Im vergangenen Jahr wurde Sauber seinem Ruf als Mittelfeld-Team voll und ganz gerecht. Rang sieben in der Teamwertung, die Plätze zwölf und sechzehn in der Fahrer-WM - so liest sich die Bilanz der letzten Saison. Durchaus respektabel für den Rennstall von Peter Sauber - doch der erhoffte Ausrutscher nach oben fehlte. Droht 2012 erneut das graue Mittelmaß? Nun, die Eindrücke von den Testfahrten in Barcelona machen Hoffnung auf mehr. Kamui Kobayashi und Sergio Perez sicherten sich bei den Tests auf dem Circuit de Catalunya jeweils eine Tagesbestzeit. Der Sauber-Bolide war mit wenig Sprit und voll betankt schnell unterwegs und zeichnete sich durch geringen Reifenverschleiß aus.

Und das Ende der Fahnenstange ist anscheinend noch nicht erreicht. Beide Piloten setzten ihre Bestmarken auf den Soft-Reifen, bekamen mit der Supersoft-Variante aber keine fehlerfreie Runde zustande. Normalerweise sind auf den ultraweichen Pneus noch bis zu drei Zehntel schnellere Zeiten drin, aufgrund der Streckencharakteristik in Barcelona stellte sich der weiche Reifen aber als die schnellere Variante heraus. Perez zumindest hat die Saisonvorbereitung mit einer gehörigen Portion Zuversicht ausgestattet. "Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Über die Performance kann ich noch nichts sagen, aber das Auto ist jetzt sehr gut ausbalanciert, und es macht das, was wir wollen."

Das Team

Zu den Schwergewichten der PS-Liga wird Sauber wohl nie gehören. Das finanzielle Budget reicht einfach nicht aus, um sich mit den profilierten Teams zu messen. Das wurde bereits bei den Tests überdeutlich: Experimente wie beispielsweise die Scuderia Ferrari, die beim ersten Testlauf in Barcelona verschiedene Auspuffeinstellungen durchprobte, kann sich Sauber nicht leisten. "Jede Modifikation ist ein teures Vergnügen", erklärte Chefdesigner Matt Morris. "Bevor wir so etwas machen, müssen wir uns sicher sein, dass es klar besser wird." Dennoch: Das Team, so scheint es, fühlt sich in der Außenseiterrolle pudelwohl. Fraglich ist allerdings noch, wie sich der Verlust von James Key auswirkt. Nach dem Abgang des Technik-Chefs entschloss sich Peter Sauber, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen.

Sauber präsentiert den neuen C31, Foto: Sauber
Sauber präsentiert den neuen C31, Foto: Sauber

Die Fahrer

Kamui Kobayashis Stunde schlägt zumeist im Kampf Mann-gegen-Mann. Die großen Stärken des Japaners sind sein großer Kampfgeist und seine Angriffslust - für ein spektakuläres Überholmanöver ist der Heißsporn immer zu haben. Den Aufstieg zum Leader bei Sauber rechtfertigte Kobayashi durch einen deutlichen Sieg im teaminternen Zweikampf mit Perez, den er 2011 mit 30:14 WM-Punkten in die Schranken wies. Doch der Nummer-1-Status des 25-Jährigen ist keinesfalls in Stein gemeißelt: Im Qualifying-Duell behielt sein junger Teamkollege mit 10:8 die Oberhand.

Böse Zungen behaupten, Perez fahre nur wegen der Millionen von Business-Mogul Carlos Slim in der Formel 1. Geschadet hat die Unterstützung seines milliardenschweren Förderers dem 22-Jährigen mit Sicherheit nicht, Perez stellte allerdings schon in seinem Rookie-Jahr unter Beweis, dass er kein gewöhnlicher Paydriver ist. Fünf Platzierungen in den Punkterängen standen für den Neuling nach seiner ersten Saison zu Buche. Experten bescheinigten ihm zudem ein ausgesprochen gutes Gefühl für die Reifen. Setzt sich die Entwicklung des Mexikaners fort, dürfte er Kobayashi das Leben schwer machen.

Ob der Bolide die hohen Erwartungen des Teams erfüllen kann?, Foto: Sauber
Ob der Bolide die hohen Erwartungen des Teams erfüllen kann?, Foto: Sauber

Das Auto

Bei der Konstruktion des neuen C31 setzten die Sauber-Ingenieure auf eine Weiterentwicklung des letztjährigen Fahrzeugs. Ziel sei es gewesen, jene Bereiche zu erweitern, die bereits 2011 gut funktioniert haben, erläuterte Morris. Durch eine Verbesserung des verstellbaren Heckflügels erhofft sich Sauber eine Steigerung im Qualifying. Richtiggehend revolutionär wurde es hingegen am Heck, das deutlich schlanker daherkommt als im Vorjahr. Die schmale Bauweise führte allerdings zu einem längeren Getriebe und einem dadurch etwas verlängerten Radstand. Getriebe, Motor und KERS werden weiterhin von Ferrari geliefert. Die auffälligste Neuerung war wie bei fast allen Autos die stufige, im Fall von Sauber äußerst dünne Nase, die den Änderungen der Sicherheitsbestimmungen für 2012 geschuldet ist.

Saisonziel: Platz fünf in der Team-WM und eine Podiumsplatzierung

Pro: Das Wortspiel mag zwar grausam sein, aber Sauber scheint im Winter tatsächlich sauber gearbeitet zu haben. Denn Sergio Perez und Kamui Kobayashi hinterließen bei den Testfahrten einen starken Eindruck. Der C31 war über eine Runde schnell, die Probleme mit dem Reifen-Warm-Up sind laut den Fahrern im Griff. Auch die Longruns sahen gut aus, wenn auch vielleicht nicht so stark wie bei den Top-Teams. Dennoch macht es den Eindruck, als könnte Sauber dieses Jahr wirklich für die eine oder andere Überraschung sorgen, bei außergewöhnlichen Rennen wäre ein Podest nicht gänzlich unwahrscheinlich. Bleibt nur zu hoffen, dass es dieses Jahr auch bei der Weiterentwicklung besser läuft. (Falko Schoklitsch)

Kamui Kobayashi landete 2011 auf Platz zwölf der Fahrer-WM, Foto: Sutton
Kamui Kobayashi landete 2011 auf Platz zwölf der Fahrer-WM, Foto: Sutton

Contra: Sauber zeigte zwar starke Leistungen in Jerez und Barcelona, doch darauf kann man in der Regel nicht viel geben. Selbst Pilot Kamui Kobayashi betonte, Wintertests seien eben Wintertests. Zudem sorgte das Schweizer Team für die eine oder andere rote Flagge, was nicht für die Zuverlässigkeit des C31 spricht. Bevor Sauber nun übermütig nach vorn blickt, sollte man lieber auch mal sehen, was - zum Beispiel in Form von Williams - noch von hinten kommt. (Marion Rott)