Aus strategischer Sicht war es ein interessantes Rennen mit viel mehr Unbekannten als sonst, besonders bei den Reifen, als es zu Beginn des Rennens ein wenig regnete. Die feuchte Strecke zwang alle Fahrer mit Intermediates zu starten – aber für wie lange?

Vor dem Start planten, bis auf die weiter hinter positionierten Autos, die Plätze gut machen wollten, die meisten Strategen mit einer Drei-Stopp-Strategie. Der nasse Start bedeutete zwei Dinge, die das Leben leichter gemacht haben: Die Fahrer mussten nicht mehr beide Trockenreifen einsetzen, so dass der langsame harte Reifen nicht mehr verwendet werden musste. Der nasse Start verkürzte das Rennen um elf Runden, machte es einfacher und brachte die Strategien besser zum Funktionieren.

Glück im Unglück: Michael Schumacher profitierte von seinem Nasenwechsel, Foto: Sutton
Glück im Unglück: Michael Schumacher profitierte von seinem Nasenwechsel, Foto: Sutton

Die erste Schlüsselentscheidung war es, ab wann man die Trockenreifen verwenden konnte. Diese Entscheidung half Schumacher, der in Runde neun ohnehin für eine neue Nase an die Box kommen musste und dabei gleich auf Trockenreifen wechselte, weil er nichts zu verlieren hatte. Als seine Reifen in Runde elf auf Temperatur waren, fuhr er pro Runde zwei Sekunden schneller als der Führende und es wurde deutlich, dass Slicks schneller waren, so dass auch Fahrer wie Jenson Button zum Wechsel kamen.

Red Bull: Zwei konkurrenzfähige Fahrer

Mark Webber fuhr in Silverstone auf die Pole und war im Rennen konkurrenzfähig, obwohl er am Start die Führung an seinen Teamkollegen abgeben musste. Also musste Red Bull vorsichtig handeln. An dem Punkt als der Wechsel von Regen- auf Trockenreifen stattfand, lag Sebastian Vettel acht Sekunden vor Mark Webber, der unter Druck von Fernando Alonso stand. Red Bull nutzte dies zu seinem Vorteil und holte erst Webber an die Box, damit er keine Zeit oder Position an gegenüber Alonso verlor. Es funktionierte und Alonso büßte 2,6 Sekunden bei seinem Stopp ein.

Vettel musste dafür jedoch eine Extra-Runde fahren, die ihn fünf Sekunden gekostet hat. Das Team dachte also nur an Webbers Nutzen, als sie ihn zum ersten Stopp an die Box riefen. Beim zweiten Stopp musste der Australier seinen Platz aber an Alonso abgeben. Sie holten den Fahrer wie üblich an die Box, bevor die Reifenperformance nachließ und Webber stoppte in Runde 26. Alonso hatte seine Reifen aber noch nicht am Lebensende und fuhr zu diesem Zeitpunkt mit 1:35,5 die schnellste Rennrunde. Webber verlor zudem 1,5 Sekunden bei seinem Stopp und Alonso konnte ihn überholen.

Sebastian Vettel litt unter Webbers frühem Stopp, Foto: Red Bull/GEPA
Sebastian Vettel litt unter Webbers frühem Stopp, Foto: Red Bull/GEPA

Als Vettel bei seinem Stopp ebenfalls Probleme bekam, musste er die Führung an Alonso abgeben und kam unmittelbar vor Webber zurück auf die Strecke, dessen Reifen nach dem Kampf mit Alonso bereits auf Temperatur waren. Dies war ein sehr seltenes Beispiel der Saison, dass ein Überholmanöver funktioniert, obwohl der Fahrer eine Runde später stoppte. Normalerweise sorgt die Performance der neuen Reifen dafür, dass man nur mit einem früheren Stopp überholen kann. Im späteren Verlauf des Rennens konnte Webber Vettel sogar attackieren, da seine Reifen zwei Runden frischer waren, doch das Team erlaubte keinen Überholversuch.

McLaren – Rennen an mehreren Fronten gefährdet

Abgesehen von der außergewöhnlichen Situation, als Jenson Buttons Rad bei seinem dritten Stopp nicht richtig befestigt wurde, war McLarens Rennen beeinträchtigt. Wie schon in Valencia war das Auto im Vergleich zur Konkurrenz sehr hart zu den Reifen. Das Hauptproblem Hamiltons war aber, dass er nicht genug Benzin hatte.

