Lewis Hamilton durchlebt derzeit keine einfach Phase. Neben dem Hagel an Kritik auf Grund seiner Fahrweise, stimmen momentan auch die Ergebnisse für den McLaren-Piloten nicht. Schon länger wurde über einen Wechsel des Ex-Weltmeisters spekuliert. In Frage kämen da nur Ferrari und Red Bull. Während bei der Scuderia allein durch die Anwesenheit von Erzrivale Fernando Alonso jede Tür versperrt scheint, ist ein Wechsel zu Red Bull schon weitaus verlockender und auch machbar.

Mark Webbers Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Der Australier will zwar verlängern, ob das Weltmeisterteam ihn vor dem Hintergrund des Leistungsabfalls im Vergleich zum Vorjahr und zu Teamkollege Sebastian Vettel behält, ist aber fraglich. Will man erneut zwei Top-Piloten und nicht etwa ein Talent aus den eigenen Reihen aufbauen, wie Sebastien Buemi oder Daniel Ricciardo, wäre Hamilton durchaus eine denkbare Alternative. Der Brite kämpft derzeit verbissen darum, irgendwie an die Spitze zu kommen - frei nach dem Prinzip: "Koste es, was es wolle."

Wozu er daher auf der Strecke bereit ist, hat man in den beiden letzten Rennen eindrucksvoll bestaunen können. Nun scheint Hamilton scheinbar auch abseits der Piste nicht mehr davor zurückzuschrecken, seinem Unmut über die momentane Performance Ausdruck zu verleihen. Dass er sein Team McLaren, sowie den sportlichen Ziehvater Ron Dennis verlassen könnte, um im besten Auto zu sitzen, steht außer Frage. Für den Erfolg tut Hamilton alles - das bewies nicht zuletzt auch seine Entscheidung, sich vor einem Jahr von seinem eigenen Vater als Manager zu trennen.

Gespräche mit Horner in Montreal

In Montreal wurde der 26-Jährige nun bei privaten Gesprächen mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner, in dessen Büro im Motorhome des österreichischen Teams gesehen. So öffentlich wie in Kanada wurden die sich anbahnenden, ersten lockeren Bande zwischen Hamilton und der Konkurrenz bis dato noch nie deutlich. 2012 endet sein McLaren-Vertrag - ändert sich nichts an der aktuellen Situation mit einem scheinbar übermäßigen Red Bull, will der Brite weg und eben genau dort hin.

Verlässt Lewis Hamilton Ziehvater Ron Dennis und McLaren schon bald, um sich Red Bull anzuschließen?, Foto: Sutton
Verlässt Lewis Hamilton Ziehvater Ron Dennis und McLaren schon bald, um sich Red Bull anzuschließen?, Foto: Sutton

Mindestens eine Viertelstunde sprachen Horner und der abwanderungswillige McLaren-Pilot alleine. Eine Quelle von Red Bull ließ im Anschluss zwar verlauten, es habe sich lediglich um "soziale Kontakte" gehandelt, doch dass der Brite nicht ohne Grund bei Red Bull vorstellig wird, ist auch klar. Horner hegt aber wohl noch Zweifel ob der Kompatibilität des angriffslustigen Briten mit seinem Star-Piloten Sebastian Vettel.

"Wie zwei solche Kaliber unter einem Dach harmonieren würden, ist schwer abzuschätzen", erklärte der Red-Bull-Chef diesbezüglich bereits vor einigen Wochen. Für die Zukunft steht daher noch nichts fest - Hamiltons unübliches Verhalten ist aber als klarer Indikator für seinen wachsenden Frust über die aktuelle Situation und die Wettbewerbsfähigkeit des McLarens zu werten.

Der WM-Vierte muss derzeit zu viel riskieren, um mit Red Bull auf der Strecke mithalten zu können. Seine chaotischen Auftritte voller Unfälle und Beschwerden in Monte Carlo und Montreal sind Zeugnis davon. Zu Saisonbeginn war der Champion von 2008 noch erster Verfolger Vettels. Nun jedoch hat er sich nicht zuletzt auch selbst durch seine ungestüme Fahrweise schon ganze 76 Punkte Rückstand auf den Deutschen eingehandelt. Vor dem Rennen in Kanada sprach Hamilton trotzdem weiterhin zuversichtlich über seine Titelchancen - etwas das man im Montreal-Fahrerlager von ihm nicht mehr zu hören bekam.

