Das Safety Car tritt in Abu Dhabi eher selten in Erscheinung, aber Fernando Alonso hat allen Grund es zu verfluchen. Nicht nur, dass die Neutralisationsphase bereits zum zweiten Mal seine Rennstrategie über den Haufen geworfen hat, darüber hinaus könnte sie ihn erneut den Titel kosten. 2010 erlaubte die Safety-Car-Phase zu Beginn des Rennens Vitaly Petrov, neue Pneus aufzuschnallen, wodurch er in der Lage war, Alonso und dessen Titelträume bis zur letzten Runde zu blockieren. Am vergangenen Wochenende half das Safety Car Alonsos großem WM-Rivalen Sebastian Vettel.

Sebastian Vettel in Abu Dhabi: Glück, Können oder beides?, Foto: Sutton
Sebastian Vettel in Abu Dhabi: Glück, Können oder beides?, Foto: Sutton

Red Bull hatte Ferrari mit Vettels Rückversetzung auf den letzten Startplatz, die infolge unzureichender Spritmenge im Qualifying ausgesprochen wurde, eine goldene Möglichkeit verschafft, im Kampf um die WM wieder die Oberhand zu gewinnen. Doch dank der beiden Safety-Car-Phasen gelang es dem Weltmeister, eine grandiose Aufholjagd zu starten, die mit einem Platz auf dem Podium belohnt wurde. Anstatt der erhofften zehn oder 15 Punkte machte Alonso gerade einmal drei Zähler auf den Konkurrenten gut.

Erwartungen vor dem Rennen

Die Nominierung der soft und medium Reifen versetzte die Teams in die Lage, das Rennen mit einer Einstopp-Strategie anzugehen. Die Rennställe rechneten damit, dass die Fahrer in beiden Stints ans Limit gehen können, ohne allzu großen Verschleiß befürchten zu müssen.

Vettel im Glück?

Vettels Strategie drehte sich von vorneherein nicht um die Reifenwahl und das Timing der Pitstops. Red Bull nahm das Auto des 25-Jährigen aus dem Parc Fermé, um Änderungen am Setup durchzuführen. Diese sollten ihm das Überholen auf der Strecke erleichtern. Die Einstellung der Flügel wurde verändert, ein längerer siebter Gang hinzugefügt. Dadurch erhöhte sich der Top-Speed für das Überholen mit dem Einsatz von DRS um rund 10 km/h auf eine Höchstgeschwindigkeit von 321 km/h.

Mit zwei DRS-Zonen und einem äußerst schnellen Auto stellte der Yas Marina Circuit für Vettel nicht die "Überhol-Wüste" dar, die er 2012 für Alonso war. Die Strategie des Red-Bull-Piloten sah wie folgt aus: Auf dem Medium wollte er im ersten Stint länger draußen bleiben als die Konkurrenz und so möglichst viele Plätze gutmachen. Den zweiten und letzten Stint, so war es auf jeden Fall geplant, sollte er auf den weichen Pneus bestreiten. Doch es kam alles anders. Wegen dem Schaden am Frontflügel war er dazu gezwungen, früher als seine Kontrahenten an die Box zu fahren. Im Nachhinein stellte sich das als ein Segen heraus.

Fernando Alonso: Kostet ihn Abu Dhabi erneut den Titel?, Foto: Sutton
Fernando Alonso: Kostet ihn Abu Dhabi erneut den Titel?, Foto: Sutton

In der neunten Runde, als das Safety Car das erste mal herausfuhr, war Vettel bereits auf Rang zwölf nach vorne gefahren. Zu diesem Zeitpunkt lag er 23 Sekunden hinter dem Führenden, Lewis Hamilton. Der Boxenstopp wegen des beschädigten Frontflügels, der aus einem Kontakt am Start und dem Ausweichmanöver hinter Daniel Ricciardo, als Vettel ein Styroporschild umfuhr, resultierte, warf ihn allerdings auf Rang 21 zurück. Nachdem er auf den harten Walzen gestartet war, ließ der Red-Bull-Pilot bei seinem ersten Stopp die weichen Pneus aufziehen, die am Sonntag die schnelleren waren.