Mit dem geänderten Motor-Mapping für dieses Rennen – was einen geringen Verbrauch bedeutet, da das Zwischengas nicht mehr verwendet wird – und keiner Trockenerfahrung im Training, mussten die Teamstrategen die Menge des Treibstoffs, der für das gesamte Rennen benötigt wurde abschätzen. Von Platz zehn aus gestartet, wählte McLaren mit Hamilton eine sehr aggressive Strategie. Normalerweise benötigt man etwa 150 Kilogramm Treibstoff für ein 52 Runden-Rennen in Silverstone.

Lewis Hamilton musste in den letzten Runden Sprit sparen und verlor so einen möglichen Podestplatz, Foto: Sutton
Lewis Hamilton musste in den letzten Runden Sprit sparen und verlor so einen möglichen Podestplatz, Foto: Sutton

Die nassen elf Runden zu Beginn des Rennens spielten ihm in die Karten, da man bei feuchten Bedingungen weniger Treibstoff verbraucht und viele Strategen verringerten die Füllmenge, als klar wurde, dass der Start nass wird. Erstaunlicherweise half es Hamilton nicht und er musste in den letzten 20 Runden Sprit sparen, was ihm einen Podestplatz an Webber und beinahe einen weiteren Platz an Massa gekostet hätte.

Das ist eine der größten Herausforderungen für Rennstrategen. Sie wollen das Auto mit möglichst wenig Treibstoff ins Ziel bringen, da jedes Extra-Gewicht einen für 52 Runden langsamer macht. Wenn man zu aggressiv unterwegs ist, verliert man gegen Ende des Rennens die Positionen, wenn man langsamer fahren muss. Ist zu viel Treibstoff im Auto, verliert man zu Beginn des Rennens zwar Zeit, aber keine Positionen. In den letzten 12 Monaten haben wir sehr wenig davon gesehen, was bedeutet, dass die Teams nicht das Gefühl haben, das eine sehr aggressive Fahrweise mit vollem Tank ein lohnendes Risiko darstellt.

Von hinten nach vorne für Alguersuari

In diesem Jahr sehen wir ein Phänomen, was wir bei der Formel 1-Strategie bislang noch nicht gesehen haben; in sechs von neun Rennen hat es ein Fahrer, der bereits in Q1 ausgeschieden ist, noch bis in die Punkte geschafft. Alguersuari hat dies in den drei vergangenen Rennen vom 18. Startplatz aus geschafft.

Toro Rosso sagte, dass der Regen gegen Ende des ersten Qualifyings sie hinderte und keine Runde auf weichen Reifen mehr möglich gewesen ist, aber laut dem UBS Strategy Report wollten sie einen Run mit harten Reifen versuchen, um drei Reifensätze für das Rennen zu sparen, so wie es für sie in der Vergangenheit häufiger funktioniert hat.

Jaime Alguersuari fuhr von Startplatz 18 bis in die Punkte, Foto: Red Bull/GEPA
Jaime Alguersuari fuhr von Startplatz 18 bis in die Punkte, Foto: Red Bull/GEPA

Jedenfalls fuhr Alguersuari seine üblich langen Stints und nutzte das Extra-Leben und die Performance der neuen weichen Reifen, so dass er nur zwei Mal stoppen musste und somit als Zehnter das Ziel erreichte. Nico Rosberg und Sergio Perez waren die besten Zweistopper auf den Plätzen sechs und sieben. Sauber zeigte erneut, dass sie sehr schonend mit den Reifen umgehen und sehr konstant fahren.

Die Bedeutung des Starts auf die Rennstrategie

Rosberg verlor beim Start drei Positionen und gab sein Bestes, um dort ins Ziel zu kommen, wo er ohne diesen Fehler gewesen wäre. Aber in diesem Jahr haben wir einige Trends bei den Starts gesehen, die einen Unterschied zwischen den Ergebnissen bringen.

Das offensichtlichste Beispiel dafür ist Pastor Maldonado, der sich im Qualifying in Silverstone auf einem hervorragenden siebten Platz qualifizierte und anschließend drei Plätze beim Start verloren hat. Dies ist ein typischer Trend beim Venezolaner, der bei neun Starts in dieser Saison bereits 19 Plätze verlor. Auch Webber hat einen schlechten Start Rekord – er verlor 12 Positionen bei 9 Starts – und er musste die Führung beim Start in Silverstone an Vettel abgeben.