..., Foto: Sutton
Die Kühe oben sind entliehen. Aber die hier sieht französisch aus..., Foto: Sutton

Abschließend noch einige Tipps für all diejenigen, die anlässlich des F1-Rennens eine Reise nach Magny-Cours planen:

Der nächstgelegene Flughafen: Paris
Der nächstgelegene empfehlenswerte Nachtclub: Paris
Sightseeing: der Triumphbogen in Paris (Den Eiffelturm sollte man links liegen lassen, solange das Baugerüst nicht entfernt ist.)
Red Bull Racing

Verzweifelte Archivsuche

Die Formel 1 hat ihren - zumindest zuweilen durchscheinenden - Humor nach der Schmach von Indy also doch noch nicht ganz verloren. Und tatsächlich stellten wir schon am Montagnachmittag - nicht unbedingt verdutzt oder überrascht - fest, dass weder unser umfangreiches Bildarchiv noch die schier unendlichen Weiten des Archives von Sutton Motorsport Images auch nur ein einziges Off-Track-Bild der Region oder Ortschaften rund um Nevers enthalten. Und das hat durchaus seine Gründe...

Am Mittwoch könnte dann aber auch das hier noch hoch gelobte Paris mit nur einer Entscheidung der FIA zum zweitunbeliebtesten Ort der roten Bullen und zum Ausgangspunkt für den F1-Weltuntergang werden...