Der erste Grand Prix der neuen Saison war ein prickelndes Rennen, mit einer vom "Wettergott" bunt gemischten Startaufstellung. Dementsprechend wurde auch überholt - betrachtet man die Lapchart dieses Rennens, erkennt man auf den ersten Blick: Derart viele aktive Positionswechsel gab es auch wieder nicht, zwischen den Boxenstopps sieht man großteils Linien. Prinzipiell kann man sagen: Das Überholen auf der Strecke, die Rad-an-Rad-Kämpfe haben immer noch Seltenheitswert…

Das sieht auch Gerhard Berger nicht anders - in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung appellierte der frühere BMW-Motorsportdirektor: "Die Überholmanöver fehlen, weil kein Windschattenfahren möglich ist. Dieses Problem muss die FIA lösen. So kann es nicht weitergehen." Nach den extrabreiten Tilke-Strecken in Malaysia und Bahrain wird man ab Imola sehen, wie überholfreudig die aktuelle Formel 1 wirklich ist. Aufgrund des nötig gewordenen Reifenschonens befürchten viele, dass die Risikobereitschaft der Piloten noch weiter sinken könnte.

Berger's Rezept: Beschnittene Unterböden, große Flügel

Durch die neuen Regeln haben die Boliden rund 20 Prozent an aerodynamischem Abtrieb eingebüßt - doch Gerhard Berger reklamiert einen grundlegenden Fehler in der Strategie der obersten Motorsportbehörde, die Autos einzubremsen: "Es wurde zwar der Abtrieb reduziert, nicht aber der Weg, wie dieser produziert wird. Um die Kurvengeschwindigkeiten einzubremsen, hat die FIA in den vergangenen Jahren immer kleinere Flügel vorgeschrieben."

"Das hat dazu geführt, dass die Aerodynamiker sich immer mehr auf den Unterboden konzentriert haben. Man müsste grundsätzlich umdenken, die Aerodynamik an der Unterseite der Autos beschneiden und wieder größere Flügel verordnen. Dann schieben die Autos wieder mehr Luft vor sich her. Das erzeugt einen Windschatten, und der bietet die Möglichkeit zum Überholen."

Es ist absurd, ein Auto nicht fahren zu lassen, weil das teuer ist…

Und auch bei den FIA-Maßnahmen zur Kostenreduktion sieht Berger die Formel 1 ins Abseits driften, zu der heiß umstrittenen Einschränkung der Testfahrten sagt er: "Ich warne davor: Das ist der falsche Weg. Die Tests sind ein elementarer Teil des Motorsports." Berger ist kein Freund des Rundengeizes: "Junge Fahrer müssen Strecken kennen lernen dürfen, sie müssen sich fahrerisch weiterentwickeln können. Es ist doch absurd, ein Auto nicht fahren zu lassen, weil das zu teuer ist."

Berger sieht nur einen Ausweg: "Für mich liegt der Schlüssel für das Problem in den Kosten pro Kilometer. Die müssen runter – so weit, dass es sich auch kleine Teams wieder leisten können." Die Zweiwochenend-Motoren seien ein solcher Schritt in die richtige Richtung, findet Berger, hier könne man bei der Stückzahl der produzierten Aggregate Kosten einsparen, auch bei den Reifen sei dies der Fall - doch gerade diese Regelungen sorgen für den vermehrten Rundengeiz in den GP-Trainingseinheiten. Zudem stellt sich immer noch die Frage, ob die Entwicklung nicht weitaus kostspieliger ist, als dass es bei zehn anstatt zwanzig hergestellter Motoren eine derart große Einsparung zu verzeichnen gibt, welche den zuschauerfeindlichen Rundengeiz auch nur annähernd rechtfertigen könnten.

Michael hat Nick keine Chance gelassen!

Wie auch immer - Gerhard Berger wagt nach dem ersten Rennen bereits eine Analyse über die aktuellen Kräfteverhältnisse in der Formel 1: " Ich glaube, in diesem Jahr wird die Entscheidung zwischen drei Teams fallen: Ferrari, Renault und McLaren-Mercedes. Dahinter rangieren BMW-Williams, BAR-Honda und Red Bull, das die große Überraschung des ersten Rennens war. Enttäuscht haben mich Toyota und Sauber."

Und auch Gerhard Berger gibt Michael Schumacher die Schuld an der Kollision mit seinem Landsmann Nick Heidfeld: "Er hätte Nick wenigstens den Raum zum Bremsen geben müssen. Er hat ihm keine Chance gelassen." Und: "Michael ist auch nur ein Mensch. Er macht auch seine Fehler, die hat er immer gemacht. Aber zum richtigen Zeitpunkt macht er dann doch immer wieder das Richtige."

Die Turbo-Ära: Monaco mit einer Hand! Ohne Servolenkung…

Und so glaubt der sympathisch offene Tiroler auch, dass ein Michael Schumacher auch in der Sagen umwitterten Turbo-Ära das Formel 1-Feld dominiert hätte: "Er hätte sogar einen größeren Vorsprung auf seinen Teamkollegen herausgefahren als er das heute schafft." Berger erinnert sich an die 1000 PS-Monster: "Als ich angefangen habe, sind wir den Monte Carlo-Grand Prix zu 70Prozent mit einer Hand gefahren. Die andere war am Schalthebel. Wir hatten Autos mit Turbo-Motoren. Die Räder haben ständig durchgedreht, in jeder Kurve ist das Auto quer gestanden und du musstest gegenlenken. Mit einer Hand! Ohne Servolenkung! Das war eine andere Arbeitsweise…"