Der American Dream ist derzeit in aller Munde. Nach der Wiederwahl von Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wird die altbekannte Geschichte vom Tellerwäscher, der es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zum Millionär, oder in diesem Fall zum Präsidenten schafft, wieder gerne zitiert. Auch die Formel 1 träumt ihn, den amerikanischen Traum. Doch gelebt hat sie in der Geschichte eher den amerikanischen Albtraum. Motorsport-Magazin.com blickt auf die Pannenserie zurück, welche die Beziehung zwischen der Formel 1 und Amerika arg torpedierte.

Am kommenden Wochenende wird seit 2007 erstmals wieder ein US GP ausgetragen. Doch bis dorthin war es ein beschwerlicher Weg. Immer wieder kamen Meldungen auf, die Finanzierung der neu gebauten Strecke in Austin sei nicht sattelfest und die Bauarbeiten seien ins Stocken geraten. Gegenwärtig ist zwar die Strecke fertiggestellt, an den Zuschauerrängen dürfte allerdings bis zur letzten Sekunde gearbeitet werden. Immerhin konnte die Strecke vor einigen Tagen eröffnet und erste Runden mit einem Formel-1-Boliden darauf gefahren werden. Sogar Lob war aus vielen Reihen für das Streckenlayout zu vernehmen.

Doch fast zeitgleich mit den positiven Meldungen aus Texas gingen negative Schlagzeilen aus New Jersey einher. Der provisorische Formel-1-Kalender für die Saison 2013 beinhaltete nämlich nicht nur das Rennen im Südstaat, auch ein alter Traum von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone sollte sich erfüllen - ein Rennen vor der Kulisse Manhattans.

New Jersey wurde als Austragungsort auserkoren, Verträge unterschrieben. Oder nicht? Ständig gab es Aussagen von Ecclestone, New Jersey habe noch gar keinen gültigen Vertrag für das Rennen, was der dortige Streckenbetreiber aber stets anders sah. Nach Schwierigkeiten bei Finanzierung und Fertigstellung - scheinbar ein beliebtes Spiel in den USA - wurde das Rennen vorerst auf 2014 verschoben.

Ausstieg vor dem Einstieg

Als Toasterhersteller wurde USF1 im Internet bezeichnet, Foto: Sutton (Fotomontage)
Als Toasterhersteller wurde USF1 im Internet bezeichnet, Foto: Sutton (Fotomontage)

Mit dem Aus des USF1 Teams endet kurz vor Saisonbeginn 2010 ein weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte "Amerika und die Formel 1". Der ehemalige F1-Ingenieur Ken Anderson und der ehemalige F1-Teammanager und F1-Journalist Peter Windsor wollten sich einen Traum erfüllen, an dem sie angeblich seit mehreren Jahren gearbeitet hatten.

Amerika sollte der perfekte Standort für ein Formel-1-Team werden - die Infrastruktur, die Zulieferer, die genialen amerikanischen Geniestreiche, all das sollte in der NASCAR-Hochburg Charlotte in North Carolina zuhauf vorhanden sein und den F1-Einstieg von USF1 zum Kinderspiel machen. Weit gefehlt.

Schon bald musste sich das Team mit leeren Fabrikhallen und weißen Bürowänden mit Bildern von Jim Clark (einem britischen, nicht amerikanischen F1-Weltmeister) in Internetsatirevideos als Toasterfabrik verspotten lassen. Der Untergang des amerikanischen Traums hatte begonnen. Nun ist klar: USF1 steigt aus, bevor es überhaupt eingestiegen ist.

Parkplatzrennen und Katastrophen

Die Beziehung zwischen der Königsklasse und der USA scheint festgefahren. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten scheint zur Formel-1-Diaspora zu werden. Immer wieder hat die Formel 1 versucht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Fuß zu fassen, immer wieder ist man gescheitert. "Amerika bringt uns nur Ärger. Wir haben dort nie Sponsoren bekommen und selbst in Malta haben wir mehr TV-Zuschauer als dort", erklärte Bernie Ecclestone nach dem Reifenskandal von 2005. Dieser sollte der Letzte einer Reihe von Skandalen in der Geschichte des US-Grand Prix sein.

Dabei hätte man vorgewarnt sein müssen. Schon die ersten Annäherungsversuche zwischen der Formel 1 und Amerika gestalteten sich äußerst mühevoll. 1950 wurde das Indy 500 in den Formel-1-Rennkalender aufgenommen - wirklich teilgenommen hat aber niemand der F1-Piloten. Beim letzten zur Formel 1 zählenden Indy 500 im Jahre 1959 gab es keine einzige Nennung aus Europa und auch der erste echte "Grand Prix der USA" - dieser fand im selben Jahr in Sebring statt - war nicht von Erfolg gekrönt.

