Das neue Regelwerk der Formel 1. Es ist heftig umstritten. Die Zweiwochenend-Motoren – die Kritiker befürchten noch mehr Rundengeiz, denn es ist logisch, dass die Motoren geschont werden müssen. Die Reifenregel – die Kritiker befürchten, dass die Regel, wonach die Reifen für Qualifying und Rennen halten müssen und nur im Falle eines Luftverlustes gewechselt werden dürfen, eine große Gefahr für die Piloten darstellt. Zudem sind nicht alle Formel 1-Experten davon überzeugt, dass diese Regelung das Überholen erleichtern wird – im Gegenteil, es wird befürchtet, dass man derart reifenschonend fahren wird müssen, sodass die Bereitschaft für gewagte Ausbremsmanöver noch weiter sinken wird. Und auch das neue Qualifying steht in der Kritik – für Renault-Pilot Jarno Trulli stellt es sogar "die größte Sorge" dar…

Das neue Qualifying. Das vielerorts kritisierte Einzelrundenverfahren bleibt bestehen. Dafür wird man in dem nun zweigeteilten Qualifikationsprozedere endlich wieder – in der Session am Samstag – die Boliden mit "leeren" Tanks verfolgen können. Das zweite Qualifying wird dann am Sonntag Vormittag ausgefochten – in dieser Session wird wie im Vorjahr mit Rennsprit angetreten. Die Addition beider Sessions ergibt die Startaufstellung. So weit, so gut…

Weil man den Fans vor Ort am Vormittag etwas mehr als das Vogelgezwitscher oder das Winken der Piloten vom LKW bieten wollte, hat man die Lösung mit dem zweiten Qualifying am Sonntag eingeführt. Denn seit dem Streichen des Warm Ups war an den Rennsonntagen bis zum Start des Rennens Funkstille angesagt. Doch diese Lösung könnte ein Schuss ins Knie gewesen sein…

Medienpräsenz der Pole-Position: Ruiniert!

Die Formel 1 bricht nämlich mit einer Tradition. Bislang war es so, dass am Samstag die Pole-Position ermittelt wurde. Diese wurde dann medial aufbereitet. Jarno Trulli sagte im Rahmen der derzeit laufenden Testfahrten in Barcelona: "Die Zeitungen werden nicht in der Lage sein, ihre Leser mit der Startaufstellung zu versorgen - das betrifft auch all jene TV-Stationen, die nicht von dem zweiten Qualifying berichten werden."

Trulli hat vollkommen Recht – mit dieser Lösung hat Max Mosley die mediale Aufbereitung der Pole-Position ruiniert. Zumindest die Printmedien haben nun diesbezüglich ausgespielt. Die "Zwischen-Pole" wird einen weniger großen Stellenwert einnehmen, weshalb die gesamte Präsenz des GP-Samstags sinken wird, auch im TV – das erste Qualifying wird einen Stellenwert ähnlich dem Freien Training am Samstag einnehmen. Wer also vor dem Start wissen möchte, wer denn auf Pole-Position steht, wird in der Tageszeitung nicht fündig werden…

Aufwertung des Internets – Danke, Mister Mosley!

Die vor allem anfangs und zum Teil auch jetzt noch recht internetfeindlich eingestellten alten Herren Mosley und Ecclestone haben dem neuen Medium einen Riesengefallen getan. Denn wer am Sonntag wissen will, wer auf Pole-Position steht, wird den Computer einschalten und im schnellsten Medium, dem Internet - selbstverständlich auf motorsport-magazin.com - nachsehen. So gesehen könnte man sagen: Danke, Mister Mosley!

F1-Fahren am Sonntag Vormittag: Ein Blindflug!

Doch Jarno Trulli hat noch einen weiteren Grund seiner Besorgnis in den Raum gestellt. War es früher ein Grundrecht der Piloten, sich an einem neuen Tag zumindest für ein paar Runden lang über die Wetter- und Streckenverhältnisse ein Bild zu machen, ist dies beim zweiten Qualifying nicht mehr der Fall. Formel 1-Fahren am Sonntag Vormittag ist de facto ein Blindflug. Trulli: "Was im letzten Jahr schon die Sache komplizierter gemacht hat – nämlich dass man nicht wissen konnte, wie sich das Fahrzeug im zweiten Qualifying mit mehr Sprit an Bord verhalten wird – wird in diesem Jahr noch komplizierter sein. Denn du musst das zweite Qualifying 20 Stunden später fahren – mit komplett anderen Streckenverhältnissen, Temperaturen und Windstärken."

Trulli fügte hinzu: "Die erste Runde, die du am Sonntag fährst, ist deine Qualifying-Runde, denn davor gibt es ja keinerlei Training mehr. Du weißt also nicht, wie die Strecke ist und du weißt auch nicht, ob mit deinem Auto alles okay ist, denn du darfst ja nicht mal eine Installationsrunde fahren. Es heißt dann: Einfach raus aus den Boxen und Qualifying fahren."

Das Gelbe vom Ei?

Weil viele Experten schon im Winter Befürchtungen aussprachen, dass das neue Qualifying ein Desaster werden könnte, stand kurzeitig sogar im Raum, es noch vor Saisonbeginn abermals zu ändern. Sogar Bernie Ecclestone war sich nicht ganz sicher, ob der neue Modus wirklich das Gelbe vom Ei ist. Aber es wurde der mittlerweile für die Formel 1 typische Weg gewählt – der umstrittene Modus wird einfach durchgezogen. Sollte er sich als schlecht erweisen, wird 2006 wieder ein neuer Modus eingeführt werden. Spannend ist in dieser Frage, ob den Verantwortlichen dann eventuell ein noch schlimmerer Modus einfallen kann…