Genauso wie Vettel stoppte auch Romain Grosjean während der Safety-Car-Phase und wechselte ebenfalls auf den Option-Reifen. Der Plan des Lotus-Piloten war es, bis zur Zielankunft nicht mehr an die Box zu fahren. Dadurch wurde er im weiteren Verlauf des Rennens zur Barriere und hielt Mark Webber, Sergio Perez und Pastor Maldonado nach ihren Stopps auf. So entstand zwischen Grosjean und dem vor ihm fahrenden Button eine große Lücke, in die Vettel nach seinem zweiten Reifenwechsel hineinstieß. Mit Blick auf die WM war das im Vergleich mit einer Einstopp-Strategie die weniger riskante Option, weil ihm so der vierte Platz garantiert war.

Es bestand allerdings auch die Möglichkeit, auf den abgewetzten Reifen ins Ziel zu fahren. Die Ingenieure der anderen Teams trauten es Vettel durchaus zu, insgesamt 42 Runden auf den weichen Pneus zu absolvieren. Ein solches Szenario hätte auf jeden Fall zu einem spannenden Finale geführt, Vettel lag zum Zeitpunkt seines letzten Stopps auf Rang zwei, WM-Konkurrent Alonso, mit deutlich weniger abgefahrenen Reifen, einen Platz dahinter. Aber obwohl der Spanier zum Ende des Rennens sehr schnell unterwegs war, hätte Vettel ihm dank seines hohen Top-Speeds eventuell Paroli bieten können. Aber Red Bull verzichtete ohnehin auf das Vabanquespiel.

Zwei Strahlemänner: Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel, Foto: Sutton
Zwei Strahlemänner: Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel, Foto: Sutton

Zu Beginn des ersten Boxenstopp-Fensters in Runde 25 lag Vettel bereits auf Rang zehn, 22 Sekunden hinter der Spitze. Es war also in etwa der gleiche Abstand wie vor seinem ersten unplanmäßigen Boxenstopp. Die Tatsache, dass er bereits neue Reifen aufgezogen hatte, erlaubte es ihm, in dieser Phase viel Boden auf die Konkurrenz gut zu machen. Zwischen Runde 24 und 31 fuhr der Champion auf Platz zwei nach vorne. Der zweite Pitstop versicherte ihm, dass er nicht mehr als zwei Positionen - auf Alonso und Button - einbüßen würde.

Wirklich großes Glück war erst die zweite Neutralisationsphase. Vettel, auf brandneuen Reifen unterwegs, hatte die 15 Sekunden Rückstand auf Button von einer Runde zur nächsten wettgemacht; und es waren noch 17 Runden zu fahren. Der Sprung aufs Podium gelang ihm auch dank der Mithilfe Buttons, der ihm bei seinem Überholmanöver genügend Raum ließ, weil er nicht in die WM-Entscheidung eingreifen wollte. Hätte Vettel die gleiche Aktion zu Beginn der Saison versucht, wäre er womöglich neben der Strecke gelandet.

Räikkönens erster Sieg

Kimi Räikkönen gelang endlich der Comeback-Erfolg im Lotus. Bereits bei den Longruns im Freien Training war zu erkennen, dass Lotus wieder schnell genug war, um ein Wörtchen um den Sieg mitzureden. Der größte Stolperstein war in der bisherigen Saison das Qualifying gewesen, aber dank Ferraris Leistungseinbruch und Vettels Strafe fand sich Räikkönen auf Rang vier wieder. Den Grundstein für den Sieg legte er mit seinem atemberaubenden Start, mit dem er sich auf Rang zwei nach vorne katapultierte.

Als Lewis Hamilton ausrollte, machte Räikkönen etwas, wovon er das gesamte Jahr geträumt hatte: Er führte das Feld an, genauso wie die bisherigen sieben Saisonsieger vor ihm. Räikkönen bewies, wie konkurrenzfähig der Lotus in diesem Jahr ist, und fuhr gleich zweimal einen Vorsprung von zehn Sekunden - erst auf Alonso, dann auf Vettel - heraus, bevor er durch das Safety Car eingebremst wurde.