Danach folgte ein Strecken-Wechsel-Dich-Spiel durch ganz Amerika: man fuhr in Riverside (1960), Watkins Glen (1961 - 1980), Long Beach (1976 - 1980), auf dem Parkplatz des Ceasar's Palace-Casinos (1981, 1982) und wanderte weiter nach Dallas (1984). Längere Aufenthalte fanden noch in Detroit (1982 - 1988) und Phoenix (1989 - 1991) statt. Dort sollte für lange Zeit der letzte Große Preis der USA ausgetragen werden.

Rückkehr auf den Brickyard

Erst 2000 wagte die Formel 1 erneut den Versuch, sich in den Staaten zu etablieren. Auf dem berühmten Ovalkurs von Indianapolis - für die Formel 1 noch mit einem engen Infield ausgestattet - wollte sich die Königsklasse den Amerikanern präsentieren. Doch schon der erste Auftritt vor der versammelten US-Presse ging gründlich in die Hose. Auf die Frage, welches Gefühl es sei, auf dem legendären "Brickyard" zu fahren, antwortete Michael Schumacher: "Das ist ein Rennen wie jedes andere auch."

Peinliche Panne oder Revanche für Österreich?, Foto: Sutton
Peinliche Panne oder Revanche für Österreich?, Foto: Sutton

Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass sich der siebenfache Champion den Groll der Amerikaner auf sich zog. 2002 folgte der nächste Eklat: Michael Schumacher und sein damaliger Ferrari-Adjutant Rubens Barrichello wurden ob der ewigen Siege ein wenig übermütig. Ausgerechnet in Indianapolis versuchten die Beiden herauszufinden, ob man auf das Tausendstel genau über die Ziellinie huschen kann - wie sich herausstellte, kann man es nicht. Die Folge: Obwohl Michael Schumacher vom Start weg das Rennen dominierte, gewann am Ende Rubens Barrichello. Für die wettfreudigen Amerikaner war das schlicht und einfach eine schallende Ohrfeige mitten ins Gesicht.

Reifenskandal als Tiefpunkt

Es schien als würde die Formel 1 nichts unversucht lassen, um sich in jenem Land, welches mit der NASCAR-Serie puren Motorsport gewöhnt ist, unbeliebt zu machen. Den Vogel schoss man beim Großen Preis der USA im Jahr 2005 ab - er ging in die Geschichtsbücher als "Petit Prix" ein. Auslöser für den Skandal war ein neuer Streckenbelag auf der Nudeltopfstrecke von Indianapolis, der die Michelin-Reifen regelrecht killte. Der französische Reifenhersteller empfahl aus Sicherheitsgründen den sieben von ihm ausgerüsteten Teams, nicht am Grand Prix teilzunehmen.

Am Ende bekamen die Fans an der Strecke nur die sechs Autos von den drei Bridgestone-Teams Ferrari, Jordan und Minardi zu sehen. Die internationale Presse sparte nach dem Rennen nicht an Kritik. "Der Große Preis der USA war eine Farce. Die Formel verkommt zum Zirkus. Die Formel 1 hat einen Riesenflop gelandet. Diese Blamage muss Konsequenzen haben", titelte die Corriere della Sera. Der Daily Mirror ging noch weiter: "Ruhe in Frieden, Formel 1. Das war der Tag, an dem der Rennsport in Amerika gestorben ist."

Auf eine Neues 2012

Bei Ferrari heißt ein Modell sogar California, Foto: Ferrari
Bei Ferrari heißt ein Modell sogar California, Foto: Ferrari

Nun also soll es wieder die USA sein. Doch warum versucht es die Formel 1 eigentlich immer wieder auf diesem Territorium? Für die Automobilhersteller in der Formel 1 - zugegeben nicht mehr viele - ist der nordamerikanische Markt extrem wichtig. Auch wenn sich die USA noch immer in der Krise befinden, die Absatzzahlen, vor allem der deutschen Automobilhersteller, sind gut. Bei einem stagnierenden und sogar rückläufigen Markt in Europa müssen sich die Konzerne auf Exporte konzentrieren. Mercedes konnte im abgelaufenen Jahr über eine viertel Millionen Fahrzeuge in die USA exportieren. Auch für Ferrari ist der US GP eine gute Werbefläche, die meisten Straßenrenner aus Maranello werden dorthin ausgeliefert.

Damit die Formel 1 auch in den Staaten zur Königsklasse des Motorsports avanciert, muss viel passieren. Gutes Image und Verkaufszahlen der beteiligten Hersteller allein reichen dafür nicht aus. Der die Medien beherrschende US-Wahlkampf ist vorbei, jetzt gilt es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Red Bull tat das in der jüngeren Vergangenheit mit Showruns und brachte den Sport zu den Leuten. Auch die Strecke in Austin ist ein guter Ansatz, sie liegt in unmittelbarer Nähe zur Stadt. Doch was die Formel 1 in den USA wirklich braucht, ist ein Spektakel. Sollte dies sportlich nicht gelingen, bleibt nur, auf den Grand Prix von New Jersey vor eine Traumkulisse zu hoffen.