Monaco & Kanada tief enttäuschend

Das verpatzte Wochenende auf der Ile de Notre Dame könnte ihn zum Umdenken bewegt haben - nicht jedoch in Bezug auf seine eigenen Fehler und seine Aggressivität, sehr wohl aber in puncto Vertragsfragen und eines Wechsels weg von McLaren. Sowohl in Monaco, als auch in Kanada war Hamilton als Favorit in das Rennen gegangen. Am Ende standen ein magerer sechster Platz und ein Ausfall, sowie jede Menge Ärger zu Buche.

Die schwache Qualifying-Performance seines Teams dürfte für Hamilton ein weiterer Grund gewesen sein, dass der Missmut stieg, gleichermaßen wie der Druck. "Ich denke er hat im Moment einfach nur einen unglücklichen Lauf", erklärte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh in Bezug auf seinen viel kritisierten Schützling. "Ich glaube er muss einfach der Rennfahrer sein, der er ist und ich bin überzeugt davon, dass er das auch sein wird", so der Engländer, der nach dem Rennen in Montreal anfügte: "Ich bin mir zwar sicher, dass er enttäuscht ist, aber genauso freut er sich auch mit dem Team über den Sieg."

Nach außen hin machte Hamilton nach Jenson Buttons Triumph gute Mine zum bösen Spiel. Lächelnd posierte er mit auf den Siegerfotos - innerlich rumort es beim Briten aber gewaltig. Dass Button, den er von der reinen Geschwindigkeit zumeist im Griff hat, nun in der Weltmeisterschaft sogar 16 Punkte vor ihm liegt, gibt dem 26-Jährigen zu denken. Inwiefern die Stimmung im Team vor dem Hintergrund Hamiltons ständiger Kritik und der Eskapaden auf der Strecke, langsam in Richtung Button umschlägt, ist schwer zu sagen.

Kritik von außen wächst

Auch in Kanada prasselte vor und nach dem Rennen die Kritik auf Hamilton nur so herein, wie der starke Regen auf das Areal des Circuit Gilles Villeneuve. Niki Lauda nannte Hamilton "verrückt". Seine Manöver würden über "jegliche Grenzen hinausgehen" und irgendwann einmal könnte es Tote geben, wenn der Brite so weiterfahren würde. Langsam sei eine Strafe nötig, denn sonst würde Hamilton sich nicht bessern. Zuständig für die Strafen war in Montreal als vierter Kommiassar Emerson Fittipaldi, der dem Briten bereits im Vorfeld des Rennens eine zu aggressive Fahrweise vorgeworfen hatte.

Lewis Hamilton drehte bereits früh im Rennen Mark Webber um - Jenson Button sah dabei zu und holte sich am Ende den Sieg, Foto: Red Bull
Lewis Hamilton drehte bereits früh im Rennen Mark Webber um - Jenson Button sah dabei zu und holte sich am Ende den Sieg, Foto: Red Bull

Kritik gab es nach dem Rennen, in dem er mit Mark Webber und Jenson Button aneinander geriet, obwohl er nur wenige Runden absolvierte, auch aus der Heimat. Stirling Moss erklärte: "Er geht manchmal einfach ein bisschen zu weit." Selbst Fernando Alonso mischte sich ein und ließ in Bezug auf den Zwischenfall Hamiltons mit seinem Teamkollegen Button verlauten: "Die Verantwortlichen haben es untersucht - aber ich habe eine etwas andere Meinung dazu." Glück habe man bei den Briten nur, weil der McLaren ein "unzerstörbares Auto" sei, scherzte Alonso, der diese schmerzliche Erfahrung auch bei seiner Kollision mit Jenson Button machen musste.

Hamilton will sich vermarkten

Rückendeckung erhielt Hamilton immerhin von seinem alten Weggefährten Norbert Haug. Der Mercedes-Sportchef nahm seinen ehemaligen Fahrer in Schutz. "Ich kann Lewis absolut verstehen und werde ihn verteidigen. Er ist ein guter Fahrer und Freund und ich teile die Kritik an ihm nicht." Wie es in Zukunft aber mit dem Briten weitergeht, ist noch nicht abzusehen. Hamilton selbst sagte dazu nur: "Man weiß nie, in welche Richtung der Wind einen weht."

Betrachtet man alle logischen Vorzeichen weht der Wind in Richtung Red Bull. Auch für Besitzer Dietrich Mateschitz wäre der 26-Jährige eine interessante Personalie. Der Getränkehersteller ist immer um gute PR bemüht - Hamilton versucht sich seinerseits gerade mit Simon Fuller, der auch schon die Beckhams managte, als Marke zu etablieren. Die Liaison zu Nicole Scherzinger und der Boxengassen-Talk mit Rihanna in Montreal sind dabei nur Randnotiz.